Originalarbeiten - OUP 03/2012
Osteoporose – Diagnostik und Therapie gemäß der Leitlinie des DVOTreatment of osteoporosis in accordance with the guideline
of the DVO
of the DVO
K. M. Peters1, M. Bode1
Zusammenfassung: In den letzten 10 Jahren wurden auf dem Gebiet der Osteoporoseforschung zahlreiche Fortschritte erzielt. Neue Erkenntnisse zur Diagnostik und Behandlung liegen vor. Die Leitlinien des DVO zur Osteoporoseprophylaxe- und Osteoporosetherapie werden regelmäßig überarbeitet und berücksichtigen die aktuelle Forschung. Sie sind somit ein wertvolles Instrument für den Behandler. Die Indikation zur Diagnostik wird bei einem 10-Jahresrisiko für Frakturen von 20%, die Indikation zur Einleitung einer spezifischen Osteoporosetherapie bei einem Frakturrisiko von 30% gesehen. Die ermittelten Risikofaktoren werden in Abhängigkeit von Lebensalter und Geschlecht dargestellt. In der aktuellen Leitlinie von 2009 werden evidenzbasierte Empfehlungen zur Prophylaxe, Diagnostik, Basistherapie, spezifischen Therapie und Verlaufskontrolle der primären und sekundären Osteoporose des Erwachsenen gegeben [1].
Schlüsselwörter: Osteoporose, Leitlinie, DVO
Abstract: There were many advances in research of osteoporosis in the last 10 years. There is new knowledge in diagnosis and treatment. The guidelines of the DVO for the prevention and treatment of osteoporosis are periodically revided and consider topical research. So they are a helpful clinical tool. The indication for diagnostic is given at a 10-year-risc of fracture from 20%, the indication for a specific treatment at a 10-year-risc from 30%. The determined factors of risc are described in dependence on age and gender. The Guideline of 2009 gives evidence based recommendations for prevention, diagnosis, basic therapy and specific therapy of primary and secondary osteoporosis of adults [1].
Keywords: osteoprosis, guideline, DVO
Einleitung
Dass Osteoporose eine häufige, die Lebensqualität erheblich beeinträchtigende Erkrankung ist, gelangt zunehmend in das Bewusstsein von Fachleuten und Betroffenen. Bei steigender Lebenserwartung ist in Zukunft mit einem Anstieg der Osteoporoseerkrankten zu rechnen.
Das Risiko einer 50-jährigen Frau, mindestens eine osteoporotisch bedingte Fraktur in ihrem Leben zu erleiden, liegt bei 46%, das eines 50-jährigen Mannes bei 22% [2]. Insbesondere hüftnahe Frakturen und Wirbelbrüche führen zu gravierenden Einschränkungen und bis zu 20% der Betroffenen überleben das erste Jahr nach dem Frakturereignis nicht [3].
Dennoch ist auch 2012 die Osteoporose trotz ihrer Häufigkeit eine unterdiagnostizierte und untertherapierte Erkrankung.
Um die Qualität der Diagnostik und Versorgung der Osteoporosepatienten zu verbessern, wurden in mehreren europäischen Ländern in den letzten Jahren Leitlinien entwickelt. Der Dachverband der deutschsprachigen Osteologischen Gesellschaften hat erstmals 2003 eine S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose publiziert. Hierzu wurden die vorhandenen Studien zur Osteoporose von einer interdisziplinären Expertengruppe nach international anerkannten Kriterien (Oxfordkriterien, SIGN-Kriterien, Pedro-Skala) analysiert und Empfehlungen erarbeitet. 2006 und 2009 wurde die Leitlinie aktualisiert.
