Originalarbeiten - OUP 03/2013
Spezifisches Verordnungsverhalten von Osteologen DVO in Nordrhein
C. Niedhart1, C. Eichhorn2
Zusammenfassung: Zur Senkung der Arzneimittel-
kosten haben die meisten KVen DDD-Zielquoten festgelegt. Die Festlegung erfolgt für die Fachgruppe. Praxen mit osteologischem Schwerpunkt können bei differenzierter Therapie die geforderte Quote in der Regel nicht einhalten. Im Rahmen einer Integrierten Versorgung zur Therapie der Osteoporose in Nordrhein wurden die Verordnungen aller teilnehmenden Osteologen im Jahr 2011 ausgewertet. Erfasst wurde ein Gesamtverordnungsvolumen von 1.420.232,39
Euro von 5.520 Patienten im Jahr 2011. Die in osteologischen Praxen erreichte DDD-Quote für Bisphosphonate lag mit 54 % knapp unter der geforderten Quote von 58 %. Die ermittelten Daten können im Falle einer Regressforderung für Osteologen unter Umständen als Vergleichsgruppe dienen.
Schlüsselwörter: Osteoporose, DDD-Quote, Verordnungsverhalten
Abstract: To reduce costs of medication, most Associations of Statutory Health Insurance Physicians (AHIP) have fixed DDD-quotes. Calculation is done for professional groups. Surgeries with focus on osteoporosis are commonly not able to meet these quotes due to their differentiated therapy.
In an integrated health care model for treatment of osteo-porosis in North Rhine all prescriptions from specialists in
osteology were evaluated. A total prescription volume of 1.420.232,39 Euros for 5.520 patients in 2011 was collected. The DDD-quote for bisphosphonates from specialists in osteology was 54 %. This was under the postulated quote of 58 %. The evaluated data can help to define a special DDD-quote for specialists in osteology in case of regress.
Keywords: osteoporosis, DDD-quotes, prescription habits
Einleitung
Osteoporose ist eine chronische Skeletterkrankung, die durch Verminderung der Knochenmasse, eine Störung der Knochenmikroarchitektur und ein erhöhtes Frakturrisiko charakterisiert ist. Die Osteoporose gehört zu den 10 häufigsten Erkrankungen nach WHO [1]. Es wird angenommen, dass weltweit etwa 30 % der postmenopausalen Frauen an Osteoporose erkranken. Für Deutschland wird mit 4–7 Mio. Betroffenen gerechnet, wobei die exakte Prävalenz nicht bekannt ist.
Zur Senkung der Arzneimittelkosten haben die meisten KVen neben den Generikaquoten sogenannte DDD-Zielquoten festgelegt.
Im Gegensatz zu der Generika- und Me-too-Quote werden die DDD-Quoten nicht auf Basis der Kosten der Arzneimittel ermittelt, sondern auf der Basis definierter Tagesdosen (DDD). Die „defined daily doses“ (DDD) sind definiert als die angenommene mittlere Erhaltungsdosis für die Hauptindikation eines Arzneimittels bei Erwachsenen. Eine DDD ist keine Dosierungsempfehlung, sondern eine rechnerische Größe. Mit dem „Umrechnungsfaktor DDD“ können Arzneistoffmengen miteinander verglichen werden. Wollte man beispielsweise den Verbrauch der Schmerzmittel Diclofenac, Ibuprofen und Metamizol miteinander vergleichen, so würde man zunächst die Wirkstoffmengen (in Gramm) in DDD umrechnen. Als Umrechnungstabelle dient der amtliche Anatomisch-Therapeutisch-Chemische (ATC) Code, der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegeben wird [2].
Die Festlegung der DDD-Zielquote erfolgt jeweils für die gesamte Fachgruppe. In der KV Nordrhein gilt für Orthopäden für die Verordnung von Bisphos-phonaten zur Osteoporosetherapie eine DDD-Zielquote von 58 %. Für osteologische Praxen, die in der Regel ein spezielles Patientengut versorgen, existieren keine eigenen Generikaquoten. Aufgrund des speziellen Patientenguts osteologischer Praxen, bei denen u.U. eine Standardmedikation nicht ausreicht, sondern spezielle Therapieformen notwendig sein können, kann dies dazu führen, dass die DDD-Zielquoten – errechnet aus dem Durchschnitt aller Orthopäden unabhängig von deren Anteil an Osteoporosepatienten – verfehlt werden und entsprechende Sanktionierungen drohen.
