Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020
Minimal invasive Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) mit der Quadrizepssehne
Christian Fink, Elisabeth Abermann, Mirco Herbort
Zusammenfassung:
Zur Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) wurden zahlreiche Operationstechniken publiziert, wobei vor allem die Sehnen von M. Semitendinosus oder M. Gracilis
als Transplantat verwendet wurden. Trotz überwiegend sehr guter klinischer Ergebnisse dieser Operationsmethoden, haben sich auch Komplikationen wie bspw. Patellafrakturen (durch Bohrkanäle oder Implantate) gezeigt. Bei Rekonstruktionstechniken, die ein Quadrizepssehnentransplantat (QS) verwenden, kann dagegen auf Knochenkanäle an der Patella verzichtet werden. Mehrere Studien über MPFL-Rekonstruktion mit der QS konnten sehr gute klinische und funktionelle Ergebnisse bei niedrigerem Komplikationspotential zeigen. Parallel dazu ergaben experimentelle Studien eine größere Ähnlichkeit biomechanischer Parameter des QS-Transplantats zum unverletzten MPFL als Hamstrings-Transplantate (HS). Wir beschreiben eine minimal invasive MPFL-Rekonstruktionstechnik mit einem Quadrizepssehnenstreifen. Diese Technik stellt eine gute bohrkanalsparende Alternative zu den weit verbreiteten HS-Techniken dar, und ist sowohl für primäre und Revisionseingriffe bei Kindern und Erwachsenen geeignet. Außerdem stellt diese Technik eine bohrkanalsparende Alternative für Kinder mit offenen Wachstumsfugen dar.
Schlüsselwörter:
Femuropatelläre Instabilität, MPFL Rekonstruktion, Quadricepssehne
Zitierweise:
Fink C, Abermann E, Herbort M: Minimal invasive Rekonstruktion des medialen patellofemoralen
Ligaments (MPFL) mit der Quadrizepssehne. OUP 2020; 9: 152–156 DOI 10.3238/oup.2019.0152–0156
Summary: Hamstring tendon (HT) MPFL reconstruction techniques have been shown to successfully restore patella stability, but complications including patella fractures have been reported. Quadriceps tendon (QT) reconstruction techniques with an intact graft pedicle on the patella side have the advantage that patella bone tunnel drillings and implant fixations are no longer needed, reducing risk of patella fractures. Several QT MPFL reconstruction techniques, including minimally invasive surgical (MIS) approaches, have been published with promising clinical results and fewer complications than with HT techniques. Parallel laboratory studies have shown macroscopic anatomy and biomechanical properties of QT are more similar to native MPFL than HT, suggesting QT may more accurately restore native joint kinematics. We describe a minimal invasive MPFL reconstruction technique using a strip of QT. This technique demonstrates promising clinical results and offers a valuable alternative to HT grafts for primary and revision MPFL reconstruction in both children and adults.
Keywords: patellofemoral instability, MPFL reconstruction, Quadricepstendon
Citation: Fink C, Abermann E, Herbort M: Minimal invasive reconstruction of the medial patellofemoral ligament (MPFL) using quadriceps tendon. OUP 2020; 9: 152–156 DOI 10.3238/oup.2019.0152–0156
Christian Fink, Elisabeth Abermann: Gelenkpunkt – Sport und Gelenkchirurgie Innsbruck und Research Unit für Sportmedizin des Bewegungsapparates und Verletzungsprävention, UMIT, Hall
Mirco Herbort: Orthopädische Chirurgie München, OCM Klinik GmbH und Research Unit für Sportmedizin des Bewegungsapparates und Verletzungsprävention, UMIT, Hall
Einleitung
Die Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) zur Behandlung der patellofemoralen Instabilität hat in den letzten Jahren zunehmendes Interesse erlangt [3, 10, 20]. Zahlreiche Operationstechniken wurden publiziert, wobei vor allem die Sehnen von M. Semitendinosus oder M. Gracilis als Transplantat verwendet werden [2, 12, 13, 15, 18, 19]. In den meisten dieser Techniken werden Bohrkanäle und/oder Ankersysteme zur Transplantatfixation an der Patella verwendet. Trotz überwiegend sehr guter klinischer Ergebnisse dieser Operationsmethoden haben sich auch einige Probleme gezeigt [1, 20]. In einer Metaanalyse über MPFL-Rekonstruktionen beschrieben Shah et al. [20] eine Komplikationsrate von 26,1 %. Vor allem Einschränkungen der Knieflexion oder Patellafrakturen (durch vorhandene Knochenkanäle) wurden dabei gefunden.
