Arzt und Recht - OUP 06/2013

Sehr geringe Fallzahlen und Beachtung der Heilmittel-Richtlinien – trotzdem Regress!

Für die vom Arzt im Einzelfall verordnete Leistungsmenge seien die untergesetzlichen Frequenzvorgaben (Heilmittel-Richtlinien) maßgebend; beachtet der Arzt diese Vorgaben, könne ihm in der Regel nicht vorgehalten werden, er hätte in einem einzelnen Behandlungsfall Heilmittel nur mit geringerer Frequenz verordnen dürfen.

So stelle der beklagte Beschwerdeausschuss beim Kläger nicht in Frage, dass er in allen einzelnen Behandlungsfällen jeweils die Frequenzvorgaben der Heilmittel-Richtlinien einhielt; die von ihm durchgeführte Prüfung habe er vielmehr darauf gegründet, dass die Anzahl der Behandlungsfälle, in denen der Kläger physikalisch-medizinische Leistungen verordnete, weit über dem Durchschnitt der Fachgruppe lag – in jedem zweiten Behandlungsfall, daher ungefähr doppelt so häufig wie die Fachgruppe – und dass dafür keine Rechtfertigung aufgrund besonderen Praxiszuschnitts erkennbar sei.

Mit einer solchen Vergleichsprüfung werde – entgegen der Ansicht des klagenden Arztes und der beigeladenen KV – nicht die Schutzwirkung der Heilmittel-Richtlinien unterlaufen. Die Frequenzvorgaben der Heilmittel-Richtlinien seien darauf zugeschnitten, wie viele Einheiten physikalischer Therapie im einzelnen Behandlungsfall als im Regelfall sachgerecht anzusehen sind. Dabei werde vorausgesetzt, dass es sich um einen Behandlungsfall handelt, in dem überhaupt Anlass zur Verordnung physikalisch-medizinischer Leistungen besteht. Zur Frage, in welcher Art von Behandlungsfällen ein solcher Anlass überhaupt als gegeben angesehen werden kann, sage die Heilmittel-RL nichts aus; medizinische Beurteilungskriterien hierfür seien darin nicht zu finden.

Die Anwendbarkeit der Durchschnitts- und Richtgrößen-Prüfungen entspreche auch dem umfassenden Geltungsanspruch des Wirtschaftlichkeitsgebots, wonach der Arzt nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern unter jedem Aspekt – und deshalb auch bezogen auf die Anzahl seiner Behandlungsfälle mit Heilmittelverordnungen – wirtschaftlich handeln muss.

Keine kompensatorischen Einsparungen durch (weniger) Heilmittel-Leistungen in eigener Praxis

Der beklagte Beschwerdeausschuss hat erwogen, ob hinsichtlich des Minderaufwands des klagenden Arztes bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen sogenannte kompensierende Einsparungen anzuerkennen sind. Er kam zu dem Ergebnis, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Mehraufwand bei den verordneten und dem Minderaufwand bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen zweifelhaft erscheint, weil die Zudem sei der Ersparniswert gering; der (insoweit werden Beträge einerseits bis 7,00 € und andererseits ab 20,00 € genannt). Diese Ausführungen des Beklagten genügen nach Auffassung des BSG den rechtlichen Anforderungen. Es reiche aus, solche Umstände lediglich in die Berechnung oder Schätzung der zuzugestehenden belassenden Durchschnittsüberschreitungen einzubeziehen. Bei der Quantifizierung dürften sich die Prüfgremien mit pauschalierenden Schätzungen begnügen (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2009, Az. B 6 KA 17/08 R, ArztR 2010, 128).

Fazit

Diese Entscheidung zeigt, dass ein Arzt sich nicht darauf verlassen darf, dass ihn die Einhaltung der Heilmittel-Richtlinien vor einem Regress wegen unwirtschaftlichem Verordnungsverhalten schützt. Neben den schwer zu überschauenden Heilmittel-Richtlinien hat der Arzt vielmehr auch die statistische Entwicklung der Verordnungen in seiner Vergleichsgruppe zu beachten. Besonderheiten der Praxis (Fallzahlen unter 100 Fällen bzw. unter 20 % der Vergleichsgruppe, Praxisbesonderheiten, kompensatorische Einsparungen) hat der Arzt zu beweisen. Die hierfür erforderlichen Verordnungsstatistiken der Vergleichsgruppe muss sich der Arzt selbst (von der KV) besorgen. Damit hat das Bundessozialgericht den Arzt weiter in Begründungsnot gebracht.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

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