Aufbau der DVO-Leitlinie 2009 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Erwachsenen
Die Leitlinie des DVO beinhaltet Empfehlungen zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der primären Osteoporose des Erwachsenen sowie der wichtigsten sekundären Osteoporosen (insbesondere der glucocorticoidinduzierten Osteoporose). Ziel der Leitlinie ist es, den Ärzten ein evidenzbasiertes, in der Praxis gut einzusetzendes Tool zur Diagnostik und Behandlung eines Großteils der Osteoporosepatienten an die Hand zu geben und somit die Versorgung zu optimieren. Unter- und Fehlversorgung sollten vermieden und auch die Wirtschaftlichkeit bei der Osteoporosebehandlung sollte berücksichtigt werden.
Zur Osteoporose von Kindern und Jugendlichen sowie bei höhergradiger Niereninsuffizienz werden keine Angaben gemacht, sondern es wird auf die entsprechenden Fachgesellschaften verwiesen.
Die DVO-Leitlinie 2009 besteht aus einer Langversion [1] und zusätzlichen Erläuterungen. Außerdem gilt die Langfassung der Leitlinie 2006 weiterhin bei allen unveränderten Punkten. Für den Praxisalltag wurde eine 4-seitige Kurzversion erstellt. Es werden Empfehlungen für die generelle Osteoporose- und Frakturprophylaxe, die Indikation zur Basisdiagnostik, die Durchführung der Basisdiagnostik, die Therapie der Osteoporose und die Verlaufskontrolle gegeben.
Definitionen
Folgende Definition ist Grundlage der Leitlinie: “Osteoporosis is a systemic skeletal disease characterized by diminished bone mass and deterioration of bone microarchitecture, leading to increased fragility and subsequent increased fracture risk” [4].
Von einer manifesten Osteoporose spricht man dann, wenn bereits osteoporosebedingte Knochenbrüche aufgetreten sind.
Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Osteoporosen. Als sekundär wird eine Osteoporose dann bezeichnet, wenn sie dominant und kausal mit bestimmten Erkrankungen oder Konditionen verknüpft ist. Die Grenzen zwischen Risikofaktor und sekundärer Osteoporose können hierbei fließend sein.
Basisdiagnostik
Ermittlung der Risikofaktoren
Grundlage für die Durchführung einer Diagnostik der Osteoporose ist das Risiko, in den nächsten 10 Jahren eine (morphometrische) Wirbelfraktur und/oder eine proximale Femurfraktur zu erleiden. Die Indikation zur Basisdiagnostik besteht ab einem 10-Jahres-risiko über 20%. Die Risikofaktoren betreffen allgemeine Faktoren sowie Risiken durch Grunderkrankungen, jedes dieser Risiken erhöht das Frakturrisiko um mindestens 50%. Ab einem Alter von 70 Jahren bei Frauen und 80 Jahren bei Männern liegt das Risiko generell über 20% und eine Osteoporosediagnostik ist somit indiziert. Mit jeder Dekade verdoppelt sich das Frakturrisiko [1].
Folgende anamnestische und klinische Risikofaktoren werden in der Leitlinie berücksichtigt (Tab. 1)
Weitere in der Leitlinie erwähnte Parameter, die jedoch wegen unzureichender Datenlage nicht bei der Ermittlung der Indikation zur Basisdiagnostik berücksichtigt werden:
· erhöhtes hochsensitives CRP (hsCRP) (5)
· erhöhter Homozysteinspiegel
· erniedrigter Folsäurespiegel
· erniedrigter Vitamin B12-Spiegel
Basisdiagnostik
Die Indikation zur Basisdiagnostik wird in der Regel mit Hilfe der vorangegangenen Risikotabelle gestellt. In Abhängigkeit von Anamnese und Befund kann jedoch auch abweichend von dieser Tabelle im Einzelfall die Einleitung einer Basisdiagnostik sinnvoll sein.
Anamnese
Schmerzen des Bewegungsapparates
Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates
Frakturen
Stürze
Erfassung der Risikofaktoren aus Tabelle 1
Klinischer Befund
Ganzkörperuntersuchung
Untersuchung des Bewegungsapparates
Messung von Körpergröße und erfragen der maximalen Körpergröße.
