Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022
SchulterarthroseWie erzielen wir mit der anatomischen Schulterendoprothese oder auch mit konservativen und arthroskopischen gelenkerhaltenden Optionen optimale Ergebnisse?
Vor dem Einbringen des Implantates ist zunächst die humerale Resektion entscheidend, um die Rekonstruktion der individuellen Gelenkgeometrie zu ermöglichen. Bei der Resektionsebene ist dabei die Retroversion, die Inklination, die dorsale Neigung und die Höhe der Resektion zu beachten. Hier stellt sich die Frage, wie wir bspw. bei stark deformierten Arthrosen die ursprüngliche Gelenkgeometrie beurteilen und wie wir darauf basierend deren erfolgreiche Resektion planen können. Bereits die Literatur deutet darauf hin, dass die Beurteilung der Gelenkgeometrie eine hohe Inter-Observer Variabilität aufweist und somit nicht immer einfach ist [76]. Wir verwenden zur Beurteilung der ursprünglichen, zu rekonstruierenden Gelenkgeometrie die sog. “best-?t circle“-Methode. Hierbei wird der Kreisradius und damit das präoperative Rotationszentrum anhand dreier knöcherner Landmarken, die üblicherweise durch eine Arthrose nicht beeinträchtigt werden (Abb. 1), ermittelt [95]. Dabei handelt es sich um den lateralen Rand des Tuberculum majus, die mediale Kante des Supraspinatussehnenansatzes am Tuberculum majus und den medialen Kalkar im Bereich des Umschlagpunktes, an dem der Kalkar auf den medial-kaudalen Kalottenanteil trifft. Der Hals-Schaft-Winkel, als Winkel zwischen der Schaftachse und einer Senkrechten zum anatomischen Hals, wird orientierend zur Abschätzung der Resektionsebene eingezeichnet. Die Resektion sollte bzgl. der Höhe möglichst nahe an der medialen Kante des Footprints ansetzen und entlang des Schaft-Hals-Winkels nach medial laufen. Auf diese Weise können wir die Resektion präoperativ abschätzen. Bzgl. der Resektion ergibt sich so ein definierter Kreisabschnitt. Die Planung der Retroversion sowie Neigung der Resektion entlang des nach dorsal abfallenden Footprint ist allerdings anhand der a.p.-Röntgenbilder nicht absehbar. Dies erfolgt intraoperativ anhand der anatomischen Landmarken. Hierzu verwenden wir gerne Resektionslehren, wie künftig bspw. den hier abgebildeten, noch in unserer Entwicklung befindlichen Prototypen (Abb. 1). Anhand verschiedener Aufsätze ist hier die Inklination zum Schaft in 5°-Schritten verfügbar. Die Einstellung der Retroversion und der dorsalen Neigung der Resektionsebene entlang des nach dorsal abfallenden Footprint wird vor der Pin-Fixierung des Sägeblockes mit einer Sichel eingestellt und getestet. Ähnlich arbeiten wir aktuell mit anderen, derzeit auf dem Markt verfügbaren Resektionslehren. Die teilweise gängige Freihand-Resektion ist bei den Autoren eher nicht bevorzugt. Intraoperativ überprüfen und testen wir nochmal die nötige Kopfgröße. Hierbei ist zu beachten, dass der mediolaterale Durchmesser des Kopfes stets größer ist als der anteroposteriore Durchmesser. Wir verwenden hier, um einem Overstuffing aus dem Weg zu gehen, tendenziell eher den kleineren der beiden Durchmesser und haben damit gute Erfahrungen. In Abbildung 1 sehen Sie, dass das Rotationszentrum der Prothesen recht genau auf dem präoperativen, ursprünglichen Rotationszentrum zu liegen kommt (Abb. 1). Eine Abweichung des Rotationszentrums der Prothese gegenüber dem präoperativen Rotationszentrum nach medial ist als ein sog. Overstuf?ng (Abb. 4a–b) definiert. Mehrere Arbeitsgruppen haben gezeigt, dass bereits eine Abweichung des Rotationszentrums von > 3 mm bzw. > 5 mm als klinisch relevant bezeichnet werden kann [5, 20, 93]. Ursache dieser gestörten Gelenkgeometrie ist unserer Erfahrung nach meist die fehlerhafte Resektionsebene. Die Abbildung 4b zeigt, dass eine solche fehlerhafte Resektion meist auch nicht mit kleinen Köpfen oder der Nutzung von Offsetvarianten ausgeglichen werden kann. Folgen können neben Schmerzen und Funktionsdefiziten auch Glenoidlockerungen oder, wie in diesem etwas ungewöhnlichen Fall einer Hemiarthroplastik, Glenoiderosionen sein (Abb 4b). Gelingt hingegen die präzise Wiederherstellung der individuellen Gelenkgeometrie, so zeigen eigene Fallserien und diverse Studien ein sehr gutes klinisches Outcome mit einer optimierten bzw. physiologischen Beweglichkeit [12, 72, 88]. Weitere Studien zeigen, dass dann der Glenoidabrieb durch verringerte Druckspitzen effektiv reduziert wird [29]. In eigenen Fallserien konnten wir unter Verwendung der “best-?t circle“-Methode eine vglw. geringe Abweichung des prämorbiden Rotationszentrums zum Rotatationszentrum der Prothese nachweisen. Auch ein Overstuffing > 3 mm war vglw. selten zu finden [88]. Bei den unterschiedlichen gestielten Prothesen, aber auch bei den Kappenprothesen, finden sich hingegen deutlich höhere mittlere Abweichungen des Rotationszentrums wobei ein Overstuffing mit Abweichungen > 3 mm auch eine höhere Häufigkeit von 30–65 % aufweist [5].
Fazit für die Praxis
Das sehr unterschiedliche Bild einer Omarthrose ist oft von sehr belastenden Schmerzen und Einschränkungen begleitet. Die sehr unterschiedlichen Voraussetzungen sowie unterschiedlichen Ansprüche des Patienten ermöglichen recht unterschiedliche Therapieansätze. Auch innerhalb eines rein konservativen Vorgehens, einer gelenkerhaltenden Operation oder einer Endoprothese ist ein sehr differenziertes, individuell ausgerichtetes Vorgehen entscheidend, um zu einem optimalen klinischen Outcome und guten Langzeitergebnissen zu kommen.
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben Aufwandsentschädigungen für Vorträge, Beratungsleistungen und Ausbildungsveranstaltungen von der Fa. Corin erhalten. Jörg Jerosch auch von der Fa. Lima, Implantcast und Smith&Nephew. Die Präsentation des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral.
Das Literaturverzeichnis
zu diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Lars Victor
von Engelhardt
Fakultät für Gesundheit
der Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Str. 50
58455 Witten
larsvictor@hotmail.de