Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015
Operative Differenzialtherapie der hüftgelenknahen Fraktur bei Osteoporose
Christian von Rüden1, 2, Martin Lorenz1, Thomas Klier1, Peter Augat2, Volker Bühren1
Zusammenfassung: Die Therapie hüftgelenknaher Osteoporose-assoziierter Frakturen beinhaltet primär ein interdisziplinäres geriatrisches Akuttherapiekonzept zur Behandlung der vorhandenen Komorbiditäten, ebenso die Wahl des richtigen Operationszeitpunkts, des geeigneten Implantats sowie der korrekten Operationstechnik und im Einzelfall alternativ die Überprüfung des konservativen Vorgehens. Sekundärprophylaktische Maßnahmen umfassen neben einer Abklärung der Notwendigkeit einer Osteoporosetherapie eine frühzeitig einsetzende patienten- und situationsgerechte Nachbehandlung im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen. Diese schließen eine Anleitung zur Sturzprävention unter Einbindung des sozialen Patientenumfelds ein und sind essenziell für eine nachhaltig erfolgreiche Behandlung hüftgelenknaher Osteoporose-assoziierter Frakturen.
Schlüsselwörter: Hüftgelenknahe Osteoporose-assoziierte
Fraktur, Schenkelhalsfraktur, per-/subtrochantäre Fraktur,
interdisziplinäre geriatrische Akuttherapie
Zitierweise
von Rüden C, Lorenz M, Klier T, Augat P, Bühren V. Operative Differenzialtherapie der hüftgelenknahen Fraktur bei Osteoporose.
OUP 2015; 11: 563–567 DOI 10.3238/oup.2015.0563–0567
Summary: Therapy of osteoporosis-related proximal femoral fractures primarily includes an interdisciplinary therapeutic acute care concept for elders involving treatment of comorbidities as well as choice of correct implant, correct timing, and correct technique of the surgical intervention. Alternatively, in single cases conservative treatment might be feasible. Secondary therapeutic activities involve early patient-related physical rehabilitation focused on fall prevention and osteoporosis treatment. Integration of patients´ surrounding field into this therapeutic concept is a mandatory prerequisite for successful therapy of osteoporosis-related proximal femoral fractures.
Keywords: Osteoporosis-related proximal femoral fracture,
femoral neck fracture, per-/subtrochanteric fracture, interdisciplinary therapeutic acute care concept
Citation
von Rüden C, Lorenz M, Klier T, Augat P, Bühren V. Surgical therapy for osteoporosis-related proximal femoral fractures.
OUP 2015; 11: 563–567 DOI 10.3238/oup.2015.0563–0567
Einleitung
In Europa entsteht etwa alle 30 Sekunden eine Osteoporose-assoziierte Fraktur [1]. Im Jahr 2050 werden hochgerechnet weltweit über 6 Millionen Osteoporose-assoziierte Frakturen pro Jahr erwartet [2]. Bei der operativen Therapie Osteoporose-assoziierter Frakturen ist mit einer doppelt so hohen Komplikationsrate im Vergleich zu nicht-osteoporotischen Frakturen zu rechnen, allein die Versagensrate von Implantaten wird bei den Osteoporose-assoziierten Frakturen auf 10–25 % geschätzt [3]. Es wird erwartet, dass 25–35 % der Patienten mit hüftgelenknahen Osteoporose-assoziierten Frakturen ihre Unabhängigkeit infolge der Verletzung verlieren [4], wobei bereits die Klinikletalität ca. 6 % und die 1-Jahres Mortalität bei Männern 39 % und bei Frauen 19 % beträgt [5].
