Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2023
ReiseberichtUSA Travelling Fellowship 2023
Auf der Jahrestagung 2022 in Baden-Baden wurde uns das begehrte USA-Reisestipendium der VSOU verliehen. Dieses Stipendium ermöglichte es uns als junge Mediziner in Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, eine beeindruckende Reise in die USA zu unternehmen.
Während unseres Aufenthaltes besuchten wir die Mayo Clinic in Rochester, das Hospital für Special Surgery in New York und das AAOS Annual Meeting in Las Vegas. Die beiden erstgenannten Einrichtungen zählen zu den weltweit führenden Kliniken und Forschungseinrichtungen im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Bereits im April 2022 hatten wir im Rahmen der 70. Jahrestagung der VSOU in Baden-Baden die Gelegenheit, den Staffelstab von unseren Stipendiaten-Vorgängern zu übernehmen. Dr. Janina Leiprecht und Dr. Lukas Heilmann halfen uns gewaltig bei der Planung der Reise und beantworteten geduldig unsere Fragen zu ihren Erfahrungen aus den USA. Denn es gab einiges zu organisieren.
Uns wurde durch die VSOU beim Abstecken des Reisezeitraumes viel Freiraum gegeben. Klar war, dass das Stipendium mit dem Besuch der American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS) Anfang März 2023 zu Ende gehen sollte und wir im Vorfeld die beiden herausragendsten Kliniken in den USA für O&U besuchen dürfen. Als Ansprechpartner und Hosts standen uns Prof. Daniel Berry (Mayo Clinic, Rochester) und Prof. Friedrich Böttner (HSS, New York) zur Seite. Nach Erledigung der Formalitäten, Buchung der Flüge und Unterkünfte im Laufe des Jahres 2022 konnten wir am 12. Februar 2023 in unser großes Abenteuer starten.
Mayo Clinic, Rochester,
Minnesota (12.–22.02.2023)
Unsere Reise begann in Rochester, Minnesota. Rochester zählt gut 120.000 Einwohner und liegt im US-Bundesstaat Minnesota – dem nördlichsten Bundesstaat der USA nach Alaska. Gerüstet und gekleidet für die erwartete rauhe Umgebung Minnesotas im Februar wurden wir von milden Temperaturen um den Gefrierpunkt überrascht. Das Stadtbild von Rochester, der drittgrößten Stadt in Minnesota, ist geprägt von den Standorten des Mayo Clinic Hospitals: St. Mary‘s Campus und Methodist Campus. Die Standorte verfügen über 2059 Betten und 115 Operationssäle in Rochester. Im „besten Krankenhaus der Welt“ (Newsweek Magazine, 2023) versorgen über 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jährlich 315.000 stationäre und über 1 Million ambulante Patientinnen und Patienten. Ein Subway- und Skyway-System verbindet Klinikstandorte und umgebende Hotels miteinander.
Bereits im Vorfeld waren wir beeindruckt von einer überragenden Organisation durch das Team von Prof. Berry, das einen, nach klinischen Schwerpunkten orientierten Hospitationsplan zusammengestellt hatte.
Täglich durften wir den Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit im OP oder der Ambulanz über die Schulter schauen. Neben der Teilnahme an den Grand Rounds gewährte man uns auch umfassende Einblicke in die Einrichtungen der Biomechanik und die Kadaver-Labs.
Hervorzuheben ist die strukturierte Ausbildung der Interns und Residents nicht nur in der Ambulanz oder im OP, sondern auch im Rahmen von Case Discussion Rounds sowie Teaching von OP-Techniken an Leichenpräparaten. Das Engagement im Kadaver-Lab (Einsatz von OP-Personal, Instrumentarium sowie Implantaten mit Unterstützung von Firmenvertreterinnen und -vertretern) zeigt ein bisher unbekanntes Niveau der erstklassigen Ausbildung und steht sinnbildlich für die gelebte Kultur von gegenseitiger Wertschätzung und Unterstützung.
Auch im Bereich der Arbeitsorganisation (Einsatz von Physician Assistants) und der IT-Unterstützung (Electronic Medical Record, Telemedizinische Sprechstunde) konnten wir beeindruckende Einblicke gewinnen. Die Erprobung neuer Technologien (K.I.-gestützte Navigationssysteme im OP, Roboter-assistierte Chirugie) ist scheinbar selbstverständlich in den OP-Alltag integriert.
Eine weitere Besonderheit ist das Vergütungsmodell für Ärztinnen und Ärzte, das sich von dem in vielen anderen Einrichtungen in den USA unterscheidet. Die Mayo Clinic zahlt ihren Ärztinnen und Ärzten ein festes Gehalt, das nicht von der Anzahl der von ihnen durchgeführten Eingriffe oder Patientinnen und Patienten abhängt. Diese Vergütungsstruktur zielt darauf ab, die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern, indem Ärztinnen und Ärzte nicht auf finanzielle Anreize ausgerichtet werden, sondern darauf, die bestmögliche Behandlung zu bieten. Diese Philosophie spiegelt sich auch in der engen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachbereichen der Mayo Clinic wider, um eine ganzheitliche Betreuung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen.
Die treffendste Zusammenfassung ist ein Zitat des Leitbildes der Klinik: „The needs of the patient come first“.
