Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020

Operative Therapie von Patella-Frakturen

Nur wenig dislozierte Frakturen eignen sich für eine perkutane Versorgung, in den meisten Fällen muss eine offene Reposition gewählt werden. Die klassischen Zugänge zur Patella sind die quere, über der Patella verlaufende Inzision und der parapetallare laterale Zugang [21, 32]. In den letzten Jahren wurde aber auch vermehrt der paramediane/mediane Zugangsweg analog zum Zugang für die endoprothetische Versorgung des Kniegelenkes favorisiert [25]. Hier zeigte sich keine Zunahme an Wundheilungsstörungen. Die mediale parapatellare Arthrotomie sollte zum Schutz des R. infrapatellaris des N. saphenus vermieden werden [11].

Die intraoperative Repositionskontrolle erfolgt fluoroskopisch, per Palpation oder auch arthroskopisch.

Osteosyntheseformen

Unabhängig des gewählten Osteosyntheseverfahrens sollte nach Möglichkeit eine frühfunktionelle Nachbehandlung angestrebt werden.

Die klassische Zuggurtung ist nach wie vor die bevorzugte Osteosyntheseform bei Frakturen der Patella. Vor allem bei dislozierten Frakturen ist sie die akzeptierteste und verbreitetste Technik, da sie bei nahezu allen Frakturformen angewandt werden kann [7, 9, 10].

Die Idee hinter der Zuggurtung ist, dass die Zugkräfte, die von Quadrizepssehne und Patellarsehne auf die Patella wirken, in Druck- bzw. Kompressionskräfte umgewandelt werden. Biomechanisch konnte dies jedoch für die Zuggurtung an der Patella bisher nicht nachgewiesen werden [35]. Darüber hinaus ist die Zuggurtung eine technisch sehr anspruchsvolle Osteosyntheseform, die eine relativ hohe Komplikationsrate aufweist (vgl. Resultate/Komplikationen). Entscheidend für die korrekte Durchführung sind zwei streng parallel verlaufende Kirschnerdrähte mit einer möglichst nah an der Patella verlaufenden Zuggurtung, wobei unbedingt darauf zu achten ist, dass die Drahtenden gekürzt und umgebogen werden, um Weichteilirritationen zu verhindern [17].

Geflochtener Draht ist biomechanisch stabiler als herkömmlicher Kirschnerdraht, es besteht ein geringerer Spannungsverlust, da der geflochtene Draht nicht abknicken kann. Die erhöhte Flexibilität erleichtert die Handhabung.

Bei komplexen Frakturen kann als Stabilisierung eine Äquatorialcerclage oder Tonnencerclage zusätzlich um die gesamte Patella geführt werden. Zur Neutralisation der Zugkräfte und zum Schutz vor einem Ausriss des caudalen Pols wird oftmals zusätzlich eine McLaughlin Schlinge proximal der Patella und transossär im Bereich der Tuberositas tibiae verankert [19].

In den letzten Jahren wurden vielfach Alternativen zur klassischen Zuggurtung entwickelt, die sich zum Teil auch für bestimmte Indikationen durchsetzen konnten. Zur Verminderung der Weichteilirritationen gibt es beispielsweise Kunststoffbänder aus Polyester, die biomechanisch der Stabilität der Drahtosteosynthese ähneln [20]. Modernere Fadenmaterialien mit einem mehrsträngigem, langkettigen Kern aus Polyethylen zeigen als Zuggurtung sogar eine höhere Versagenslast als die konventionelle Drahtcerclage [33].

Bei einfachen Querfrakturen und Polabrissen konnte sich die kanülierte Schraubenosteosynthese durchsetzen. Voraussetzung ist hierbei eine gute Knochensubstanz, so dass die Schrauben Halt finden können [4]. Mittels Kirschnerdraht oder neuerdings Kunststoffbändern kann durch die Schrauben eine Zuggurtung erfolgen, die eine höhere Stabilität als die klassische Kirschnerdraht Zuggurtung aufweist [3].

