Originalarbeiten - OUP 03/2021

Patientenerwartungen bei Inanspruchnahme der multimodalen Schmerztherapie
Eine Befragung in der Orthopädischen Klinik Bad Staffelstein

Regelmäßigen Sport oder moderate Bewegung führten zu Therapiebeginn 13 Patienten (72,2 %) durch, während 5 Patienten angaben, aufgrund der Schmerzen oder aus Angst vor Stürzen keine regelmäßige Bewegung durchführen zu können. Nach der Therapie gaben 12 Patienten (67 %) an, sich nun in Bezug auf aktive Bewegungen mehr zuzutrauen als vor dem Klinikaufenthalt: Mobilität und Muskelkraft seien verbessert, ihre Sicherheit sei gestiegen und die MMST habe ihre Eigenständigkeit gefördert. Die eingeschätzte Bedeutung aktiver Maßnahmen (NRS 0–10) wurde am Ende der MSST mit durchschnittlich 8,8 (1,5 SD) Punkten bewertet und war dabei vergleichbar mit der eingeschätzten Bedeutung passiver Maßnahmen (NRS 0–10) mit 8,9 (SD 1,5) Punkten. Aus Sicht der Patienten würden auch passive Maßnahmen ergänzend zur Medikation und zu den aktivierenden Maßnahmen erheblich zur Schmerzlinderung und zur Steigerung des Wohlbefindens beitragen. Die Muskulatur könne so gelockert und stimuliert werden.

In Tabelle 2 ist der zu Beginn der Therapie erhoffte Nutzen von den Berufsgruppen dem eingeschätzten Nutzen am Ende der Therapie gegenübergestellt. Von den Pflegekräften erhofften sich die Patienten zu Beginn der MMST vor allem Informationen zur Therapie und wünschten sie sich als „freundliche“ und „verständnisvolle“ Ansprechpartner für die Begleitung während des Aufenthaltes. Von der Physiotherapie erhofften sie sich primär Schmerzminderung (n=5), Tipps und neue Maßnahmen (n=4), „mobiler zu werden“ (n=3), eine Diagnose der Schmerzen (n=2) sowie die Verbesserung der Alltagsbewältigung. Von der Psychotherapie erwarteten 2 Patienten psychologische Unterstützung und 3 Patienten gaben an, keine konkreten Erwartungen zu haben, da der Aufenthalt nach eigenen Aussagen zu kurz für eine Psychotherapie sei; bzw. keine psychischen Leiden vorlägen. Von den Ärzten erhofften sich die Patienten eine Diagnose der Schmerzen (n = 2) und eine entsprechende Therapieeinleitung (n = 2) sowie allgemein eine gute Versorgung, um dadurch mobiler zu werden und so die Lebensqualität zu erhöhen und den Alltag besser bewältigen zu können. Dabei war es den Patienten wichtig, „ernst genommen“ zu werden und eine optimale Medikation sowie Ratschläge für den Umgang mit den Schmerzen zu erhalten. Bei keiner der 4 Berufsgruppen konnte ein signifikanter Unterschied zwischen dem erhofften und dem tatsächlichen Nutzen festgestellt werden (Wilcoxon Test, alle p-Werte > 0,05).

Alle 18 Patienten gaben an, dass sie während ihres Aufenthaltes Therapieformen kennenlernten, die sie zuhause weiterführen würden, z. B. Entspannungstechniken, Wassergymnastik, TENS und Psychotherapie. Vorteile der MMST sahen die Patienten vor allem im guten Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgruppen. Als einziger Nachteil wurde der damit einhergehende „Termin-Stress“ genannt. Verbesserungsvorschläge hierzu sahen die Patienten im Zeitmanagement und in einer individuellen Modifikation des Therapieplans.

Zwölf Patienten (66,7 %) gaben an, dass sich die Informationen, die sie zu Beginn des Klinikaufenthalts zu den Inhalten der MMST erhalten hatten, mit den tatsächlichen Angeboten der Schön Klinik deckten. Sechs Patienten (33,3 %) verneinten diese Frage. Gefragt nach den Gründen, war die häufigste Antwort, dass die erhoffte Schmerzreduktion nicht eingetreten war. Um sich besser auf die Therapie einstellen zu können, hätten sich 8 Patienten (44,4 %) mehr Vorabinformationen seitens der Klinik zu den Therapieinhalten gewünscht.

Alle 18 befragten Patienten waren der Meinung, dass die Teilnahme an der MMST für sie die richtige Entscheidung gewesen sei. Besonders gut bewerteten sie den interdisziplinären Ansatz und den damit verbundenen Therapieerfolg sowie den Austausch mit anderen betroffenen Schmerzpatienten. Alle 18 Patienten würden die MMST auch weiterempfehlen.

Therapeutenbefragung

Vier der 6 befragten Therapeuten (67 %) schätzten die Erwartungen der Patienten an die Therapie als sehr konkret oder recht konkret ein. Vier Therapeuten (67 %) gaben außerdem an, dass die Patientenvorstellungen gut oder sehr gut mit den Therapiezielen übereinstimmen würden. Auf die Frage, ob die Patientenerwartungen aus Therapeutensicht erfüllt werden würden, antworteten zwei Therapeuten (33 %) mit „ja“ und 4 Therapeuten (67 %) mit „teilweise“. Drei der 6 befragten Therapeuten (50 %) waren der Ansicht, dass sich ein Nichterfüllen der Erwartungen negativ auf den Therapieerfolg auswirken würde.

Die Therapeuten schätzten den Erfolg der MMST als sehr gut bzw. gut ein. Als positiv wurden insbesondere die Interdisziplinarität und der Austausch und die Absprache zwischen den Fachbereichen hervorgehoben. Ebenso wurde als Vorteil genannt, in kurzer Zeit viele Therapieangebote realisieren zu können. Aus Therapeutensicht würde die MSST insbesondere einen großen Beitrag zur Schulung des Schmerzverständnisses (n = 3; 50 %), zur körperlichen Aktivierung (n = 3; 50 %), zur Steigerung der Lebensqualität (n = 2; 33 %) und zur Steigerung der Mobilität (n = 2; 33 %) leisten.

Interpretation

Die MMST wurde im Beobachtungszeitraum überwiegend von Patienten in mittlerem bis höherem Alter in Anspruch genommen. Die Mehrheit von ihnen (61,1 %) litt bereits seit mehreren Jahren an Schmerzen, die durch zahlreiche Maßnahmen und Behandlungsversuche (z.B. Operationen, Medikamente, Krankengymnastik) nicht nachhaltig gelindert werden konnten. Für viele Patienten war daher die MMST mit hohen Erwartungen verbunden und entsprach nicht selten einem „späten oder letzten hoffnungsvollen Versuch“, um eine Schmerzreduktion zu erlangen [5]. Die Schmerzen wurden während des Aufenthaltes um durchschnittlich 3,2 Punkte signifikant verbessert (Z = –2,87, p = 0,004), jedoch nicht ganz in dem von den Patienten erwarteten Ausmaß. Sechs Patienten (33 %) gaben am Ende der MSST explizit an, dass ihre Erwartungen an die Therapie nicht erfüllt worden seien. Nach Einschätzung der befragten Therapeuten würden sich insbesondere unrealistisch hohe Erwartungen an eine Schmerzreduktion negativ auf den Behandlungserfolg auswirken. Obwohl sich die meisten Patienten im Vorfeld selbst über die MMST informiert hatten, wünschte sich fast die Hälfte der Befragten Vorabinformationen von Seiten der Klinik. Diese wären hilfreich, um eine realistische Erwartungshaltung der Patienten zu generieren.

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