Übersichtsarbeiten - OUP 05/2020

Subgruppenspezifische Psychotherapie in der Behandlung von chronischen Schmerz- und Funktionserkrankungen

Auch bei vielen Behandlern, insbesondere bei Hausärzten und Orthopäden, die in der Regel die erste Anlaufstelle für Patienten darstellen, liegt der Fokus vorrangig auf somatischen Faktoren. In der Folge werden auch fehlindizierte Medikamente verschrieben, die eine Symptomlinderung erzielen sollen. Der ausbleibende Erfolg führt sowohl auf Patientenseite als auch auf Seite des Behandlers zu Rat- und Hilflosigkeit. Nicht selten wird die Dosis der Medikamente erhöht oder ein neues verschrieben, das (höchstwahrscheinlich) ebenfalls nicht zum gewünschten Resultat führt und das Abhängigkeitsrisiko erhöht. Wenn die chronische Schmerzstörung ausschließlich mit Medikamenten behandelt wird, werden die sozialen und psychischen Aspekte, die einen wesentlichen Anteil der chronischen Schmerzstörung ausmachen (können), nicht berücksichtigt und es kann keine adäquate Behandlung stattfinden.

Die Therapie von Medikamentenmissbrauch bzw. -abhängigkeit erfordert ein multiprofessionell interdisziplinär arbeitendes Team. Beendigung, Reduktion oder Umstellung der Medikamenteneinnahme sowie die Erhöhung der internalen Kontrollüberzeugungen können mögliche Ziele in der Behandlung darstellen [18].

Chronischer Schmerz und Persönlichkeitsstörungen

In einer Studie von Fischer-Kern et al. [7] mit 48 Schmerzpatienten konnte gezeigt werden, dass 68 % der Probanden eine Persönlichkeitsstörung aufwiesen. Neben der histrionischen, dependenten und paranoiden ließ sich die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) als häufigste komorbide Störung beim chronischen Schmerzsyndrom feststellen. Eine Vielzahl der BPS Patienten haben traumatische Erfahrung in der Vergangenheit. Bei 70–80 % lässt sich selbstverletzendes Verhalten beobachten. Auch in Untersuchungen konnte gezeigt werden, das BPS Patienten eine Schmerzdesensibilisierung aufweisen [13, 25]. Ursächlich für die reduzierte Schmerzwahrnehmung ist eine Störung der affektiven Schmerzverarbeitung. Die Gruppe der Borderline Patienten ist sehr heterogen. Dennoch ist zu beachten, dass, verglichen zu den anderen Subgruppen, bei Borderline Patienten nicht das Ziel besteht, die individuelle Schmerzschwelle zu erhöhen. Vielmehr sollte der Umgang mit psychischen Belastungen und die Integration von Affekten im Fokus der Behandlung stehen [13].

Fazit

Häufig besteht eine psychische Komorbidität bei chronischem Schmerz, die in der Therapieplanung berücksichtigt werden sollte, um einen langfristigen Behandlungserfolg zu erzielen.

Eine psychotherapeutische Subgruppendifferenzierung ist Grundlage für eine individuelle Behandlung.

Edukation ist wichtiger Bestandteil der Behandlung bei allen
Patienten mit chronischen Schmerzen.

Edukationsinhalte können
patientengruppenbezogen
spezifiziert werden.

Unterschiedliche psychotherapeutische Verfahren fokussieren verschiedene Zielstellungen.

Die Auswahl der psychotherapeutischen Interventionen sollte,
unter Berücksichtigung der
ätiologischen Faktoren, Mechanismen-basiert erfolgen.

Die Behandlung sollte transparent sein, um die Compliance des
Patienten zu erhöhen.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

Jane Henny Schulz

Westmecklenburg Klinikum
Helene von Bülow

Parkstraße 12

19230 Hagenow

Janehenny.schulz@web.de

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