Ziel der Arbeit war daher, das Verordnungsverhalten von Osteologen im Bereich der KV Nordrhein zu analysieren, um eine „Osteologen-spezifische“ DDD-Quote für die Verordnung von Bisphosphonaten zur Osteoporosetherapie abzubilden.
Methodik
2005 wurde ein Modell zur Integrierten Versorgung Osteoporose für die Region Aachen/Heinsberg initiiert. Hier konnte gezeigt werden, dass durch eine intensivierte multimodale Therapie der Osteoporose durch besonders qualifizierte Ärzte im Rahmen einer Integrierten Versorgung die Rate an Fragilitätsfraktur-assoziierten Krankenhauseinweisungen bei gleichzeitiger Kostenreduktion signifikant gesenkt werden konnte [3]. Das Modell wurde ab dem Jahr 2010 auf die Region Nordrhein ausgeweitet.
An der Integrierten Versorgung zur Therapie der Osteoporose in der Region Nordrhein mit den Krankenkassen AOK Rheinland/Hamburg, IKK classic und LKK als Vertragspartner nahmen insgesamt 283 niedergelassene Ärzte teil, 19 Krankenhäuser und eine Rehaeinrichtung. Unterteilt wurde in „Zuweiser“ und „Kernärzte“. Bei den Kernärzten handelte es sich um Ärzte mit besonderer Kenntnis von Knochenerkrankungen, die Weiterbildung zum Osteologen (DVO) war Voraussetzung. Zuweiser waren Hausärzte oder Fachärzte ohne spezielle Fachkenntnisse, die die potenziellen Patienten zur weiteren Abklärung zum Kernarzt überwiesen. Alle beteiligten Ärzte verpflichteten sich, die eingeschriebenen Patienten nach den aktuellen S3-Leitlinien zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose zu therapieren [1].
Im Rahmen der Integrierten Versorgung zur Therapie der Osteoporose wurden die Verordnungen der teilnehmenden Ärzte online erfasst. Die Verordnungen aller spezifischen Therapeutika wurden für das Jahr 2011 erfasst. Aus den Verordnungen wurde die jeweilige DDD errechnet.
Ergebnisse
Die Verordnungen von insgesamt 5.520 Patientinnen und Patienten mit einem Gesamtverordnungsvolumen von 1.420.232,39 Euro wurden ausgewertet. Insgesamt wurden aus 15.337 Verordnungen 1.367.949 DDD errechnet. Die verordneten DDD je Einzelsubstanz sowie der Anteil an der Gesamtverordnung sind in der Tabelle 1 dargestellt. Der Anteil der Bisphosphonate an allen Verordnungen spezifischer Therapeutika betrug 83,86 %.
Abbildung 1 zeigt den Anteil der DDD der verschiedenen Bisphosphonate. Die in osteologischen Praxen erreichte DDD-Quote für Bisphosphonate zur Osteoporosetherapie liegt mit 54 % knapp unter der geforderten Quote von 58 %. Der Anteil von Originalpräparaten (Fosamax, Fosavance) an allen Verordnungen von Alendronat betrug 7,6 %.
Diskussion
Bereits in der 2006 im Ärzteblatt veröffentlichten BoneEVA-Studie [4] zeigte sich, dass die Osteoporose in Deutschland sowohl unterdiagnostiziert als auch unzureichend therapiert ist. Auch wenn sich hinsichtlich der therapeutischen Versorgung in der nachfolgend erstellten BEST-Studie [5] tendenziell Besserungen zeigten, besteht weiterhin eine erhebliche Unterversorgung. Dies scheint vor allem für Patientinnen und Patienten mit schwerer Osteoporose und entsprechend hohem Frakturrisiko zu gelten. Die Gründe für diese erhebliche Unterversorgung mögen vielfältig sein und sind im Einzelnen nicht bekannt [6].
Seit 2003 existiert in Deutschland eine regelmäßig aktualisierte S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose [1]. In der aktuellen Version von 2009 sind die notwendigen Schritte zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose definiert. Die dennoch bestehende Unterversorgung der Osteoporose scheint auf Probleme in der praktischen Umsetzung hinzuweisen. Ursache hierfür könnte unter anderem der auf Vertragsärzte ausgeübte Druck bei Überschreitung des Arzneimittelbudgets sein. Praxen, die regelmäßig Patienten mit osteologischen Erkrankungen betreuen, vor allem Osteoporose, sind aufgrund der hohen Kosten einer spezifischen Therapie in der Regel nicht in der Lage, die fachgruppenspezifische Richtgröße für Orthopäden einzuhalten.
