Übersichtsarbeiten - OUP 12/2014

Schmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie – die neuropathische Schmerzkomponente nicht vergessen

Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen werden Antikonvulsiva, Antidepressiva, lang wirksame Opioide, MOR-NRI und topische Verfahren angewandt. Die Wirkung des Medikaments sollte erst nach 2–4 Wochen unter ausreichender Dosierung beurteilt werden. Es kann sinnvoll sein, mehrere Wirkstoffe zu kombinieren. Falls der Patient unter Schlafstörungen leidet, sollten sedierende Substanzen wie Pregabalin oder Amitriptylin bevorzugt werden. Prinzipiell sollten Medikamente mit einem günstigen Nebenwirkungsprofil bevorzugt eingesetzt werden.

Antidepressiva

Einige Antidepressiva sind geeignet, neuropathische Schmerzen zu behandeln. Grundsätzlich entfalten Antidepressiva ihre Schmerz modulierende Wirkung erst nach etwa 2–4 Wochen.

Trizyklische Antidepressiva (TZA) wie z.B. Amitriptylin, Clomipramin oder Imipramin haben sich in der Schmerztherapie etabliert. Über eine Noradrenalin-, Dopamin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmung kommt es zu einer Erhöhung dieser Transmitter im synaptischen Spalt. Neben der antidepressiven Wirkung der trizyklischen Antidepressiva weisen diese Substanzen auch eine analgetische Wirkung auf. Einerseits kommt es zu einer Aktivierung der endogenen Schmerzhemmung, andererseits besteht über die Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle ein weiterer Wirkmechanismus. Die Schmerzreduktion erfolgt unabhängig von dem Vorhandensein einer eventuell depressiven Begleiterkrankung. Meist sind geringe Dosierungen wie beispielsweise 1050 mg Amitriptylin ausreichend. Die Datenlage ist für die Substanzen gut. Trotzdem sollte das problematische Nebenwirkungsprofil der TZA nicht außer Acht gelassen werden. Die Mundtrockenheit und die zum Teil sedierenden Effekte sind unter der Behandlung zu erwarten. Problematischer ist eine mitunter erhebliche Gewichtszunahme unter der Einnahme von TZA. Auch sollten Störungen der Erregungsleitung des Herzens, eine orthostatische Dysregulation, Blasenentleerungsstörungen bis hin zum Harnverhalt (v.a. bei Männern mit einer Prostatavergrößerung) berücksichtigt werden. Die anticholinergen Nebenwirkungen der Substanzen werden gerade bei älteren Patienten nicht ausreichend berücksichtigt. Zu Recht wird in der PRISCUS-Liste [4] der Einsatz ab dem 65. Lebensjahr kritisch gesehen und nicht empfohlen. Die Substanzen bergen eine große Gefahr, ein Delir auszulösen. Leider wird immer wieder iatrogen eine demenzielle Symptomatik mit diesen Substanzen verursacht, die nach dem Absetzen der Medikation rückläufig ist.

Für Serotoninwiederaufnahmehemmer wie Citalopram, Fluoxetin oder Paroxetin, aber auch Mirtazapin konnten keine überzeugenden Daten zur Schmerztherapie aufgezeigt werden, sodass diese Substanz in der Schmerzbehandlung eine untergeordnete Rolle spielt.

Im Zusammenhang mit der Serotoninwiederaufnahmehemmung wurden Blutungskomplikationen beschrieben. Durch eine Aktivierung des fibrinolytischen Systems und einer Reduktion der Thrombozytenaggregation kommt es zu einer Beeinflussung der Blutgerinnung. Der Effekt ist nicht dosisabhängig und insbesondere kommt es zu vermehrten gastrointestinalen Blutungen. Eine Kombination mit ASS oder NSAR erhöhte das Blutungsrisiko [5, 6].

Selektive Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SSNRI) weisen ein deutlich günstigeres Nebenwirkungsprofil als die TZA auf. Zu Beginn der Therapie kann es insbesondere in der ersten Woche zu gastrointestinalen Beschwerden, einer inneren Unruhe kommen, die meist nach einer Woche wieder abklingen.

Aktuell sind 2 dual und damit schmerztherapeutisch wirksame Wirkstoffe (Duloxetin und Venlafaxin) im Handel. Lediglich Duloxetin ist zur Behandlung von Schmerzen bei einer diabetischen Polyneuropathie zugelassen. Duloxetin ist in der Handhabung die deutlich kompliziertere Substanz. Dies ist auf die intensive Beeinflussung des Cytochromstoffwechsels zurückzuführen. Es wird über CYP1A2 und CYP2D6 verstoffwechselt. Vor Gabe des Medikaments sollte gefragt werden, ob der Patient Raucher ist. Durch die CYP1A2-Induktion bei Rauchern werden um etwa 50 % niedrigere Plasmaspiegel als bei Nichtrauchern erreicht und dies bei einer teuren Substanz. Hier sollte über Alternativpräparate nachgedacht werden. Duloxetin ist ein moderater Inhibitor für CYP2D6, welches in der Schmerztherapie berücksichtigt werden sollte, so wird beispielsweise Tramadol in der Leber über CYP2D6 zur aktiven Substanz O-Desmethyltramadol metabolisiert. Die Hemmung des an der Biotransformation von Tramadol beteiligten Isoenzyms CYP-2D6 kann die Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten reduzieren, sodass Tramadol nicht ausreichend analgetisch wirksam sein kann. Duloxetin wird meist in einer Dosierung von 30 mg begonnen und nach etwa 7 Tagen auf 60 mg morgens aufdosiert. Die Höchstdosis beträgt 120 mg täglich (verteilt auf 2 Tagesdosen, morgens und mittags), ist in der Schmerztherapie aber selten notwendig. Da die Duloxetin-Packung mit 30 mg den identischen Preis der 60 mg-Packung aufweist, sollten nicht über längere Zeit 2-mal 30mg verordnet werden, da hierdurch die Behandlungskosten verdoppelt werden. Duloxetin wird unter den Handelsnamen Cymbalta, Ariclaim und Yentreve vertrieben. Ariclaim ist nur zur Schmerztherapie zugelassen. Dies mag eine Erleichterung bei Patienten sein, die sich nur schwer auf die Einnahme eines Antidepressivums einlassen können, da hier diese Indikation nicht aufgeführt wird (im Gegensatz zu Cymbalta).

Venlafaxin weist einen vergleichbaren Wirkmechanismus auf, ist jedoch zur Schmerztherapie nicht zugelassen. Bei Schmerzpatienten, die gleichzeitig an einer depressiven Erkrankung oder Angststörung leiden, kann es freilich angewandt werden. Die Situation bezüglich der Wechselwirkungen gestaltet sich beim Venlafaxin wesentlich einfacher. Zu berücksichtigen ist im Gegensatz zum Duloxetin, dass Venlafaxin aufdosiert werden muss, um in den Genuss des dualen Wirkmechanismus zu kommen. In niedrigen Dosierungen handelt es sich bei Venlafaxin um einen reinen Serotoninwiederaufnahmehemmer, welcher schmerztherapeutisch keine überzeugende Wirkung aufweist. Erst ab Tagesdosen von mehr als 150 mg kommt der duale Wirkmechanismus zum Tragen mit den entsprechenden schmerztherapeutischen Effekten. Üblicherweise beginnt man mit 75 mg Venlafaxin einmal morgens und erhöht es pro Woche um 75 mg auf eine Zieldosis von 150–225 mg einmal morgens.

Antikonvulsiva

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4