Arzt und Recht - OUP 05/2014

Kündigung – formale Fallstricke erkennen

Für ein Arbeitsverhältnis, bei dem sich zwar aus § 622 Abs. II BGB eine kürzere als eine dreimonatige Kündigungsfrist ergeben würde, bei dem jedoch einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist vereinbart ist, wirkt sich § 113 Abs. I S. 2 InsO dahingehend aus, dass die vereinbarte Frist insoweit maßgeblich ist, als sie die Dreimonatsfrist nicht überschreitet. Ist sie länger als diese, so gilt die reduzierte Dreimonatsfrist, so dass solche Arbeitsverhältnisse ebenfalls mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats enden.

Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis wirkt sich § 113 Abs. I InsO so aus, dass mit der Dreimonatsfrist gekündigt werden kann, sofern der Befristungszeitpunkt später liegt. Läuft die Frist vorher ab, so erlischt das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es dieser Kündigung bedarf.

...“

Mit ihrer am 18.05.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt.

Aus den Gründen

Die Kündigung vom 03.05.2010 beendete nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis mit dem 31.08.2010.

Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erklärte Kündigung sei darauf gerichtet gewesen, das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2010 zu beenden. Die Annahme des vorinstanzlichen Landesarbeitsgerichts, die Kündigungserklärung sei bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht ausreichend bestimmt sei, halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Bei der Auslegung einer Kündigung sei nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen seien auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte4. Der Erklärungsempfänger müsse aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigung unter anderem erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei Zugang der Kündigung müsse für ihn bestimmbar sein, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll5.

Dafür genüge im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen reiche aus, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll. Auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin sei möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist. Eine Kündigung sei allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll6.

Die Würdigung des vorinstanzlichen Landesarbeitsgerichtsgerichts, die Kündigungserklärung vom 03.05.2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ sei unbestimmt, weil der Klägerin nicht das maßgebliche „Rechenprogramm“ (gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen) und die maßgeblichen Tatsachen (insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit) mitgeteilt worden seien, werde diesen Grundsätzen nicht gerecht.

Der Zeitpunkt, zu dem die ausdrücklich als ordentliche Kündigung bezeichnete Erklärung vom 03.05.2010 das Arbeitsverhältnis beenden sollte, lasse sich dem Kündigungsschreiben entnehmen. Die Erklärung des Beklagten beschränke sich nicht auf eine ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, sondern gebe zugleich an, nach welchen Vorschriften sich die Kündigungsfrist bestimmt. Für die Klägerin sei deshalb nicht unklar gewesen, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte. Sie habe der Erklärung entnehmen können, dass nach § 113 InsO eine dreimonatige Kündigungsfrist galt, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich war. Sie habe die Erklärung so verstehen müssen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit einer dreimonatigen Frist zum 31.08.2010 gekündigt wurde, ohne dass weitere Angaben des Beklagten erforderlich gewesen wären.

Der Arbeitgeber könne in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit kennt. Ausnahmsweise – z.B. im Fall eines zweifelhaften Betriebsübergangs – könne anderes gelten. Im Regelfall sei die Kündigungserklärung hinreichend bestimmt, wenn das Kündigungsschreiben die maßgeblichen Kündigungsfristen nennt. Der Arbeitnehmer sei dann unschwer in der Lage zu bestimmen, zu welchem „nächstmöglichen Zeitpunkt“ der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte.

Fazit

Häufig scheitern Kündigungen bereits wegen formaler Fehler, sodass es auf das Vorliegen von Kündigungsgründen und somit deren materiell-rechtlicher Überprüfung gar nicht mehr ankommt. Die Durchsetzung berechtigter Kündigungsgründe sollte jedoch nicht bereits aus lediglich formalen Gründen scheitern.

Gegen eine rechtswidrige Kündigung ist vom Arbeitnehmer gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung zu erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Allein die mangelnde Schriftform der Kündigung kann noch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist geltend gemacht werden, weil § 4 Satz 1 KSchG nur für schriftliche Kündigungen gilt7. Für den Arbeitgeber läuft hingegen keine Klagefrist. Sein Klagerecht ist in zeitlicher Hinsicht lediglich durch die sogenannte Verwirkung begrenzt, wobei strenge Anforderungen zu stellen sind. Verwirkung tritt ein, wenn die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhoben und dadurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Zwar gibt es Rechtsprechung, die ein Jahr als verhältnismäßig kurz ansieht8. Diese Zeitvorgabe kann jedoch nicht auf jeden Einzelfall übertragen werden, sodass Vorsicht geboten und grundsätzlich keine Zeit unnötig zu verlieren ist.

Auch wenn die oben dargestellte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im konkreten Fall den Interessen der Arbeitgeberin entspricht, dürften die Grundsätze generell auch auf die Eigenkündigung des Arbeitnehmers anzuwenden sein. Dieser Fall kommt jedoch in der Realität faktisch kaum vor. Die Umsetzung sollte jedenfalls nur nach einzelfallbezogener Prüfung erfolgen.

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