Die fachgruppenspezifische Richtgröße für Orthopäden betrug 2011 in der KV Nordrhein 16,90 Euro für Rentner pro Quartal. Allein die spezifische Therapie der Osteoporose kostet pro Quartal bei Verwendung generischer Präparate mindestens 45,00 Euro. Zudem haben osteologische Praxen in der Regel einen höheren Anteil an schwer einstellbaren Patienten, z.B. mit Unverträglichkeit oraler Bisphosphonate, die eine Umstellung etwa auf i.v-Bisphosphonate benötigen. Dies reduziert automatisch den Anteil oraler Bisphosphonate. Während eine spezifische Osteoporosetherapie in der KV Nordrhein über Sonderziffern entsprechend dokumentiert werden kann, besteht keine Möglichkeit, ein Abweichen von der aus Gründen der Wirtschaftlichkeit geforderten überwiegenden Verordnung von generikafähigen Substanzen zu dokumentieren, in diesem Fall Alendronat. Die vorliegenden Daten zeigen, dass Osteologen (DVO) soweit möglich wirtschaftlich verordnen. Im Generika-fähigen Bereich erfolgt auch hier die überwiegende Verordnung von Generika, die geforderte Generikaquote wird eingehalten. Dennoch kann der Durchschnitt der osteologischen Praxen die geforderte DDD-Zielquote nicht halten, auch wenn die Unterschreitung (54 % statt 58 %) nur geringfügig ist.
Da die Daten nur für Patienten der Integrierten Versorgung Osteoporose in der KV Nordrhein erhoben wurden, lassen sie keine Rückschlüsse auf das durchschnittliche Gesamtverordnungsvolumen von Osteologen zu.
Die vorliegenden Daten zeigen, dass Praxen mit osteologischem Schwer- punkt aufgrund des speziellen Patientengutes und der hieraus resultierenden differenzierten Therapieweise die geforderte DDD-Zielquote für Alendronat von 58 % für die KV Nordrhein nicht einhalten können. Die ermittelten und hier dargestellten Daten können im Falle einer Regressforderung für Osteologen unter Umständen als Vergleichsgruppe dienen. Für osteologische Schwerpunktzentren (DVO) liegen keine Daten vor. Hier dürfte das Verordnungsverhalten noch einmal mehr von der geforderten DDD-Zielquote abweichen.
Folgende Kollegen waren an der Arbeit beteiligt: P. Bartz-Bazzanella, R. Bläute, R. Borhofen, G. Hau, E. Kelter, R. Koehn, O. Lüke, A. Mauckner, E. Neisius, M. Söhling, R. Strich R, C. Wittig, S. Wöhlecke für die teilnehmenden Ärzte der Integrierten Versorgung Osteoporose Nordrhein.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Christopher Niedhart
Osteologisches Schwerpunktzentrum Heinsberg
Liecker Str. 23
52525 Heinsberg,
cniedhart@gmx.de
Literatur
1. Dachverband Osteologie. DVO-Leitlinie 2009 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose im Erwachsenenalter. www.dv-osteologie.org
2. Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2011, KV Nordrhein.
http://www.kvno.de/10praxis/40verordnungen/10arzneimittel/60am_verei11/ index. html
3. Eichhorn C, Münscher C, Bartz-Bazanella P et al.: Intensivierte multimodale Therapie senkt die Zahl von Krankenhauseinweisungen aufgrund osteoporoseassoziierter Frakturen signifikant. Evaluierte Ergebnisse der Integrierten Versorgung Osteoporose 2005–2007 im Raum Aachen. Osteologie 2011; 20: 143–148
4. Häussler B, Gothe H, Mangiapane S: Outpatient care for osteoporosis patients in Germany – results from the BoneEVA study [Versorgung von Osteoporose-Patienten in Deutschland – Ergebnisse der BoneEVA-Studie]. Dtsch Arztebl 2006; 103: A 2452–2458
5. www.iges.de/presse 07/Pressemel dungen_2011/Osteoporose/
Index_ger.html
6. Chenot R, Scheidt-Nave C, Gabler S et al.: German primary care doctors’ awareness of osteoporosis and knowledge of national guidelines. Exp Clin Endocrinol Diabetes 2007; 115: 584–9
Fussnoten
Osteologisches Schwerpunktzentrum Heinsberg
Osteologisches Schwerpunktzentrum Aachen
DOI 10.3238/oup.2013.0129–0131