Hospital for Special Surgery (HSS), New York City, New York (23.02.–06.03.2023)
Zunächst hielt uns der Schneesturm „Olive“ mit seinen landesweiten Auswirkungen für einen weiteren Tag in Rochester fest. Nach der Ankunft in New York hätte der Kontrast der beiden Städte nicht größer sein können. Die Upper East Side sollte für die nächsten Wochen unsere neue Nachbarschaft sein, hier liegt das Hospital for Special Surgery (HSS) direkt am East River.
Gegründet 1863 ist das HSS in New York heute ein weltweit führendes Krankenhaus für orthopädische Chirurgie und Rehabilitation. Es ist das größte Krankenhaus seiner Art in den USA, das sich ausschließlich auf die Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates spezialisiert hat.
Beeindruckend ist auch die Wirtschaftsleistung des HSS auf kleinster Fläche. Das Krankenhaus beschäftigt mehr als 1000 Ärztinnen und Ärzte und Fachkräfte und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 1,5 Milliarden US-Dollar. Die Kombination aus exzellenter medizinischer Versorgung und erfolgreicher wirtschaftlicher Strategie hat dazu geführt, dass das HSS New York weltweit als führendes Krankenhaus im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie anerkannt ist.
Wir erlebten modernste Technik und Roboter im Einsatz – dennoch würde diese riesige Klinik mit ihren rund 40 Operationssälen und 120 Top-Spezialistinnen und -Spezialisten rund um O&U in der Stadt aller Städte beinahe untergehen.
Wir fühlten uns auch dank unseres Gastgebers Prof. Böttner hervorragend aufgehoben und konnten einen Einblick in das amerikanische Gesundheitssystem erhalten. Uns überraschte direkt am ersten Tag im OP der entspannte Umgang miteinander und die hohe Wertschätzung, die uns beiden „young germans“ mit einer Selbstverständlichkeit entgegengebracht wurde. Das hat unsere Einstellung und unseren Respekt gegenüber Gästen in unseren eigenen Kliniken nachhaltig geprägt. Nicht weniger beeindruckend waren die Bekanntschaften innerhalb der Klinik.
Eine indische Hospitantin erzählte uns von ihrem Ambulanzalltag in ihrer Heimat, an dem sie selbst ca. 60 Patientinnen und Patienten behandelte, die teilweise nicht lesen oder schreiben konnten. Der bereichernde Austausch lässt einen selbst den eigenen Arbeitsalltag nochmals anders einordnen. Auch trafen wir andere deutsche Kollegen, die sich im HSS oder im benachbarten Weill Cornell Medical College ein Research Fellowship erarbeitet hatten.
American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS), Annual Meeting, Las Vegas, Nevada (07.–11.03.2023)
Nach 3 beeindruckenden Wochen in 2 Top-Kliniken der USA hatten wir nun die Gelegenheit, die „Academy“ – das Annual Meeting der AAOS – zu besuchen. Die Reise führte in die Wüstenhauptstadt Nevadas, nach Las Vegas. Die Dichte an großen Hotels in unmittelbarer Nähe zum Tagungsort (Venetian Sands Expo) machen die Stadt in der Mojave-Wüste tatsächlich zu einem idealen Tagungsort. Über 22.000 Teilnehmer reisten an, um die neusten Trends und Entwicklungen in der Orthopädie und Unfallchirurgie zu verfolgen, 663 Aussteller gewährten auf über 21.000 m² großer Ausstellungsfläche einen Einblick in ihr Produkt-Portfolio. Für uns war dies auch die Gelegenheit, die Kontakte aus Rochester und New York aufzufrischen und in einen spannenden Austausch zu treten – ein gelungener Abschluss unserer vierwöchigen Reise.
Danke
Unser Dank gilt allen Verantwortlichen und Unterstützern der VSOU für die Gelegenheit dieser einmaligen Reise. Wir danken insbesondere Frau Prof. Dr. Meurer für den unermüdlichen Einsatz und die Unterstützung bei der Organisation und Planung. Ein besonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen unserer Kliniken, wie natürlich auch unseren Chefs, Prof. Stuby und Prof. Renkawitz, die es möglich gemacht haben, dieses Stipendium antreten zu können. Wir danken Prof. Berry und dem gesamten Team, die unseren Aufenthalt in Rochester zu dem gemacht haben, was wir erleben durften. Wir haben uns sehr darüber gefreut, Prof. Böttner in Baden-Baden wiederzusehen und möchten uns einmal mehr bei ihm für seine außergewöhnliche Gastfreundschaft und Lehrbereitschaft bedanken. Es war ein unvergessliches Erlebnis – eine „once-in-a-lifetime-experience“.
Nicht zuletzt möchten wir alle jungen Kolleginnen und Kollegen dazu ermutigen, sich für diese außergewöhnliche Gelegenheit, Einblicke und Erfahrungen im Ausland zu sammeln, zu bewerben.
Alexander Hofmann &
Franz Reichel
Korrespondenzadressen
Dr. med. Alexander Hofmann
BG Unfallklinik Murnau
Abteilung für Unfallchirurgie,
Orthopädie und Allgemeinchirurgie
Prof.-Küntscher-Str. 8
82418 Murnau am Staffelsee
alexander.hofmann@tum.de
Dr. med. Franz Reichel
Orthopädische Universitätsklinik
Heidelberg
Schlierbacher Landstr. 200a
69118 Heidelberg
franz.reichel@med.uni-heidelberg.de
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