Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2015
Sonografische Diagnostik am kindlichen Sprunggelenk und Fuß
Die sonografische Stufendiagnostik beginnt am Außenknöchel und reicht bis zum MT V [3]. Röntgenaufnahmen sind nach den Ottawa-Empfehlungen nur bei klinischem Verdacht auf Knöchelfraktur gerechtfertigt. Sonografisch zeigt sich bei (aktuell in der Klinikpraxis nicht selten radiologisch vermuteter) Salter-Harris-I-Fraktur ein im Seitvergleich leicht abgehobenes echoarmes Periost. Bei der Stabilitätstestung kann sogar ein leichtes Klaffen der Epiphysenfuge im sonografisch jederzeit möglichen Seitenvergleich strahlungs- und schmerzfrei beobachtet werden (Abb. 5 und 6). Die nachfolgend durchgeführte Röntgenaufnahme bestätigt diese Situation (Abb. 7). Abbildung 8 zeigt dagegen eine Salter-Harris-II/Aitken-I-Fraktur mit proximal erkennbarer Unterbrechung der fibularen Kortikalis.
Ruptur lig fibulotalare
anterius (LFTA)
Die fibularen Bänder werden am besten in entspannter Rückenlage und ggf. unterlagerter Kniekehle sowie aufliegender Ferse untersucht. Das unverletzte lig. fibulotalare anterius (LFTA) lässt sich aufgrund der Lokalisation im ungünstigen Nahfokusbereich beim gesunden Patienten nicht immer gut abgrenzen (Abb. 9). Periartikuläre Schwellung und Hämatom erlauben jedoch nach Bandverletzung eine zumeist weitaus bessere Darstellung. Bei unreiferen Kindern reißt das LFTA am häufigsten proximal mit einer sonografisch echogen gut sichtbaren knöchernen Schuppe aus der Fibula aus (Abb. 10). Selten ist ein sonografischer Vorschub auslösbar. Das größere rundliche Os subfibulare stellt eine strukturelle Differenzialdiangnose hierzu dar (Abb. 11.)
Beim reiferen Kind und Jugendlichen reißt das Band wie beim Erwachsenen meist distal ab und schlägt sich echogen zum Talus hin ein. Zwischen Band und Knochen drängt oft echoarmes Hämatom nach außen, das im Dekompressionstest deutlicher darstellbar wird. In derselben Untersuchungsposition kann die Stabilität unmittelbar, schnell und weitgehend schmerzfrei überprüft werden. Die Abbildungen 12 und 13 zeigen den ausgelösten Vorschub von 6 mm.
Das in der Tiefe nach hinten unten ziehende lig. fibulocalcaneare (LFC) ist sonografisch schwer darstellbar, die dort ausgelöste laterale Instabilität aber schon. Mittels dynamischer Ultraschalluntersuchung lässt sich hier die klinische DD zu einer Peronäalsehnenläsion fundiert treffen (Abb. 14). Ausrisse des das Calcaneokuboidgelenk (CC) lateral stabilisierenden Bands sind sonografisch klar zu erkennen, insbesondere bei leichter Instabilität im sonografisch kontrollierten Adduktionstest (Abb. 15).
Inversions-Distorsionen erfassen bei Kindern und Jugendlichen über OSG und CC-Gelenk hinaus häufig das Metatarsale V. Typische Querfrakturen führen zu einer Unterbrechung der echogenen Kortikalis (Abb. 16), während der Apophysenkern als flache echogene Schuppe imponiert (Abb. 17).
Fußschmerz
Auch andere akzessorische Knochenkerne wie das os tib. externum oder das Os Vesalianum können sonografisch im Seitvergleich abgegrenzt werden. Die Vorwölbung medial am Kahnbein schmerzt oft bei schlanken Füßen ohne dicke Subkutis. Sonografisch finden sich unterschiedlich ausgeprägte echogene knöcherne Vorwölbungen im Insertionsbereich der Tibialis-posterior-Sehne (Abb. 18).