Initial zur Versorgung mehrfragmentärer- und Trümmerfrakturen entwickelt [29], stellt die winkelstabile Plattenosteosynthese aktuell das modernste Osteosyntheseverfahren bei Patellafrakturen dar [5]. In biomechanischen Studien konnte eine hohe mechanische Stabilität der Plattenosteosynthese gezeigt werden, die der Zuggurtung signifikant überlegen war [34]. Die 2. Generation der winkelstabilen Platten setzt auf kleinere Schraubendurchmesser und ist in einer Krallenplatten-Version verfügbar, um Ausrisse des caudalen Pols besser zu adressieren. Darüber hinaus bietet sie die Option, die Kralle mit einer Schraubenosteosynthese zu verbinden. Die Vorteile der winkelstabilen Plattenosteosynthese liegen darin, dass sie monokortikal fixiert werden kann. In den wenigen bisher veröffentlichten Studien zeigen sich zufriedenstellende mittelfristige Ergebnisse. Laut Moore musste bei keinem Patienten die Platte entfernt werden [23]. Dies widerspricht allerdings unseren Erfahrungen, wonach doch einige, vornehmlich jüngere Patienten, die Platte gut 1 Jahr postoperativ entfernt haben wollten. Dies ist jedoch problemlos möglich.

Eigene, noch nicht veröffentlichte Ergebnisse zeigen, dass die Plattenosteosynthese deutschlandweit trotz der offensichtlichen Vorteile noch nicht flächendeckend etabliert ist und sich nicht gegen die klassische Zuggurtung durchsetzen konnte. Hintergrund hierfür mag auch in den höheren Materialkosten und den fehlenden Langzeitergebnissen liegen.

Der Vollständigkeit halber sei der XS-Nagel (sog. Friedl Nagel) erwähnt, der über eine zentrale Lage zu einer gleichmäßigen Kompression der gesamten Frakturfläche führen kann [6]. Dieses Implantat konnte sich bisher jedoch nicht durchsetzen.

Bei Versagen der Osteosynthese oder ausgeprägter Defektverletzung kann eine Teilpatellektomie oder Patellektomie als Rettungsanker notwendig werden. Die funktionellen Ergebnisse sind nicht zufriedenstellend und somit stellen diese Verfahren keine wirkliche Alternative zur Rekonstruktion dar [15].

Osteochondrale Frakturen sollten nach Möglichkeit zeitnah versorgt werden. In vielen Fällen gelingt dann die Refixation des Fragmentes z.B. mittels Fibrin Nagel. Dies ist aber stark von der Morphologie des Fragmentes und Fragmentanzahl sowie -größe abhängig. Sollte eine Refixation nicht möglich sein, verbleibt die Möglichkeit der Einsendung des Fragmentes zur Anzüchtung und 2-zeitigen Implantation analog zu einer autologen Chondrozyten Transplantation (ACT).

Nachbehandlung

Auch wenn eine Ruhigstellung des Kniegelenkes die Fraktur sicherer und schneller verheilen lässt, führt gerade diese zu einer persistierenden Bewegungseinschränkung mit deutlichen Funktionsdefiziten [27]. Eine stufenweise, frühfunktionelle Behandlung ist somit anzustreben. Eine Teilbelastung ist nicht zwingend erforderlich, die schmerzadaptierte Vollbelastung, zu Beginn in einer Knieruhigstellungsschiene, im Regelfall gut möglich. Eine Gelenkmobilisation nach Stufenschema, z.B. 2 Wochen Knieruhigstellungsschiene, 2 Wochen Extension/Flexion 0/0/60°, 2 Wochen Extension/Flexion 0/0/90° ist üblich.

Resultate/Komplikationen

Im weitaus größten Teil der Fälle kommt es zu einer vollständigen knöchernen Konsolidierung der Fraktur. Aber auch verhältnismäßig einfache Frakturen können posttraumatisch zu einer Retropatellararthrose führen [28]. Die Literatur zeigt lediglich in 65 % exzellente Ergebnisse der Therapie nach Patellafraktur [13, 16]. Die Beschwerden der Patienten sind in ca. 80 % ein vorderer Knieschmerz, der zu mehr oder weniger starken Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten führt [13]. Die Lebensqualität wird 6,5 Jahre nach dem Trauma in vielen Fällen als stark eingeschränkt seitens der Patienten eingestuft [14].

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