Als Alternative zu den Hamstringsehnen als Transplantat zur MPFL-Rekonstruktion wurden Operationstechniken unter Verwendung eines Quadrizepssehnenstreifens, die ohne Bohrkanäle oder Ankersysteme in der Patella auskommen [3, 4, 5, 11, 14, 21], beschrieben. Morphologisch ist ein Quadrizepssehnenstreifen dem nativen MPFL ähnlicher (Abb. 1). Auch die biomechanischen Eigenschaften (maximale Ausrisskraft, Steifigkeit) entsprechen dem nativen MPFL [9]. Demgegenüber ist die Steifigkeit eines Hamstringsehnen-Konstrukts etwa 3 x höher als die des nativen MPFLs [16]. Möglicherweise haben aber die kosmetischen Nachteile einer longitudinalen Hautinzision am Oberschenkel (Abb. 2) und die technisch schwierige Entnahme eines Quadrizepssehnenstreifens in konstanter Dicke bis dato eine größere Verbreitung dieser Techniken verhindert.
Wir haben eine minimal invasive Operationstechnik mit speziellem Instrumentarium entwickelt, die eine sichere und konstante Entnahme des Quadrizepssehnenstreifens gewährleistet [4, 5]. Bevor jedoch die Indikation zur isolierten MPFL-Rekonstruktion, unabhängig von der Operationstechnik, gestellt wird, sollte eine gewissenhafte Analyse der begleitenden Faktoren (Achsabweichung, Trochleadysplasie, TTTG-Abstand) durchgeführt werden [7].
Operationstechnik
Lagerung
Für die MPFL-Rekonstruktion wird der Patient in Rückenlagerung platziert. Das Kniegelenk sollte idealerweise zwischen 0° und 120° frei beweglich sein. Dies lässt sich mittels Beinhalter oder auch auf dem normalen Operationstisch erreichen. Wichtig ist bereits präoperativ darauf zu achten, dass intraoperativ eine exakt seitliche Röntgenaufnahme mit dem Bildwandler angefertigt werden kann. Wir bevorzugen die Lagerung des zu operierenden Beines am elektrischen Beinhalter (Maquet®) (Abb. 3) und des gesunden Beines in Steinschnittposition. Dies ermöglicht gute Operationszugänge und flexible intraoperative Verwendung des Röntgenbildverstärkers (RBV).
Transplantatentnahme
Zur Entnahme eines Quadrizepssehnenstreifens wird in 90° Beugung des Kniegelenkes eine ca. 3 cm lange transversale Hautinzision über dem superomedialen Patellapol angelegt (Abb. 4). Es folgt die subkutane Präparation und Darstellung der Quadrizepssehne, wobei zu beachten gilt, dass die oberflächliche Bursaschicht exakt abpräpariert wird, um die Sehnenoberfläche sicher identifizieren zu können. Nun kann ein Langenbeck-Haken nach proximal eingesetzt werden, um eine gute Sicht auf die Oberfläche der Quadrizepssehne im gesamten Entnahmeareal zu erhalten. Gegebenenfalls kann das Arthroskop trocken die Visualisierung erleichtern. Anschließend wird das Sehnenmesser mit einer Breite von 10 mm oder 12 mm (entsprechend der Körpergröße der Patientin/des Patienten) leicht lateral der Mitte des Patellaoperandes (Cave: Hautinzision leicht medial) angesetzt und nach proximal 8- 10 cm (entsprechend der Körpergröße der Patientin/des Patienten) subkutan vorgeschoben. Die Längenmessung erfolgt über die Skala am Messerhandgriff (Abb. 5).