Übersichtsarbeiten - OUP 09/2014

Operative Therapie an der rheumatischen Hand

M. Henniger1, S. Rehart2

Zusammenfassung: Die Hand- und Fingergelenke sowie Sehnen der Hand sind fast regelhaft im Verlauf einer Rheumatoiden Arthritis betroffen. Trotz der in den letzten Jahren verbesserten medikamentösen Therapiemöglichkeiten sind häufig Operationen notwendig, um Schmerzen zu lindern und Fehlstellungen und Funktionseinschränkungen zu korrigieren oder zumindest aufzuhalten und so den Patienten möglichst ihre Eigenständigkeit zu bewahren.

An der rheumatischen Hand kommt es im Verlauf der Erkrankung zu typischen pathoanatomischen Veränderungen. Je nach Gelenk und Stadium der Gelenkdestruktion kommen verschiedene Operationsverfahren zum Einsatz. Bei fehlender oder beginnender Gelenkdestruktion sind vor allem Weichteileingriffe indiziert, bei fortgeschrittener Gelenkdestruktion Endoprothesen und Arthrodesen.

Schlüsselwörter: Rheumatische Hand, Endoprothese, Arthrodese, Weichteileingriffe

Zitierweise
Henniger M, Rehart S. Operative Therapie an der rheumatischen Hand.
OUP 2014; 9: 401–406 DOI 10.3238/oup.2014.0401–0406

Abstract: Hand and finger joints and tendons of the hand are regularly affected in the course of rheumatoid arthritis. Despite improved drug therapy options surgeries are often necessary to relieve pain and correct deformities and functional limitations in order to maintain patients their autonomy.

In the course of the disease typical patho-anatomic changes occur at the rheumatic hand. Depending on joint and stage of joint destruction different surgical methods are used. In missing or incipient joint destruction mainly soft tissue procedures are indicated, for advanced joint destruction arthroplasties and arthrodeses.

Keywords: rheumatic hand, arthroplasty, arthrodesis, soft tissue surgery

Zitierweise
Henniger M, Rehart S. Surgical treatment of the rheumatic hand. OUP 2014; 9: 401–406 DOI 10.3238/oup.2014.0401–0406

Einleitung

Die Rheumatoide Arthritis (RA) befällt fast regelhaft die Gelenke und Sehnen der Hand, in vielen Fällen beginnt die Erkrankung an den Hand- und kleinen Fingergelenken. Am häufigsten betroffen ist das Handgelenk. Dies hat aufgrund seiner pathophysiologisch zentralen Stellung unmittelbaren Einfluss auf die Stellung und Funktion der Fingergelenke.

Unbehandelt treten an den Gelenken und Weichteilen je nach Schwere der Erkrankung mehr oder minder ausgeprägte Deformierungen und Funktionsdefizite auf. Durch Etablierung moderner Basistherapeutika und Biologika wurden in den letzten Jahren zwar deutliche Verbesserungen bei der medikamentösen Therapie der RA erzielt, dennoch nimmt die Zahl der operativen Eingriffe kaum ab. Es ist zwar insgesamt festzustellen, dass in den letzten Jahren die Zahl der gelenkerhaltenden prophylaktischen Eingriffe wie Synovektomien und Tenosynovektomien abnimmt, jedoch werden mehr rekonstruktive Eingriffe wie Arthroplastiken und Arthrodesen durchgeführt. Gründe hierfür könnten höhere Ansprüche der Patienten bzw. höhere Nachfrage nach Operationen sein, da die Erkrankung durch die besseren Medikamente milder verläuft. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass die größten strukturellen Gelenkschäden in den ersten 2 Jahren der Erkrankung auftreten und nicht reversibel sind. Wenn also viel Zeit bis zur Diagnose und Therapieeinleitung vergeht oder bei schlechtem Ansprechen der Medikamente, besteht später häufiger Operationsbedarf.

Die Indikation zur Operation ist zu prüfen, wenn trotz angepasster medikamentöser Therapie einschließlich lokaler Cortisoninfiltrationen und begleitenden geeigneten konservativen Therapiemaßnahmen (z.B. Schienen, Physiotherapie, Ergotherapie, physikalische Maßnahmen) Synovialitiden persistieren, Gelenke schmerzhaft destruiert sowie Fehlstellungen und Funktionseinschränkungen aufgetreten sind. Frühzeitige operative Eingriffe können die Progredienz oftmals aufhalten. Eine dringliche OP-Indikation an der Hand besteht bei Nervenkompressionssyndromen und stattgehabten oder drohenden Sehnenrupturen, andere notwendige Operationen können elektiv geplant werden.

Ziele der operativen Therapie an der Hand sind Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung, Verhinderung von Folgeschäden und auch eine Verbesserung der Handkosmetik (keine alleinige OP-Indikation!). Die Wahl des Operationsverfahrens erfolgt je nach Gelenk stadienadaptiert. Bei Operationsbedarf an mehreren Gelenken der Hand gilt die Regel „proximal vor distal“, d.h. die Stabilisierung des Handgelenks sollte vor der Versorgung von Fingergelenken erfolgen, da die Fingerfunktion von der schmerzfreien Funktion, Stabilität und Stellung des Handgelenks abhängt. Teilweise können Eingriffe an der gleichen Hand auch kombiniert werden.

Im folgenden Artikel sollen einige rheumaorthopädische „Standardeingriffe“ an der rheumatischen Hand vorgestellt werden.

Pathoanatomie der
rheumatischen Hand

Die typischen Deformitäten an der rheumatischen Hand entstehen durch Lockerung der kapsuloligamentären Strukturen und zunehmender Destruktion des Gelenkknorpels und des Knochens.

Am häufigsten betroffen ist anfangs das distale Radioulnargelenk. Hier kommt es zur progredienten Pseudodorsalluxation des Ulnaköpfchens (sog. Caput-ulnae-Syndrom) mit Einschränkung der Unterarmdrehbewegung. Im weiteren Verlauf driftet der Karpus entlang der nach palmar und ulnar geneigten Gelenkfläche des Radius immer mehr nach palmar-ulnar. Verstärkt wird diese Fehlstellung durch den Verlust der antisupinatorischen Wirkung des M. extensor carpi ulnaris und des zunehmenden Zugs des M. extensor carpi radialis longus, der das Handgelenk in radialer Inklination fixiert. Die Destruktion der skapholunären und interkarpalen Bänder führen zu skapholunärer Dissoziation und weiterem Verschieben des Karpus nach ulnar.

Diese Achsabweichung hat entscheidende Bedeutung in der Pathogenese der Ulnardeviation der Langfinger und deren Funktionsfähigkeit. Verstärkt durch die synovialitische Schwellung der MCP-Gelenke, luxieren die Strecksehnen nach ulnar, selten (bei der juvenilen idiopathischen Arthritis) auch nach radial. In späteren Stadien kommt eine palmare Subluxation der MCP-Gelenke hinzu.

Weitere typische Fehlstellungen der Langfinger sind die Schwanenhals- und die Knopflochdeformität. Bei der Schwanenhalsdeformität kommt es durch die Synovialitis der MCP-Gelenke zur Ruptur der palmaren Platte, Zerstörung des Halteapparats der Beugesehnen, Insuffizienz der Landsmeer-Ligamente bzw. Kontraktur der queren Faserzüge zur palmaren Subluxation der Grundphalanx gegenüber dem Metakarpale. Folgen sind eine Hyperextensionsstellung des PIP-Gelenks und Flexionsstellung des DIP-Gelenks.

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