Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023
Nicht jeder dorsale Fersenschmerz ist eine Haglundexostose
Die Tatsache, dass eine kalzifizierende Insertionstendinopathie der Achillessehne nicht nur bei Laufsportlern, sondern auch bei Personen, die keine repetitiven Dauerbelastungen der Achillessehne aufweisen, unterstreicht die vermutlich multifaktorielle Genese.
Bei chronischen Beschwerden der Achillessehne wird zunächst ein konservativer Behandlungsversuch über einen Zeitraum von 6 Monaten empfohlen, wobei in der Literatur nicht immer zwischen einzelnen Entitäten der Achillessehnentendinopathie unterschieden wird [9, 15, 16].
Im Hinblick auf eine operative Therapie ist eine klare Differenzierung der klinischen Beschwerden in Korrelation mit der bildgebenden Diagnostik essentiell, um einen Behandlungserfolg erzielen zu können. Die Differenzierung der ansatznahen von der ansatzfernen Tendinopathie fällt in der akuten Phase hierbei häufig nicht schwer, da die klinischen Befunde bei der ansatzfernen Form mit deutlicher Sehnenverdickung und lokalem Druckschmerz deutlich zu Tage treten [15]. Mitunter sind auch neben der Verdickung Krepitationen über der gleitenden Sehne tastbar [8, 14].
Die Differenzierung zwischen der retroachillären Bursitis in Verbindung mit einer Haglundexostose und der kalzifizierenden Insertionstendinopathie kann zuweilen schwierig sein. Während die Beschwerden bei der Haglundexostose eher an der dorsalen oberen medialen Kante des Fersenbeines sowie retroachillär lokalisiert sind, lässt sich bei der Ansatztendinopathie der Hauptschmerz vorwiegend über dem distalen Drittel des dorsalen Kalkaneus im Bereich der Tuberositas auslösen. Im Zweifel können Testinfiltrationen mit Lokalanästhetika eine klare Differenzierung erzielen.
Die operative Therapie der retroachillären Bursitis in Verbindung mit einer Haglundexostose wird seit einigen Jahren endoskopisch minimal-invasiv realisiert. Van Dijk beschrieb erstmalig 2001 die Technik der endoskopischen Kalkenoplastie an 20
Patienten [18]. In der retrospektiven Studie mit einem Follow up nach 3,9 Jahren, beschrieb der Autor gute bis exzellente Ergebnisse bei 19 von 20
Patienten. Bei eigenen Untersuchungen [3] erzielten wir bei einem Patientenkollektiv von 81 Patienten bei einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitpunkt von 35 Monaten ähnliche Ergebnisse. In beiden Studien wurden die im Vergleich zu offenen Verfahren bestehenden Komplikationsarmut der beschriebenen Technik beschrieben. Ferner führt die endoskopische, im Vergleich zur offenen Technik zu einer Verkürzung der Eingriffszeit bei gleichzeitig verbesserter Beurteilbarkeit der bestehenden pathologischen Veränderungen.
Im Gegensatz zur Haglundexostose ist die kalzifizierende Enthesiopathie der Achillessehne endoskopisch nicht zu therapieren, da die Kalzifikation in der Regel am distalen Ansatz der Achillessehne beginnt und sich über die Tuberositas des Fersenbeines in die distale Achillessehne erstreckt. Um einen möglichst vollständigen Überblick über die bestehende Pathologie zu erhalten, wird in der Literatur die zentrale, longitudinale Inzision der Achillessehne mit Desinsertion des Ansatzes bevorzugt. Da die das Fersenbein medial und lateral umfassenden Achillessehnenfasern [10] von der Pathologie nicht betroffen sind, ist eine Ablösung dieser Zügel nicht notwendig und zum Erhalt der Stabilität der Insertion nicht gewünscht, sodass während der Präparation insbesondere auf die Integrität dieser Zügel geachtet wird. Durch die Schonung dieser Fasern sowie der zusätzlichen transossären Reinsertion der Achillessehne mit einem Titananker, kann eine hohe primäre Stabilität erreicht werden, sodass die Nachbehandlung in der Orthese in Neutralstellung angeschlossen werden kann und somit eine spezielle Therapie zur Verhinderung einer sekundären Sehnenverkürzung entfällt.
Anderson et al. verglichen einen offenen, transachillären mit einem seitlichen, paraachillären Zugang zur Resektion einer retroachillären Bursitis bei Haglundexostose [1]. In der retrospektiven Betrachtung von 30 Patienten mit transachillärem und 32 Patienten mit lateralem Zugang zeigte sich im Follow up nach durchschnittlich 12 bzw. 15 Monaten in beiden Gruppen ein verbesserter AOFAS-Score prä- zu postoperativ, wobei die Rückkehr zur normalen Belastungsfähigkeit in der Gruppe der transachillär operierten Patienten schneller resultierte, im Durchschnitt nach 4,1 Monaten.
Johnson et al. ermittelten in einer prospektiven Analyse an 22 Patienten das funktionelle Outcome mit Hilfe des AOFAS-Scores. Die operative Resektion der Kalzifikation erfolgte über eine zentrale Längsinzision der Achillessehne mit Refixation des Sehnenansatzes mit Fadenankern [7]. Im Rahmen der Nachuntersuchung im Durchschnitt 34 Monate postoperativ verbesserten sich die Scores für Schmerz und Funktion signifikant. Probleme mit dem Schuhwerk oder störende Narbenbildung konnten die Autoren nicht beobachten. Bei einer Patientenzahl von 22 ist jedoch eine Aussage über signifikante Veränderungen vorsichtig zu bewerten. Trotzdem sind die Ergebnisse mit denen in der vorliegenden Studie vergleichbar. Obwohl die Ablösung des Achillessehnenansatzes mit sekundärer transossärer Refixation primär als deutlich invasiveren Zugang angesehen werden könnte, resultieren hieraus bei guten funktionellen Ergebnissen keine Komplikationen wie Rerupturen oder Narbenbildungen, die zu Schuhkonflikten führen.
Das Risiko der Reruptur wird in der Untersuchung von Maffulli et al. negiert [13]. Auch sie konnten bei 21 Patienten ca. 4 Jahre nach erfolgter Desinsertion des Achillessehnenansatzes und Reinsertion mit Knochenankern aufgrund einer kalzifizierenden Enthesiopathie keine einzige Reruptur der Achillessehne beobachten. Mafulli berichtet über 11 gute und exzellente Ergebnisse. Jedoch berichtet er auch über 5 von 21 Patienten, die nicht in der Lage waren, den vorherigen Aktivitätslevel wieder zu erreichen.
Auch Wagner et al. verglichen bei 74 Patienten mit einer Insertionstendinopathie postoperativ Parameter wie Schmerz, Aktivitätsniveau, Änderung des Gangbildes, Arbeits- und Sportfähigkeit [19]. Hierbei stellten sie Patienten, bei denen operativ die Achillessehne abgelöst und später refixiert wurde, Patienten gegenüber, bei denen die Achillessehne nicht abgelöst wurde. Im Vergleich konnten keine statistisch signifikanten Unterschiede in den Gruppen bezüglich der Parameter ermittelt werden. Jedoch war die Anzahl der unzufriedenen Patienten in der Gruppe mit abgelöster Achillessehne höher. Eine Begründung dafür kann jedoch auch die zu Grunde liegende Erkrankung und nicht die Operationsmethode sein. Während eine retroachilläre Bursitis sowie die Haglundexostose ohne Ablösung der Achillessehne therapiert werden kann, ist die Kalzifkation im Bereich der Insertion nicht ohne zumindest partielle Ablösung zu operieren.