Eine Größenabnahme von mehr als 3 cm ist bei postmenopausalen Frauen nach einer Studie von Gunnes [12] mit einem fünffach erhöhten Risiko für Wirbelkörperfrakturen verbunden.
Ermittlung des Gewichts
Koordinationstests
Zur Beurteilung der koordinativen Fähigkeiten werden in den Leitlinien 2009 neben dem Timed up and go-Test der Chair rising-Test sowie der Tandemstand empfohlen.
Evtl. geriatrisches erweitertes Assessment
Labor
Calcium
Anorganisches Phosphat
Blutbild
BSG/CRP
Eiweißelektrophorese
Kreatinin-Clearance (z.B. nach Cockroft-Gault)
Alkalische Phosphatase
Gamma-GT
TSH
Testosteron bei Männern (fakultativ)
25-OH-Vitamin D-3 im Einzelfall
Knochendichtemessung
Standardverfahren zentrale DXA
Messung am proximalen Femur und L1 bis L4
an der LWS müssen mindestens 2 Wirbelkörper verwertbar sein
am proximalen Femur werden Gesamtfemur und Schenkelhals gemessen, bei Messung beider Seiten ist der Mittelwert zu bilden.
für die Auswertung wird der niedrigste Wert verwendet
Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule
Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule werden in den Leitlinien des DVO nur bei Verdacht auf Wirbelfrakturen empfohlen.
Hierzu zählen neben Schmerzen in der Wirbelsäule auch Größenverluste von mehreren Zentimetern, ein geringer Rippen-Becken-Abstand und periphere Vorfrakturen.
Folgende Kriterien, die eine frische Wirbelfraktur vermuten lassen, wurden in einem Expertengespräch der OSTAK zur akuten Wirbelkörperfraktur definiert [7]:
1. neu aufgetretene Rückenschmerzen nach inadäquater Belastung
2. relevanter Schmerz (VAS 4/10) oder Verstärkung vorbestehender Schmerzen (VAS um mindestens 3/10 verstärkt)
3. lokaler Klopfschmerz auf dem Dornfortsatz
4. Bewegungsschmerz, insbesondere beim Aufrichten aus dem Liegen
5. Schmerzpersistenz über eine Woche
Bei 4 von 5 dieser Kriterien wird eine Bildgebung empfohlen.
Weitere Diagnostik
Knochenbiopsie bei unklaren Verläufen
MRT, CT, Szintigraphie in Einzelfällen zur Differentialdiagnostik
Prävention und Therapie der Osteoporose
Zur Primärprophylaxe der Osteoporose und der Fraktur gibt die Leitlinie generelle Empfehlungen in drei Bereichen:
1. Muskelkraft, Koordination und Stürze
2. Ernährung, Lebensstil
3. Medikamentenrevision
Diese Empfehlungen gelten auch zur Sekundär- und Tertiärprophylaxe.
Eine spezifische Osteoporosetherapie muss in jedem Fall von diesen Basismaßnahmen begleitet werden.
Grundlage für die Durchführung einer spezifischen Therapie der Osteoporose ist das Risiko, in den nächsten 10 Jahren eine (morphometrische) Wirbelfraktur und/oder eine proximale Femurfraktur zu erleiden. Die Indikation zur spezifischen Therapie besteht ab einem 10-Jahresrisiko über 30% bei gleichzeitig erniedrigter Knochendichte.
Generelle Osteoporose- und Frakturprophylaxe und Basistherapie
Neben der medikamentösen Therapie zur Osteoporosebehandlung gibt die Leitlinie des DVO evidenzbasierte Empfehlungen für allgemeine Maßnahmen, deren Wirksamkeit in Primär-, Sekundär- und Tertiärprophylaxe nachgewiesen wurden. Da eine Wirksamkeit für diese allgemeinen Maßnahmen nur für die Dauer ihrer Durchführung nachgewiesen wurde, ist es erforderlich, dass Osteoporoseerkrankte und –gefährdete über sinnvolle prophylaktische Maßnahmen informiert werden und zu regelmäßiger Durchführung angehalten werden. Ein positiver Effekt von Schulungen auf die Compliance bezüglich der Osteoporoseprophylaxe wurde nachgewiesen.
