Arzt und Recht - OUP 06/2020

Neues Problem im Umgang mit Patientenanfragen
Bekanntes Patientenrecht in neuem Gewand

Heiko Schott

Eine am 20.05.2020 verkündete und nunmehr veröffentlichte Entscheidung des Landgerichts Dresden1 überrascht in ihrer Eindeutigkeit. Auch, wenn es im jeweiligen Einzelfall jeweils eine „Kleinigkeit“ abbilden mag, sind Auswirkungen für die Praxis und Klinik in der täglichen Arbeit zu erwarten.

Hintergrund

Bekanntlich steht dem Patienten ein mit Einführung des § 630g BGB gesetzlich definiertes Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen zu.

„Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, (…). Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.“

Der Arzt und/oder das Krankenhaus haben insofern die betreffenden Unterlagen, von Ausnahmefällen abgesehen, grundsätzlich herauszugeben und können hierfür Kostenerstattung und aber auch vor Übersendung einen Kostenvorschuss verlangen (§ 811 Abs. 2 BGB). Der Kostenerstattungsrahmen ist gesetzlich nicht geregelt; in der Praxis werden Beträge in Höhe von 0,50 Euro pro Seite für die ersten 50 Seiten und ab Seite 51 dann 0,15 Euro pro Seite, für CDs und DVDs jeweils 1,50 Euro neben den gegebenenfalls entstehenden Portokosten als nicht zu beanstanden angesehen.

Das Urteil

Das Landgericht gab nunmehr einer Klage einer Patientin statt, wonach die Behandlungsunterlagen ohne Kostenerstattung herauszugeben waren.

Im vorliegenden Fall beantragte die Patientin die Herausgabe ihre Behandlungsunterlagen bei dem Krankenhaus, in dem sie zuvor stationär gelegen hatte. Das Krankenhaus verweigerte die Herausgabe unter Berufung auf das ihm zustehende Kostenvorschussrecht (vgl. oben, § 811 BGB). Die Patientin klagte und obsiegte in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht. Sie stützte die Klage nicht auf § 630 g BGB, sondern auf Artikel 15 Abs. 3 DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung), in dem es heißt: „Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.“

Eine Kostentragung ist in dieser Vorschrift gerade nicht vorgesehen. Zur Erfüllung des Auskunfts anspruchs aus Artikel 15 Abs. 3 DSGVO muss die erstmalige Herausgabe kostenlos erfolgen und auch müssen die Unterlagen – sofern gewünscht – in einem elektronischen Format übermittelt werden.

Insbesondere überrascht, dass das Landgericht den Einwand des Vorrangs der spezielleren Regelung des § 630g BGB nicht hat gelten lassen. Vielmehr vertrat das Landgericht die Ansicht, dass ein Vorrangverhältnis einer nationalen Regelung vor der Europarecht umsetzenden DSGVO nicht anzunehmen sei. Dass der Bereich des sogenannten Patientenrechtegesetzes (§§ 630 a ff. BGB) auch europarechtliche Bezüge aufweist, hat das Gericht indes nicht gewichtet.

Auch hatte das Gericht nicht darüber zu entscheiden, ob die Inhalte der beiden Normen tatsächlich nicht differieren. Inwieweit also ein Auskunftsanspruch nach DSGVO überhaupt bestehen kann, wenn Teile der zu übermittelnden Unterlagen/Behandlungsdokumentation gar keine persönlichen Daten enthalten, hat das Gericht offengelassen. In dem zu entscheidenden Fall kam es darauf nicht an, da das verklagte Krankenhaus außergerichtlich und vorprozessual eben gar keine Auskunft erteilt hatte.

Fazit

Das Landgericht Dresden sieht also eine Anspruchsgrundlage für die Einsicht und Übersendung von Behandlungsunterlagen neben dem sogenannten Patientenrechtegesetz gleichfalls in der Datenschutzgrundverordnung. Der wesentliche Unterschied liegt für den Behandler darin, dass nach DSGVO keine Kostenerstattung gegenüber dem Patienten erfolgen kann. Somit trägt die Kosten für eine Anfrage des Patienten in Form von Personal, Material und gegebenenfalls Porto der Behandler.

Der Verfasser vertritt die Ansicht, dass die beiden Anspruchsgrundlagen nicht gleichen Inhalts sein können. Schutzrichtung und Inhalt der Vorschriften der DSGVO können nur Erwägungen des Datenschutzes sein. Es wird also insoweit anzunehmen sein, dass bei einer auf die DSGVO gestützten Patientenanfrage eine strukturierte Zusammenstellung der ärztlich verarbeiteten personenbezogenen Daten als ausreichend anzusehen sein wird. Begehrt der Patient aber die Einsicht und/oder Übermittlung seiner Behandlungsunterlagen, ist nach § 630g BGB zu verfahren und Kosten sind erstattungsfähig.

Selbstverständlich müsste nun von Seiten eines Krankenhauses, bzw. einer Arztpraxis der die Unterlagen begehrende Patient im obigen Sinne befragt werden, was genau er mit der Anfrage bezwecke, um die beiden dargestellten Fälle differenzieren zu können:

Behandlungsunterlagen vollständig (mit Kostenerstattung oder

Zusammenstellung der ärztlich verarbeiteten personenbezogenen Daten (ohne Kostenerstattung).

Bei allem Interesse für diese juristischen Spitzfindigkeiten, sei selbstverständlich zugestanden, dass es zahlreiche Fälle geben mag und wird, bei denen schlicht zur Streit- und Kostenvermeidung Behandlungsunterlagen ausgehändigt werden, ohne Kosten geltend zu machen.

Allerdings erscheint es aufgrund der stetig zunehmenden Anfrage von Patienten vor dem Hintergrund der in der Masse nicht unerheblichen Kosten unbedingt angeraten, eine strukturelle Kenntnis der vorstehenden Unterscheidungen und Varianten im Alltag zu nutzen.

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Rechtsanwalt Heiko Schott

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1 Urteil LG Dresden vom 29.05.2020, Az. 6 O 76/20

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