Editorial - OUP 05/2015

Orthopädisch/unfallchirurgische Kernkompetenz in der Arthrosetherapie

Obwohl die Arthrose seit mehr als 5000 Jahren bekannt ist, ist es bisher nicht gelungen, sie kausal zu behandeln oder nachhaltige Konzepte zur Prävention bzw. Konzepte zur Verlangsamung der Arthroseprogression zu entwickeln, wie sie für andere chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel KHK oder Diabetes, längst existieren.

Für Diagnostik und Therapie der Arthrose haben wir als Orthopäden und Unfallchirurgen natürlich die Kernkompetenz, und wir sollten die erste Anlaufstation für den Patienten darstellen. Unglücklicherweise sind wir als Orthopäden und Unfallchirurgen nur bei weniger als der Hälfte der Arthrosepatienten, die einen Rat suchen, die primäre Anlaufstation. Hier gilt es Sorge zu tragen, dass sich andere Berufsgruppen, wie beispielsweise bei der Schmerztherapie oder dem Säuglingsultraschall, aus der Sichtweise der Patienten nicht kompetenter darstellen.

Wir als Orthopäden und Unfallchirurgen sollten den
Arthrosepatienten das Gefühl vermitteln, ihnen in jedem Arthrosestadium einen individualisierten Behandlungspfad zuzuführen, der neben der orthopädischen/ unfallchirurgischen Therapie auch die Kooperation mit dem Praxis-/Klinikteam, Physiotherapeuten, Orthopädietechnikern und Ernährungsmedizinern beinhaltet. Hierbei gilt es

  • a) durch ein evidenzbasiertes interdisziplinäres konservatives Arthrosemanagement die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die Progression der Arthrose zu verlangsamen oder
  • b) bei gegebener Indikation die Patienten rasch der richtigen operativen Therapie zuzuführen, um einen unnötigen Zeitverlust und einer schmerzbedingten Immobilisation mit resultierender Muskelatrophie bzw. weiterem Funktionsverlust der Gelenke entgegen zu treten.

In den letzten drei Jahren haben die drei großen Fachgesellschaften ACR, AAOS und OARSI aber auch die britische NICE (National Institute for Health and Care Excellence) Therapieempfehlungen zur nicht-operativen Behandlung der Arthrose publiziert. In allen Empfehlungen findet sich eine Basistherapie bestehend aus Patientenschulung, Förderung der körperlichen Aktivität, Gewichtsmanagement und Krafttraining. Die Patientenschulung stellt die Basis eines Arthrosemanagements dar. Übergewicht als mechanische Belastung und Fettgewebe als metabolische Komponente (endogene Entzündung) sind bei der Progression der Arthrose relevant. Die körperliche Aktivität (Sportherapie) rundet die Basistherapie ab.

In allen Leitlinien wird die Notwendigkeit einer umfassenden Aufklärung des Patienten über sein Krankheitsbild im
Rahmen einer „Arthrose-Information“ als unablässig hervorgehoben. Dem Arthrosepatienten muss klar das Wesen der Erkrankung als irreversibler und oft auch progredient verlaufender Prozess erläutert werden. Dabei ist herauszustellen, dass es für den individuellen Patienten keine universelle Therapie gibt. Jede therapeutische Möglichkeit ist auf die individuellen Gegebenheiten beim Patienten abzustimmen. Übertriebene Erwartungen hinsichtlich des Therapieerfolges sind von Anfang an zu relativieren. Zudem muss der Patient auf mögliche Anpassungen der Therapie im Verlauf hingewiesen werden.

Bei Betrachtung der Versorgungsrealität in Deutschland finden sich hier bezüglich der Endoprothesenoperationen interessante Aspekte. Der Versorgungsatlas der Bundesrepublik Deutschland, der von der DGOU gemeinsam mit der AOK erhoben wurde, zeigt, dass eine negative Korrelation zwischen der Anzahl von niedergelassenen Orthopäden und endoprothetischen Operationen besteht. Dies bedeutet, dass in den Landkreisen, in denen viele niedergelassene Orthopäden tätig sind, weniger Endoprothesen operiert werden. Dies belegt, dass es bei entsprechender fachorthopädischer Kompetenz durchaus gelingt, den Patienten
adäquat konservativ zu führen und Operationen, wo nicht erforderlich, zu vermeiden. Diese Daten werden in der öffentlichen Meinung, den Medien und der Politik zu wenig wahr genommen.

Wir müssen unseren Patienten wieder deutlich machen, dass die Disziplin Orthopädie & Unfallchirurgie der erste Ansprechpartner für Gelenkprobleme darstellt. Wir besitzen die Kernkompetenz, um eine individuelle Beratung und Behandlung durchzuführen und diese bei Bedarf unter Hinzuziehung weiterer Disziplinen (z.B. Physio-, Sporttherapeut, Ernährungsmediziner, Orthopädietechniker) in einen auf den Patienten abgestimmten Behandlungsplan umzusetzen.

Wir als Herausgeber der OUP freuen uns, Ihnen mit dem vorliegenden Heft viele Aspekte des konservativen und operativen Arthrosemanagements unter Berücksichtigung der aktuellen Leit- und Richtlinien vorstellen zu können. Schon jetzt darf ich auch auf das Themenheft zum Kniegelenk (Heftverantwortlicher PD Dr. Erhan Basad) hinweisen, welches weitere interessante Aspekte in diesem Zusammenhang aufgreifen wird.

Mit herzlichen kollegialen Grüßen

Ihr Jörg Jerosch

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