Förderung von Muskelkraft und Koordination
Die Leitlinie des DVO empfiehlt regelmäßige körperliche Aktivität zum Erhalt von Muskelmasse und Muskelaufbau. Immobilität mit dem daraus resultierenden Verlust an Knochenmasse sollte unbedingt vermieden werden. Der DVO verweist hierbei auch auf die Leitlinie Physiotherapie und Bewegungstherapie bei Osteoporose von 2008 [8]. Als besonders geeignet zur Muskelkräftigung werden Bewegungen mit hoher Krafteinleitung angesehen (z.B. Treppensteigen). Zur Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten sind z.B. Tai Chi-Programme nachweislich wirksam [10]
Ernährung, Lebensstil
In den Leitlinien werden als knochenrelevante Ernährungsfaktoren Calcium, Vitamin D, Vitamin B12, Folsäure und Untergewicht beschrieben. Hoher Alkoholkonsum und Nikotin wurden als Risikofaktoren identifiziert und sollten daher vermieden werden.
In früheren Empfehlungen wurde ein täglicher Calciumkonsum von 1200 bis 1500 mg Calcium genannt. Die aktuellen Leitlinien empfehlen nur noch 1000 mg Calcium pro Tag. Eine Calciumzufuhr von mehr als 1500 mg (einschließlich Nahrung) sollte vermieden werden. Grund für diese Änderung der Dosierungsempfehlung sind Hinweise für ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen bei höherer Calciumzufuhr [11]. Eine Substitution von Calcium sollte daher nur bei einer Unterversorgung erfolgen. Bei der Substitution wird in der Regel Calciumcarbonat verwendet, jedoch ist bei Einnahme von Protonenpumpenhemmern oder nach Magenoperationen Calciumzitrat wegen einer besseren Bioverfügbarkeit zu bevorzugen.
Vitamin D ist sowohl für die Calciumresorption aus dem Darm als auch für den Einbau im Knochen erforderlich. Außerdem wirkt sich ein ausreichender Vitamin D-Spiegel positiv auf die Muskelfunktion aus. Zur Prophylaxe wird daher ein mindestens 30-minütiger täglicher Aufenthalt im Freien zur Produktion von Vitamin D empfohlen. Jedoch gibt es zahlreiche Personengruppen, bei denen dies im Alltag nicht umsetzbar (Schichtarbeiter, Altersheimbewohner, Gehbehinderte) oder nicht ausreichend ist, da ein erhöhter Vitamin D-Bedarf besteht (Schwangere, Menschen mit dunkler Hautpigmentierung). Zu berücksichtigen sind außerdem veränderte Lebensgewohnheiten wie die regelmäßige Nutzung von Hautpflegeprodukten mit Sonnenschutzfaktoren, da ab einem Lichtschutzfaktor von 8 keine Vitamin D-Produktion über die Haut erfolgt. Die Leitlinie von 2009 empfiehlt gegebenenfalls die Substitution von 800 bis 2000 IE Vitamin D pro Tag. Diese Dosierungsempfehlung wird durch aktuelle Daten gestützt [12].
Da sich Hinweise für eine erhöhte Rate an hüftgelenksnahen Frakturen bei erhöhtem Homozysteinspiegel ergaben, wird eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B 12 und Folsäure empfohlen, da hierdurch der Homozysteinspiegel gesenkt werden kann [13]. Niedrige Vitamin B 6- und Vitamin B 12-Konzentrationen sind außerdem moderate Risikofaktoren für eine proximale Femurfraktur, unabhängig vom Homozystein [14]. Da bisher erst wenige Studien dazu vorliegen, gibt es bislang keine Empfehlung zur Supplementierung sondern lediglich eine allgemeine Empfehlung zur ausreichenden Versorgung mit Vitamin B12 und Folsäure mit der Nahrung.
