Arzt und Recht - OUP 09/2013
Strafrechtliches Verfahren und Approbation
Die Bezirksregierung hatte das Ruhen der Approbation des Arztes wegen der Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Arzt unter sofortiger Vollziehung angeordnet. Gegen diese Anordnung erhob der Arzt Klage beim Verwaltungsgericht und stellte zudem den Antrag, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben, äußerst hilfsweise die sofortige Vollziehung auszusetzen.
Aus den Gründen
Der Antrag des Arztes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in der Sache unbegründet:
Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten des Arztes aus, weil bei summarischer Prüfung derzeit alles dafür spreche, dass seine Klage gegen die Anordnung des Ruhens seiner Approbation als Arzt erfolglos bleiben wird, und weil das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit höher zu bewerten sei als das Interesse des Antragstellers daran, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben.
Die Anordnung des Ruhens der Approbation sei materiell rechtmäßig. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung (BÄO). Hiernach kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage seien erfüllt.
Gegen den Arzt sei ein Strafverfahren eingeleitet worden. Hierfür genüge ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, das als erster Verfahrensabschnitt Teil des Strafverfahrens ist. Es sei nicht erforderlich, dass bereits Anklage erhoben ist.
Allerdings würden sich vielfach erst mit der Anklageerhebung hinreichende Umstände dafür ergeben, dass die Ruhensanordnung gerechtfertigt ist. Deshalb habe die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob sie das Ruhen der Approbation bereits in einem verhältnismäßig frühen Stadium des Strafverfahrens ausspricht oder ob sie zunächst weitere Ermittlungen und deren Ergebnisse und ggf. sogar die Anklageerhebung abwartet (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.07.2007, Az. 13 B 929/07).
An der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung der Einleitung eines Strafverfahrens ändere dies nichts. Bei der Anordnung des Ruhens der Approbation handele es sich um eine vorübergehende Maßnahme, die dazu bestimmt sei, in unklaren Fällen oder Eilfällen einem Arzt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz von Patienten geboten ist. Sie erfasse insbesondere die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht endgültig feststeht. Dementsprechend sei die Anordnung des Ruhens der Approbation, wenn sie den ihr zugedachten Zweck einer Präventivmaßnahme zur Abwehr von Gefahren für einen unbestimmten Patientenkreis und damit zum Schutz der Allgemeinheit erfüllen soll, von ihrer Natur her insofern auf einen schnellen Vollzug angelegt, als es sich um eine vorläufige Berufsuntersagung und um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die nach § 6 Abs. 2 BÄO aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Ruhensanordnung mit den begrenzten Auswirkungen in zeitlicher Hinsicht diene letztlich dem Schutz einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, bei der es sich um ein hochrangiges Gut der Allgemeinheit handelt, und speziell dem Schutz der Patienten/Patientinnen vor einem Tätigwerden von Personen, deren Eignung zur Ausübung des Arztberufs zweifelhaft (geworden) ist. Der Schutz des Gesundheitssystems und letztlich der Patienten und die diesen Schutz bezweckende Anordnung des Ruhens der Approbation rechtfertigten es demnach auch, die Ruhensanordnung kurzfristig wirksam werden zu lassen, um so ihrem Charakter als Präventivmaßnahme schnellstmöglich gerecht zu werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 13 B 228/12 = ArztR 2012, 144).
Damit wäre es nicht vereinbar, wenn eine Ruhensanordnung erst ausgesprochen werden könnte, wenn im Strafverfahren bereits Anklage erhoben ist.
Aus den Straftaten, derer der Arzt verdächtig ist, könne sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben. Es bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller sich nach Strafgesetzbuch in zahlreichen Fällen strafbar gemacht hat.
Unwürdigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO liege vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar erforderlich ist. Diese Definition knüpfe die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt. Dieser Entziehungstatbestand stelle nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend sei vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 28.01.2003, Az. 3 B 149/02 und vom 14.04.1998, Az. 3 B 95/97).
Eine Unzuverlässigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO sei dann zu bejahen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Abzustellen sei für die somit anzustellende Prognose auf die jeweilige Situation des Arztes im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, sowie auf seinen vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordenen Charakter. Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit sei die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.1997, Az. 3 C 12/95 = ArztR 1998, 200).