Originalarbeiten - OUP 01/2013
Mikrochirurgische Dekompression der lumbalen Spinalkanalstenose
Ein charakteristisches Symptom der lumbalen Spinalkanalstenose ist das Symptom der Claudicatio intermittens spinalis.
Die Patienten berichten über Schmerzen und ein Schweregefühl bzw. über eine Taubheit und motorische Schwäche in den Beinen beim Gehen, während sie im Sitzen deutlich weniger Beschwerden empfinden. Diese Besserung im Sitzen ist durch die bei Flexionshaltung natürliche Erweiterung des Spinalkanals erklärbar. Die Flexionshaltung ermöglicht es diesen Patienten, Rad zu fahren und bergauf zu gehen, was hingegen Patienten mit einer Claudicatio intermittens vascularis, einer der Differenzialdiagnosen, schwerfällt (Abb. 4).
Die Pathophysiologie, die der Claudicatio intermittens spinalis zugrunde liegt, ist in ihrer Komplexität noch nicht vollständig erfasst. Arbeiten von Porter gehen von einem venösen Pooling zwischen 2 Stenosen aus, die eine zusätzliche Kompression der Cauda equina bewirkt [18]. Bestätigung für diese Hypothese findet Porter in fehlender Claudicatio bei einsegmentaler Stenose und in Myeloskopiestudien von Ooi, bei der venöse Stauungen im Bereich der Cauda nachgewiesen wurden [17].
Die Kompression einer einzelnen Nervenwurzel, wie sie typisch für die Recessusstenose ist, verursacht radikuläre Symptome. Die Patienten berichten auch über Rückenschmerzen. In einer Studie von Lemaire ist der Rückenschmerz mit ca. 90 % deutlich häufiger erwähnt als die Claudicatio mit ca. 60 % [15].
Das Ausmaß der Stenose lässt keine Rückschlüsse auf neurologische Symptome zu. In der bereits oben erwähnten Studie von Lemaire wiesen nur 40 % der Patienten mit myelographisch komplettem Kontrastmittelstopp ein neurologisches Defizit nach. Auch Blasenstörungen werden bei den Patienten subjektiv weniger wahrgenommen als objektiv messbar, wie in einer Studie von Deen – durchgeführt bei Patienten nach erfolgter Laminektomie – deutlich wird [4]. Die neurologische Untersuchung erweist sich als weniger richtungweisend als die Anamnese. Zur besseren Beurteilung der klinisch relevanten Höhe bei einer multisegmentalen Stenose und zur Protokollierung des Verlaufes unter Therapie ist sie trotz vielfältiger apparativer, insbesondere bildmorphologischer Diagnostik, weiterhin notwendig.
Apparative Diagnostik
Nach Anamnese und neurologischer Untersuchung schließt sich die weitere Diagnostik mittels Bildgebung an.
Sinn der apparativen Diagnostik:
- · Weitere differenzialdiagnostische Abklärung
- · Bestätigung der Verdachtsdiagnose
- · Darstellung des Ausmaßes der Stenose
- · Planung einer möglichen Operation (Abb. 5).
Dabei haben sowohl Röntgen, NMR als auch CT ihren Stellenwert.
Einfache Röntgenaufnahmen in ap., lat., und Funktionsaufnahmen:
- Darstellung skoliotischer Fehlhaltung und Lyse
- Informationen über eine in Bewegung vorhandene Hypermobilität. Die Instabilitätskriterien wurden von White und Panjabi 1990 für die Lendenwirbelsäule definiert [25].
Kernspinaufnahmen
- Informationen über Einengung durch Bänder
- Darstellung der Kompression des Duralsackes und der Nervenwurzeln
- Abklärung von Differenzialdiagnosen (Tumor, Entzündung, etc. als Ursache einer Stenose).
Eine Myelografie hat den Vorteil einer dynamischen Untersuchung mit Kontrastmittel, dessen Verteilung exakt Höhe und Seite der Stenose zeigt und in Kombination mit einer Computertomografie sind knöcherne Einengungen oder Verkalkungen der Bänder besser beurteilbar.
Neben der bildmorphologischen Diagnostik können elektrophysiologische Untersuchungen zur Verlaufsdokumentation vor und nach Therapie bzw. zur differenzialdiagnostischen Abklärung Anwendung finden.
Therapieoptionen
Ob eine konservative der operativen Therapie vorzuziehen ist oder umgekehrt, ist abhängig von dem, was als Therapieerfolg definiert wird. Dies erweist sich als schwierig, weil, wie bereits aufgeführt, das Spektrum der Beschwerden komplex und nicht sicher auf eine morphologische Veränderung konkret zurückgeführt werden kann.
Betrachtet man die Enge als allein verantwortlich für die von dem Patienten geschilderten Beschwerden, erscheint die operative Aufhebung der Enge als beste Therapieoption. Eine solche Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass Patienten mit bildmorphologisch ausgeprägten Engen eventuell nur wenige Beschwerden haben, wohingegen andere mit geringer ausgeprägten Stenosen eine deutliche Einschränkung ihrer schmerzfreien Gehstrecke aufweisen.
Studien zeigen dass insbesondere bei geringer oder moderater Symptomatik eine konservative Therapie eine sinnvolle Option darstellt. Die konservative Therapie sollte im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie erfolgen [21]. Bei Patienten mit schwerer Symptomatik scheint dagegen nur eine operative Therapie eine Verlängerung der Gehstrecke zu bewirken.
Als operative Verfahren gelten dabei sowohl die mikrochirurgische Dekompression als auch die makrochirurgische Dekompression mit und ohne Fusion.
Laminektomie
Bei der Laminektomie (Abb. 6) wird der gesamte Wirbelbogen, einschließlich Dornfortsatz und interspinöser Bänder entfernt.
Der Patient wird in Bauch- oder Knie/Ellenbogenlage positioniert, aufliegende Körperpartien werden gut abgepolstert. Je nach Ausmaß der vorgesehenen Dekompression erfolgt eine in der Medianebene gelegene, mehrere Zentimeter große Hautinzision. Die Fascia thoracolumbalis wird eröffnet und beidseits der Mittellinie die Muskulatur subperiostal abgeschoben, bis lateral die Gelenke erkennbar werden. Mittels Klemme, die im Ligamentum interspinosum im Bewegungssegment – welches man beabsichtigt zu operieren – verankert wird, kann unter Röntgendurchleuchtung die exakte Höhe bestimmt werden. Als nächstes werden die Ligamenta interspinalia zu den benachbarten Dornfortsätzen quer durchtrennt. Der Dornfortsatz wird mit einer Knochenzange entfernt. Mit Hilfe von Highspeed-Drill und Rongeur erfolgt ein systematisches Ausdünnen der Lamina von medial bis nach lateral unter Einbeziehung des medialen Facettengelenkanteils. Der Erhalt der äußeren 2/3 des Gelenks soll eine mögliche Instabilität zu verhindern. Aus besagtem Grund wird ein „Unterschneiden“ mit Stanze oder Fräse empfohlen. Nach Entfernung des knöchernen Anteils ist das Ligamentum flavum zu entfernen. Ein guter Einstieg ergibt sich vom kaudalen Ende, wo das Band mit Dissektor vom Knochen gelöst werden kann. Nach der Dekompression sollte man nach raumfordernden Pathologien (z.B. Bandscheibenvorfall) schauen und diese entfernen. Nach Einlage einer Drainage erfolgt der mehrschichtige Wundverschluss.