Untergewicht (BMI < 20 kg/m²) führt zu Verlust von Muskelmasse und ist ein starker Risikofaktor für osteoporotische Frakturen, es sollte abgeklärt und versucht werden, den BMI anzuheben.
Sturzvermeidung
Stürze haben multifaktorielle Ursachen. Hierzu gehören mangelnde koordinative Fähigkeiten, fehlende Muskelkraft, unzureichende Vitamin D-Versorgung ebenso wie sturzbegünstigende Medikamente und psychische Faktoren (Sturzangst). Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr eines Sturzes und damit auch die Gefahr einer Fraktur.
Ab einem Alter von 70 Jahren wird daher eine jährliche Sturzanamnese in der DVO-Leitlinie empfohlen. In der Leitlinie Physiotherapie und Bewegungstherapie bei Osteoporose wird die Wirksamkeit gezielter Bewegungstherapie zur Verringerung der Sturzinzidenz und Verminderung der Sturzangst mit einem mittleren bis hohen Evidenzgrad erwiesen [8]. Zur Sturzvermeidung trägt auch ein ausreichender Vitamin D-Spiegel im Serum bei, da ein ausreichender Vitamin D-Spiegel für die Muskelkoordination erforderlich ist [15]. Der DVO empfiehlt daher in seiner aktuellen Leitlinie eine Vitamin-D-Konzentration von mindestens 30 ng/ml. Alternativ zum täglichen mindestens 30-minütigen Aufenthalt im Freien mit Sonnenexposition von Armen und Gesicht wird eine Substitution von 800–2000 IE Vitamin D pro Tag bzw. eine mehrwöchentliche äquivalente Dosis empfohlen. Mit dieser Empfehlung wurde die in den Leitlinien von 2006 empfohlene Dosis von 400–1200 IE Vitamin D somit deutlich erhöht.
Eine weitere Möglichkeit zur Verhinderung von Stürzen besteht in der Versorgung der Betroffenen mit adäquaten Hilfsmitteln sowie die Überprüfung der Notwendigkeit sturzfördernder Medikamente wie Antidepressiva, sedierender oder orthostaseauslösender Substanzen.
Vermeidung osteoporosebe-
günstigender Medikamente
Zahlreiche Medikamente haben Einfluss auf die Knochendichte Insbesondere der Einsatz oraler Glucocorticoide sollte genau abgewogen und die Dosis möglichst gering gehalten werden. Die neue Leitlinie berücksichtigt hierbei im Gegensatz zu vorangegangenen Versionen alle oralen Cortisondosierungen, die länger als 3 Monate verabreicht werden. In einigen neueren Arbeiten scheint auch der Einsatz hoher Dosen inhalativer Glucocorticoide einen negativen Einfluss auf die Knochendichte zu haben [16]. Obwohl diese Arbeiten noch nicht in den aktuellen Leitlinie berücksichtigt werden konnten, sollten diese Informationen bei der Behandlung mit inhalativen Glucocorticoiden mit berücksichtigt werden. Auch der längerfristige Einsatz von Protonenpumpenhemmern hat einen negativen Einfluss auf die Knochendichte und sollte vermieden werden.
Da bei niedrigem TSH-Wert das Frakturisiko steigt, sollte bei einer Behandlung mit L-Thyroxin eine Dosis gewählt werden, bei der die TSH-Konzentration mehr als 0,3 U/l beträgt, vorausgesetzt, dass kein differenziertes Schilddrüsenkarzinom vorliegt.
