Übersichtsarbeiten - OUP 03/2023
Radiofrequenztherapie bei zervikalen FacettengelenkschmerzenDiagnostik und Therapie chronischer Nackenschmerzen
Martin Legat, Stephan Klessinger
Zusammenfassung:
Chronische Nackenschmerzen, ausgehend von den zervikalen Facettengelenken, sind häufig. Die Anamnese und die klinische Untersuchung sind wichtig, um die Beschwerden einem Bewegungssegment zuzuordnen, die Sicherung der Diagnose erfolgt jedoch durch interventionelle Verfahren. Auch die Bildgebung ist nicht geeignet, ein schmerzhaftes Facettengelenk zu identifizieren. Zur weiteren Diagnostik werden daher Bildwandler gesteuerte Medial Branch Blocks eingesetzt. Die Nerven, die das jeweilige Gelenk versorgen, werden mit Lokalanästhesie vorübergehend blockiert. Diskutiert wird, welche Lokalanästhetika verwendet werden sollten und ob ein Medial Branch Block wiederholt werden muss. Bei Nachweis eines Facettengelenkschmerzes kommt als gezielte Therapie eine Radiofrequenz-Denervation des Medial Branch in Frage. Ein Erfolg ist bei ca. zwei Drittel der Patientinnen und Patienten für viele Monate zu erwarten.
Schlüsselwörter:
Halswirbelsäule, Nackenschmerzen, Medial Branch Block, Radiofrequenz-Denervation
Zitierweise:
Legat M, Klessinger S: Radiofrequenztherapie bei zervikalen Facettengelenkschmerzen. Diagnostik und Therapie chronischer Nackenschmerzen
OUP 2021; 10: 116–120
DOI 10.53180/oup.2023.0116-0120
Summary: Chronic neck pain originating from the cervical facet joints is common. The history and the clinical examination are important in order to assign the complaints to a movement segment, but the diagnosis is established by interventional procedures. Imaging is also not suitable for identifying a painful facet joint. Fluoroscopic-guided medial branch blocks are therefore used for diagnosis. The two nerves supplying the specific joint are temporarily blocked with a local anesthetic. It is discussed which local anesthetics should be used and whether a medial branch block needs to be repeated. If facet joint pain is detected, radiofrequency neurotomy of the medial branch can be considered as a specific therapy. Success can be expected in about two thirds of the patients for many months.
Keywords: Cervical spine, neck pain, medial branch block, radiofrequency-neurotomy
Citation: Legat M, Klessinger S: Radiofrequency neurotomy for cervical facet joint pain. Diagnosis and therapy of chronic neck pain
OUP 2021; 10: 116–120. DOI 10.53180/oup.2023.0116-0120
S. Klessinger: Neurochirurgie Biberach
M. Legat: Schmerz Zentrum Zofingen, Schweiz
Einleitung
Wirbelsäulenschmerzen sind eine der häufigsten Ursachen für Krankschreibung und Behinderung [1]. Ursächlich hierfür sind oft degenerative Prozesse, die auch den Bewegungsapparat und die Gelenke betreffen. Daher sind auch die Facettengelenke der Halswirbelsäule eine mögliche Ursache für Nackenschmerzen und Schmerzen, die vom Nacken in den Hinterkopf ausstrahlen. Die Jahresprävalenz von Nacken- und Hinterkopfschmerzen wurde in einem systematischen Review mit 32,7 % (16,7–75,1 %) und die Lebenszeitprävalenz mit 48,5 % (14,2–71 %) angegeben [2]. In der Literatur schwanken die Angaben der Häufigkeit, mit der Facettengelenke die Ursache solcher Schmerzen sind, zwischen 26 und 70 % [3–6]. Diese sehr unterschiedlichen Angaben hängen damit zusammen, dass es schwierig ist, einen Facettengelenkschmerz zu diagnostizieren. Die Anamnese, die klinische Untersuchung und bildgebenden Verfahren sind nur bedingt hilfreich, weshalb gerne interventionelle Verfahren zur Diagnostik und auch zur Therapie herangezogen werden. Häufig genutzt werden intraartikuläre Injektionen, ein diagnostischer Medial Branch Block und die Radiofrequenz-Denervation als therapeutisches Verfahren.
Diagnostik
Anamnese, Untersuchung und Bildgebung
Für die Diagnose eines Facettengelenkschmerzes ist die Erhebung einer Anamnese wichtig. Typisch ist ein Schmerz in Kombination mit einer Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule. Der Schmerz kann lokalisiert sein über den betroffenen Gelenken, kann aber auch in entferntere Gebiete ausstrahlen. Es existieren Schmerzkarten [7], die für jedes Segment ein typisches Schmerzgebiet aufzeigen, sodass der Schmerz schon grob einem Segment zugeordnet werden kann (Abb. 1). Klinisch häufig betroffen sind das Segment Hw2/3 und die untere Halswirbelsäule [8–10]. Wie weit sich durch klinische Untersuchungstechniken schmerzhafte Facettengelenke identifizieren lassen, wird in der Literatur widersprüchlich diskutiert. Ein Muskelhartspann kann ein Hinweis für die Lokalisation der Schmerzursache sein [11, 12]. Manualmedizinische Untersuchungstechniken waren in manchen Studien erfolgreich in der Identifizierung eines schmerzhaften Facettengelenkes [13], es finden sich aber auch entgegengesetzte Ergebnisse mit einer Spezifität der manuellen Diagnostik von nur 0,47 [14]. Somit sind Anamnese und klinische Untersuchung nicht unbedingt geeignet, die Diagnose eines Facettengelenkschmerzes zu sichern. Die Kombination aus Schmerzverteilung, Tastbefund und klinischer Untersuchung ist aber für die Zuordnung zu einem Bewegungssegment wichtig.
Bildgebende Verfahren werden bei Schmerzen der Wirbelsäule häufig angewendet. Zwar sind die Facettengelenke gut erkennbar im Röntgenbild, ein Zusammenhang zwischen den erkennbaren degenerativen Veränderungen und Schmerzen findet sich aber nicht [15]. Eine Korrelation zwischen degenerativen Veränderungen in der Computertomographie und Schmerzen konnte auch nach Überprüfung durch Injektionen nicht gefunden werden [16, 17]. Es besteht ebenfalls keine Korrelation zwischen den Befunden der Magnetresonanztomographie (MRT) und den Ergebnissen einer Denervation der Facettengelenke. Widersprüchliche Ergebnisse finden sich in der Literatur bezüglich des Nutzens einer SPECT/CT-Untersuchung [18, 19].
Nach einem HWS-Trauma ist eine Bildgebung zum Ausschluss oder Nachweis von Traumafolgen wichtig. Die Häufigkeit von Nackenschmerzen nach einem Schleudertrauma, die ihren Ursprung in den Facettengelenken haben, wird mit 54–60 % angegeben [20–22].
Diagnostische
Facettenblockade
Die Therapie der Nackenschmerzen besteht in der Regel aus medikamentöser Behandlung und physikalischen Maßnahmen, die individuell auf die Patientin/den Patienten abgestimmt werden sollten. Meist sind die Beschwerden innerhalb von Wochen rückläufig [23]. Bei anhaltenden Symptomen kann es wichtig sein, die Diagnose eines Facettengelenkschmerzes zu sichern, um dann auch eine gezielte Therapie anzubieten. Die Sicherung der Diagnose erfolgt in der Regel durch gezielte Interventionen. Diese sollten aber erst zur Anwendung kommen, wenn Beschwerden mindestens 3 Monate vorhanden sind und sich auf konservative Therapie nicht gebessert haben.