Bei der Indikationsstellung zur operativen Behandlung einer Osteoporose-assoziierten Fraktur haben Komorbiditäten und insbesondere der mentale Zustand sowie der funktionelle Bedarf des älteren Patienten einen erheblich größeren Einfluss als bei jüngeren Menschen. Ein größerer Stellenwert kommt in diesem Zusammenhang der Fraktur-Endoprothetik zu, da in vielen Fällen die Funktionalität vor anatomischer Rekonstruktion geht. Zu beachten ist, dass die Gesamtkomplikationsrate nach der operativen Therapie von hüftgelenknahen Osteoporose-assoziierten Frakturen im Vergleich zu nicht-osteoporotischen Frakturen signifikant erhöht ist, ebenso wie das mechanische Implantatversagen [6]. Jedoch ist unter biomechanischen Gesichtspunkten bei osteoporotischen Knochenverhältnissen der Bruch des Knochens die Hauptursache für das strukturelle Versagen und nicht das Implantatversagen selbst [7]. Ursache dafür sind eine Verminderung des Knochenvolumens und eine Veränderung der Knochenarchitektur mit Vergrößerung des Markraums, Verringerung der Querschnittfläche sowie Ausdünnung und erhöhter Porosität der Kortikalis mit zunehmendem Alter. Die Veränderung der Kortikalis beruht darauf, dass alte Osteone steifer sind, sich die Sprödigkeit erhöht, eine Akkumulation von sog. Microcracks eintritt und sich die Zähigkeit der Kortikalis mit zunehmendem Alter verringert [8].
Besonderheiten des
geriatrischen Patienten
Grundsätzlich entscheidend für die erfolgreiche Therapie des medizinisch sehr anspruchsvollen geriatrischen Patientenguts ist daher aus unserer Sicht ein konsequenter und in der Klinik hinterlegter Behandlungsalgorithmus. Größte Sorgfalt ist schon bei der präoperativen Planung erforderlich, die eine umfassende Bildgebung und Klassifikation der Fraktur, die Anamneseerhebung mit Abklärung etwaiger die Knochenheilung beeinträchtigender Nebenerkrankungen sowie die sorgfältige Planung der Operation mit Wahl des geeigneten Implantats und der geeigneten Operationstechnik beinhaltet. Zu diesem Vorgehen gehört auch, den Knochenstatus mittels quantitativer Bildgebung (DXA, QCT) zu erheben. Präoperativ kann dies in die Frakturklassifikation mit einbezogen werden [9], und im Rahmen der Nachbehandlung ist der Knochenstatus entscheidend für die eventuelle Einleitung oder Fortsetzung einer medikamentösen Osteoporosetherapie. Auch der Zeitpunkt der operativen Maßnahme hat eine entscheidende Bedeutung für das Outcome des Patienten. So zeigten Bottle und Aylin an einem großen Patientenkollektiv mit hüftgelenknaher Fraktur, dass die Krankenhausletalität um 27 % steigt, wenn die Operation später als 24 Stunden nach Aufnahme stattfindet, wobei kein Unterschied zwischen Osteosynthese und Frakturprothese bestand [10]. Bezüglich der 3-Monats-Überlebensrate wurde festgestellt, dass jeder Tag Wartezeit auf die Operation die Letalität um 6 % erhöht [11].
Für diese Arbeit wurde im Rahmen einer retrospektiven Datenanalyse die operative Behandlung hüftgelenknaher Femurfrakturen der Jahre 2005–2013 in unserer Klinik evaluiert.
Eigene Datenlage der
letzten 10 Jahre
Unser Behandlungsalgorithmus zur Therapie der Schenkelhalsfrakturen ist in Abbildung 1 dargestellt. Ergänzend dazu erfolgt die operative Behandlung per- und subtrochantärer Femurfrakturen bei instabilen Frakturen durch einen intramedullären Kraftträger (cephalomedullärer Nagel, ggf. mit auxiliärer Cerclage oder Platte) und bei stabilen Frakturen durch die 4-Loch-DHS (Dynamische Hüftschraube) mit Antirotationsschraube. Die Duokopfprothesenimplantation mit zementiertem Schaft bleibt Einzelfällen wie etwa Revisionen vorbehalten.