Originalarbeiten - OUP 05/2014

Schmerzhafte Einschränkung der Unterarmdrehung durch das gestörte distale Radioulnargelenk nach Radiusfraktur
Rekonstruktion oder Rettungsoperation?Reconstruction or salvage procedure?

H. Haferkamp1

Zusammenfassung: Die schmerzhafte Einschränkung der Unterarmdrehung durch das gestörte distale Radioulnargelenk (DRUG) ist meist Folge einer Radiusfraktur, sei es, dass das DRUG unmittelbar in die Fraktur mit einbezogen ist oder auch durch eine Zerstörung der radioulnaren Bandverbindung. Bei der Primärversorgung einer frischen Fraktur sollte eine anatomische Rekonstruktion des Radius mit stufenfreier Wiederherstellung der Gelenkflächen im Radiokarpal- wie auch Radioulnargelenk erreicht werden. Bei der fehlverheilten Radiusfraktur ist das Radioulnargelenk im Prinzip intakt, die Funktionseinschränkung resultiert aus der Inkongruenz des Ellenkopfs mit dem fehlgestellten Radius. Zusätzlich führt die Fehlstellung wie auch ein Zusammensintern des Radius zu einer meist deutlichen Verkürzung desselben mit daraus resultierendem Ellenvorschub mit Ulna-Impaction-Syndrom.

Die Korrekturosteotomie des Radius stellt die Kongruenz des Radioulnargelenks wieder her, durch Beseitigung der Achsenfehlstellung einerseits, andererseits auch durch Erreichen der korrekten Höhe des Radius und beseitigt somit auch das Ulna-Impaction-Syndrom. Hier kann in den meisten Fällen eine restitutio ad integrum mit ungestörter Rotation erreicht werden.

Finden wir hingegen eine Arthrose im Radioulnargelenk oder auch eine veraltete Bandruptur radioulnar, so kann man die Problematik des Radioulnargelenks durch eine Radiuskorrektur nicht beseitigen. Hier sind dann Rettungsoperationen (z.B. radioulnare Arthrodese nach Kapandji, Hemiresektionsarthroplastik des Ellenkopfs nach Bowers oder auch Ulnarkopfprothese) indiziert.

Schlüsselwörter: Radiusfraktur, zerstörtes Radioulnargelenk,
Korrekturosteotomie des Radius, Rettungsoperation

Zitierweise
Haferkamp H. Schmerzhafte Einschränkung der Unterarmdrehung durch das gestörte distale Radioulnargelenk nach Radiusfraktur.
Rekonstruktion oder Rettungsoperation?
OUP 2014; 5: 244–255. DOI 10.3238/oup.2014.0244–0255

Abstract: The most important reason of painful restricted forearm rotation results from fracture of the distal radius combined with restriction of the distal radioulnar joint (DRUJ). In case of obsolete dislocation of radial fracture, the DRUJ can be reconstructed by reconstructive osteotomy of the radius. It aims at recovering the normal position and simultaneous strengthening of the radius to
eliminate incongruence of the DRUJ and simultaneously ulnar-impaction-syndrome.

In case of destroyed DRUJ, osteoarthritis or obsolete rupture of the radioulnar joint, the restoration of the joint is not possible, only a salvage procedure (Kapandji, Bowers or ulnar head prosthesis) can restore the function of DRUJ.

Keywords: radius fracture, destroyed radioulnar joint, reconstructive osteotomy of the radius, salvage procedure

Citation
Haferkamp H. The painful restricted forearm rotation by disorder of the distal radioulnar joint after radial fracture. Reconstruction or salvage procedure?
OUP 2014; 5: 244–255. DOI 10.3238/oup.2014.0244–0255