Spezifische medikamentöse
Therapie
Grundlage für die Einleitung einer spezifischen Therapie sind Daten zu Knochendichte, Alter, Geschlecht und vorangegangenen Frakturen. Die Therapiegrenze kann bei Vorliegen von Risikofaktoren angehoben werden und in bestimmten Situationen (z.B. Multimorbidität, kurze Lebenserwartung) auch abgesenkt werden (Tab. 2).
Eine Verbesserung der Knochenstabilität ist durch eine Hemmung des Knochenabbaus oder durch eine Beschleunigung des Knochenanbaus möglich. Die Empfehlungen des DVO gelten für die Präparate, deren fraktursenkende Eigenschaften entsprechend der zum Erstellungszeitpunkt vorliegenden Studien am besten belegt waren. Die Bisphosphonate Alendronat, Risedronat, Ibandronat und Zoledronat sowie Raloxifen hemmen den Knochenabbau, Teriparatid und Parathyreoidhormon fördern den Knochenaufbau, Strontiumranelat ist sowohl anabol als auch antiresorptiv wirksam. Östrogene sind zur Behandlung der Osteoporose wirksam, werden aufgrund des Nebenwirkungsprofils jedoch nur bei gleichzeitigen Wechseljahrsbeschwerden empfohlen.
Präparate zur Therapie von postmenopausalen Frauen und von Männern, deren fraktursenkende Wirkung am besten belegt ist, sind in Tabelle 3 zu finden.
Nach Fertigstellung der DVO-Leitlinie 2009 wurde mit Denosumab eine weitere Substanz zur Osteoporosebehandlung zugelassen, die die Knochenresorption durch die Osteoklasten bremsen kann. In Anbetracht der Studienergebnisse ist davon auszugehen, dass Denosumab in zukünftigen DVO-Leitlinien als Mittel der ersten Wahl zur Osteoporosebehandlung empfohlen wird [17].
Eine Präferenz für eines der Präparate ergibt sich aus den Leitlinien des DVO nicht. Die Wahl des geeigneten Präparates sollte unter Berücksichtigung von Begleiterkrankungen und Nebenwirkungen erfolgen. Auch die Applikationsformen (oral, parenteral) und die Applikationshäufigkeit (täglich, wöchentlich, monatlich, halbjährlich, jährlich) sind aufgrund der zu erwartenden Compliance bei der Wahl des geeigneten Präparates zu berücksichtigen.
Eine Kombination mehrerer spezifischer Medikamente wird in den Leitlinien nicht empfohlen, da hierfür keine entsprechenden Daten vorliegen. Es gibt jedoch Hinweise dafür, dass nach einer osteoanabolen Therapie eine Weiterbehandlung mit einem antiresorptiven Medikament zur weiteren Verbesserung der Knochendichte führt [18].
Schmerztherapie
Die Leitlinie des DVO nimmt auch Stellung zur Therapie osteoporosebedingter Frakturen und daraus entstehender Schmerzen. Eine rasche Mobilisierung nach Frakturen ist entscheidend zur Vermeidung von Folgeerkrankungen, dauerhafter Immobilität und erhöhter Mortalität.
Sowohl akute als auch chronische Frakturschmerzen sollten multimodal behandelt werden. Als wirksam werden nicht steroidale Antiphlogistika, Paracetamol, Metamizol und Opiate in der Leitlinie empfohlen. Bei Schmerzmedikamenten ist wegen der überwiegend älteren und multimorbiden Patientenklientel besonders auf das Nebenwirkungsprofil zu achten. Die physiotherapeutischen und physikalischen Möglichkeiten zur Schmerzlinderung sollten ausgenutzt werden. Die Studienlage zur Wirksamkeit von Physiotherapie und Ergotherapie ist jedoch relativ schlecht, für die Behandlung mit Interferenzstrom bei chronischen Rückenschmerzen sowie für die Schmerzlinderung und Verbesserung der Wirbelsäulenfunktion durch wirbelsäulenaufrichtende Orthesen liegen gute Studien vor. Der Nutzen einer operativen Behandlung von Wirbelfrakturen bleibt nach Aussage der DVO-Leitlinie fraglich, da nur ein Teil der vorliegenden Studien einen positiven Effekt zeigte und noch keine Langzeiterfahrungen vorliegen. Von Experten werden die Kyphoplastie und Vertebroplastie als Alternative zum konservativen Vorgehen bei einem über 3-wöchigen Versagen einer konservativen Schmerzbehandlung oder bei bestehenden Kontraindikationen für eine konservative Behandlung empfohlen [7].