Dagegen weist die sog. Apophysitis calcanei keine typischen Sonopathologie auf. Die knöcherne Kontur der Apophyse am Tuber calcanei erscheint zu dieser Zeit oft gezackt, unterscheidet sich aber nicht von unbetroffenen Füßen (Abb. 19). Dennoch ist die Sonografie bei den zumeist sportlichen Kindern zum Ausschluss von Veränderungen der Achillessehne oder der darunter liegenden Bursa subachillea hilfreich. Die relevante DD einer Coalitio ist allerdings nur im Röntgenbild oder besser im MRT zu lösen.
Die rheumatoide Oligoarthritis erfasst im Kindesalter neben dem OSG oft die Zehengrundgelenke. Schwellungen im Vorfußbereich können sich dem klinischen Betrachter leicht verbergen.
Symmetrische echoarme Ergussbildung, ggf. echogen verdickte Synovialis und positives PD-Signal vor allem der MC-Gelenke 1, 2 und 5 sind diagnoserelevant (Abb. 20). Bei chronischem Verlauf werden früher als im Röntgenbild gelenknahe Erosionen und Usuren als Unregelmäßigkeit der knöchernen Oberflächen, synoviale Zysten und ggf. positives PD sichtbar.
Diskussion
Verletzungen an Sprunggelenk und Fuß stellen einen großen Anteil an kindlichen und jugendlichen Unfällen. Fußball und Basketball sind führend [4].
Trotz jahrzehntelanger Anwendung der Sonografie als unmittelbar an der Untersuchungsliege verfügbarer bildgebender Untersuchungstechnik fehlen in Bezug auf Kinder und Jugendliche Literaturangaben weitgehend. In praxi bestehen offensichtlich nur wenige Unterschiede zur Applikation im allgemeinen Patientengut. Einige kinderrheumatologische Arbeitsgruppen haben in jüngster Zeit Standards etabliert, die vergleichende Schnitte und Deskriptionen ermöglichen sollen [5, 6].
Ultraschall kann intraartikuläre Erguss- oder Hämarthrosbildung, aber auch subklinische juvenile Arthritiden besser als die klinische Untersuchung identifizieren [7, 8]. Intra- oder periartikuläre Raumforderungen wie z.B. Ganglien können sonografisch identifiziert und anatomisch zugeordnet werden [9].
Auch für heranwachsende Patienten gilt, dass nur bei klarem klinischen Verdacht auf eine Fraktur eine Röntgenaufnahme indiziert ist [10, 11, 12]. Allerdings scheinen die Ottawa-Richtlinien auf Kinder nicht mit der gleichen Sensitivität wie bei Erwachsenen anwendbar zu sein [13].
Eine französische Arbeitsgruppe klärte alle konsekutiven Patienten (n = 116, 8–15 Jahre), bei denen eine Sprunggelenksverletzung vorlag, nach Ausschluss einer Knöchelfraktur im Röntgenbild prospektiv kernspintomografisch ab. Bei 49 Patienten konnte dennoch ein knöcherner Schaden ermittelt werden, bei 20 Patienten kleinere Bandläsionen und bei 5 Patienten Bänderrisse [14]. Subtile knöcherne Verletzungen wie knöcherne Bandausrisse des lig. fibulotalare anterius, epiphysäre Stauchungen oder Lösungen der distalen Fibula oder an der Basis des MT V stellen spezifische Pathologien dieser Altersgruppe dar [15]. Nicht selten finden sich in der Sonografie – die im Vergleich zum Röntgenbild nicht nur in 2 Projektionen erfolgen kann, sondern als multiplanare Schichtuntersuchung – Hinweise auf die exakte Lokalisation und Ausprägung der Verletzung [16, 17]. Ausgerissene knöcherne Insertionen demarkieren sich durch ihren Schallschatten und müssen von akzessorischen Knochenkernen unterschieden werden [18]. Bereits aus wirtschaftlichen, aber auch organisatorischen Gründen wird es aber utopisch bleiben, eine flächendeckende unmittelbare MRT-Abklärung von kindlichen Sprunggelenkverletzungen vorzuhalten. Gelenkinstabilitäten können jedoch ohnehin nur in dynamischer Untersuchungstechnik aufgedeckt werden, optimal mittels Sonografie [19–23].