Einleitung

Die frische Radiusfraktur erfordert eine exakte Rekonstruktion des Radius mit stufenfreier Wiederherstellung der beteiligten Gelenke. Leider richtet sich die gesamte Aufmerksamkeit meist auf den Radius und insbesondere das Radiokarpalgelenk. Dabei werden häufig die in der Konsequenz sehr wichtigen Begleitverletzungen übersehen. Abgesehen von den karpalen Läsionen, wie z.B. die radioulnare Bandruptur oder auch Kahnbeinfrakturen, sehen wir häufig veraltete Läsionen am Radioulnargelenk im Form einer Arthrose oder einer persistierenden Instabilität des Radiuskopfs mit Dislokation als Folge der Bandruptur. Sowohl die fehlverheilte Radiusfraktur, wie auch die Zerstörung des Radioulnargelenks führen zu einer erheblichen, ausgesprochen schmerzhaften Einschränkung der Rotation des Unterarms. Die eingeschränkte Rotation führt zu wesentlich größeren funktionellen Beschwerden als beispielsweise die Arthrose im Radiokarpalgelenk. Die Rotation entscheidet darüber, ob wir ggf. mit dem Löffel noch essen, uns die Haare waschen, insbesondere die persönliche Hygiene (Zähneputzen, Toilette) durchführen können und bedeutet ggf. einen schweren Eingriff in die Autonomie des Patienten.

Bei dem in Fehlstellung verheilten Radius ist das Radioulnargelenk zwar noch intakt, dennoch ist die Funktion erheblich gestört, da es bezüglich der Kongruenz des Gelenks – einerseits durch die Abkippung des Radius, andererseits durch die damit verbundene Verkürzung – zu einer Ellenverlängerung kommt. Daraus resultiert ein sogenanntes Ulna-Impaction-Syndrom mit permanenter Traumatisierung des ulnaren Carpus und auch des dazwischen liegenden TFCC-Komplexes.

In diesem Falle ist die Korrekturosteotomie das Mittel der Wahl und kann ggf. zu einer restitutio ad integrum und völligen Beseitigung der Beschwerden im Radioulnargelenk führen [1]. Durch die Wiederherstellung der Radiuslänge wird gleichzeitig das Ulna-Impaction-Syndrom beseitigt. Ist das Radioulnargelenk jedoch durch Arthrose oder veraltete Bandruptur zerstört, ist die Korrekturosteotomie des Radius nicht mehr indiziert. Versuche, mit Bandplastiken die Stabilität des Ellenkopfs wiederherzustellen, haben zu nicht befriedigenden Ergebnissen geführt. In diesem Fällen bleiben uns nur noch die sogenannten Rettungsoperationen, um wieder eine befriedigende, zumindest deutlich gebesserte und insbesondere schmerzfreie Rotation im Unterarm zu ermöglichen.

Korrekturosteotomie
des Radius

Abbildung 1 zeigt ein Röntgenbild einer 52-jährigen Patientin mit Z.n. Radiusfraktur loco typico, die konservativ behandelt wurde. Ausheilung in Fehlstellung mit dorsaler Abkippung von ca. 40° (unter Berücksichtigung der normalen Inklination des Radius nach palmar von ca. 10°). Das AP-Bild zeigt eine Verkürzung des Radius mit Minderung des sog. Böhler-Winkels und dadurch bedingtem Ellenvorschub.

Klinisch bestand eine deutliche schmerzhafte Einschränkung der Unterarmrotation mit Ulna-Impaction-Syndrom. Bei Schwellung der Hand bestand zudem der Verdacht auf eine erhebliche Sudecksche Reflex-Dystrophie bzw. CRPS 1. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Sudeck keine absolute Kontraindikation gegen eine Operation ist. Im Gegenteil, eine fortbestehende Fehlstellung des Handgelenks mit den dadurch bedingten Schmerzen unterhält die Reflex-Dystrophie. Vor einem operativen Eingriff ist es jedoch erforderlich, die Schmerzen und die Symptomatik durch eine entsprechende schmerztherapeutische Behandlung in Kombination mit physiotherapeutischen Maßnahmen, u.a. auch Lymphdrainagen, zu reduzieren, wenn nicht gar zu beseitigen. Dies kann ggf. 1–2 Monate in Anspruch nehmen. Wir haben dann die Korrekturosteotomie 2 Monate später nach deutlicher Reduzierung der lokalen Symptomatik und auch der Schmerzen durchgeführt. Besonders wichtig ist die begleitende Schmerztherapie nach der Operation, ggf. ist das Anlegen eines Plexus-Katheters für einige Tage erforderlich. Die Patientin war schon nach wenigen Tagen völlig beschwerdefrei, sodass auch mit physiotherapeutischen Übungen vorsichtig begonnen werden konnte.

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