Verlaufskontrolle
Unterschieden werden in der Leitlinie die Verlaufskontrollen bei Patienten mit und ohne spezifische medikamentöse Therapie:
Bei Patienten ohne entsprechende medikamentöse Therapie werden klinische Kontrollen (Überprüfung von Schmerzen, Risikofaktoren, Einhaltung der Basismaßnahmen, Messung von Größe und Gewicht) alle zwei Jahre empfohlen. Knochendichtemessungen sollten nach 2–5 Jahren erfolgen, je nach vorhandenen Risikofaktoren.
Bei Patienten mit medikamentöser spezifischer Therapie werden engmaschigere Kontrollen empfohlen. Anfänglich sollten alle 3–6, später alle 6–12 Monate klinische Kontrollen einschließlich einer Prüfung der Medikamenten-Compliance erfolgen, eine DXA-Messung wird nach 2 Jahren empfohlen. Ausgenommen von diesen Empfehlungen wird die glucocorticoidinduzierte Osteoporose, bei der in Abhängigkeit von der Glucocorticoiddosis eine frühere Kontrolle empfohlen wird.
Therapiedauer
Die meisten Empfehlungen zur Dauer der Osteoporosetherapie haben nur einen Evidenzgrad D. Die Basistherapie sollte solange fortgeführt werden, wie ein erhöhtes Osteoporoserisiko besteht. Der Nutzen einer spezifischen Therapie ist bislang nur für den Zeitraum der Einnahmedauer in randomisierten Studien erwiesen. Bei Strontiumranelat wurde zum Beispiel eine Wirksamkeit über einen Behandlungszeitraum von 10 Jahren nachgewiesen [19]. Für ein langfristiges Nachwirken der fraktursenkenden Wirkung spezifischer Medikamente nach Absetzen des Präparates gibt es keine Evidenz. Es gibt Hinweise dafür, dass im weiteren Verlauf das Osteoporoserisiko wieder ansteigt. Bei den meisten Osteoporosepatienten bleibt das Frakturrisiko dauerhaft erhöht. Da weder für noch gegen eine dauerhafte medikamentöse Therapie eine ausreichende Evidenz vorliegt, sehen die aktuellen Leitlinien eine fortgesetzte Therapie bei dauerhaft bestehendem Frakturrisiko als gerechtfertigt an. Bei Wegfallen von Risikofaktoren sollte jedoch immer geprüft werden, ob hierdurch das Frakturrisiko so weit sinkt, dass auf eine Fortführung der Therapie verzichtet werden kann.
Conclusio
Im Rahmen der demografischen Entwicklung werden Hilfsmittel für eine effiziente Osteoporosediagnostik und -therapie immer wichtiger. Mit der S3-Leitlinie des DVO zur Osteoporose, die alle 3 Jahre aktualisiert wird, liegt dem Behandler ein gutes Instrument zur Diagnostik und Behandlung der meisten Osteoporosepatienten vor.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. K. M. Peters
Orthopädie und Osteologie
Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik
Höhenstr. 30
51588 Nümbrecht
E-Mail: kpeters@dbkg.de
Literatur
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Fussnoten
1 Abteilung für Orthopädie und Osteologie, Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik, Nümbrecht
DOI 10.3238/oup.2012.0092-0099