Originalarbeiten - OUP 12/2013

Übergangsfrakturen – Nomenklatur, Diagnostik und Therapie
Sprunggelenkfrakturen im JugendalterFractures the ankle joints in adolescents

D. Schneidmüller1, I. Marzi2, V. Bühren1

Zusammenfassung: Die Übergangsfraktur ist eine besondere Frakturform der epiphysären Verletzungen zum Zeitpunkt des Wachstumsfugenverschlusses. Durch teilweise Verknöcherung der Wachstumsfuge entstehen spezifische Frakturmuster, die sich von der typischen Innenknöchelfraktur bei noch weit offenen Fugen unterscheiden. Abhängig von der Zahl der Fragmente wird zwischen den sog. Twoplane- und Triplane-I bzw. II-Frakturen unterschieden. Diagnostisch steht das konventionelle Röntgenbild im Vordergrund, das bei Verdacht auf eine Übergangsfraktur durch eine Schnittbildgebung sinnvoll ergänzt werden kann. Ziel der Therapie ist eine anatomische Gelenkrekonstruktion, um eine Früharthrose zu vermeiden.

Schlüsselwörter: Übergangsfraktur, Sprunggelenksfrakturen, Adoleszent, Twoplane, Triplane

Zitierweise

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlags:
D. Schneidmüller, I. Marzi, V. Bühren: Sprunggelenkfrakturen im
Jugendalter. Übergangsfrakturen – Nomenklatur, Diagnostik und Therapie. Orthopädie & Rheuma, 2013; 5: 42–44

Abstract: Transitional fractures represent a special fracture type during closure of the growth plates in adolescents. This leads to a change of the fracture pattern comparing to fractures with wide open physis (Salter and Harris I-IV). Depending on the number of fragments, a distinction is made between the so-called twoplane and triplane I and II fractures. Although conventional X-rays remains generally the first radiographic modality used technique for detecting ankle fractures, patients with transitional fractures seem to benefit from an additional cross-sectional image, which includes CT or MRI. To avoid late complications as osteoarthritis, an anatomically reconstruction of the articular suface should be achieved.

Keywords: transitional fracture,ankle joint, physeal fracture, adolescence, twoplane, triplane

Citation

Reprint with kind permission of Springer publishing company:
D. Schneidmüller, I. Marzi, V. Bühren: Sprunggelenkfrakturen im
Jugendalter. Übergangsfrakturen – Nomenklatur, Diagnostik und
Therapie. Orthopädie & Rheuma, 2013; 5: 42–44

Durch humerale und hormonelle Veränderungen kommt es, abhängig von der Lokalisation in einem jeweils spezifischen Alter, zu einem langsamen Verschluss der Wachstumsfugen. Dies bedingt eine Veränderung des Frakturverlaufs. Einwirkende Kräfte werden durch den bereits mineralisierten Anteil der Fugen abgelenkt, sodass ein anderes Frakturmuster im Vergleich zu Frakturen mit weit offenen Fugen entsteht – die sogenannte Übergangsfraktur. Diese kann grundsätzlich an allen Lokalisationen mit Wachstumsfugen vorkommen. Am häufigsten wird sie jedoch am Sprunggelenk beobachtet, auf das sich auch dieser Beitrag fokussiert. Einzelbeschreibungen findet man ebenfalls für den distalen Radius und die proximale Tibia.

Frakturmorphologie

Die Übergangsfraktur am Sprunggelenk macht etwa einen Anteil von 11 % aller Frakturen der distalen Tibia aus. Abhängig vom Reifezustand des Kindes beginnt etwa ab dem 10. Lebensjahr der langsame Verschluss der Wachstumsfuge, der sich über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten [1, 2] hinzieht. Die Mineralisation beginnt von medial und setzt sich nach lateral fort, wobei der anterolaterale Fugenbereich zuletzt verknöchert. Durch eine Veränderung des Frakturverlaufs kommt es zu einer epiphysären Fraktur im Verlauf der Grenzzone des Mineralisationsvorgangs. Damit hängt das morphologische Erscheinungsbild der Fraktur weniger vom Unfallmechanismus ab, als viel mehr vom Reifezustand der Wachstumsfuge. Entsprechend dem Grad der Mineralisation liegt die Fraktur umso weiter lateral, je weiter der Fugenverschluss fortgeschritten ist. Abhängig von der Lokalisation der Verletzung in Bezug auf die Wachstumsfuge, kann eine weitere Differenzierung in verschiedene Frakturtypen vorgenommen werden [3, 4]. Handelt es sich um eine rein ventrolaterale epiphysäre Fraktur im Grenzzonenverlauf, so spricht man von einer Twoplane-Fraktur (Abb. 1). Dem Verlauf der Mineralisation entsprechend, kommt es kurz vor Wachstumsabschluss lediglich zum Ausbrechen eines kleinen anterolateralen epiphysären Fragments im Sinne eines knöchernen Syndesmosenausrisses. Diese Sonderform der Twoplane-Fraktur wird nach ihrem Erstbeschreiber auch als Tillaux-Fraktur bezeichnet (Abb. 4). Wirken bei dem Trauma auch Torsionskräfte auf den Knochen ein, kann zusätzlich eine dorsale Fraktur entstehen, entsprechend einem hinteren Volkmann-Dreieck bei Erwachsenen. Handelt es sich um einen rein metaphysären Keil, so spricht man von einer Triplane-I-Fraktur oder Triplane-Two-Part-Fraktur (Abb. 2). Verläuft diese dorsale Fraktur durch Metaphyse, Fuge und Epiphyse hindurch, wird sie als Triplane-II-Fraktur oder auch Triplane-three-part-Fraktur bezeichnet (Abb. 3).

Diagnostik

Aufgrund des stereotypen Frakturverlaufs ist die Übergangsfraktur meist bereits im konventionellen Röntgenbild diagnostizierbar. Für die genaue Klassifikation der Fraktur (Twoplane, Triplane I oder II) ist jedoch oft eine Schnittbildgebung erforderlich. Mithilfe einer dreidimensionalen Darstellung lassen sich der genaue Frakturverlauf sowie auch das Dislokationsausmaß genau beurteilen, was für die spezifische Therapieplanung wichtig ist (Abb. 3). Dieser Vorteil der Schnittbildgebung wird in unterschiedlichen Publikationen verifiziert [5, 6]. Vergleichende Untersuchungen zwischen der Magnetresonanztomografie (MRT) und der Computertomografie (CT) existieren unseres Wissens nicht. Grundsätzlich lässt sich das Dislokationsausmaß in der CT meist genauer beurteilen, wohingegen die MRT den Vorteil der Strahlenfreiheit sowie der Möglichkeit der Darstellung von Knorpel und Weichteilgewebe hat.

Therapie

Therapeutisch gelten für Übergangsfrakturen die Richtlinien einer jeden Gelenkfraktur. Gelenkstufen oder Frakturdehiszenzen von mehr als 2 mm sollten zur Vermeidung einer Gelenkinkongruenz mit nachfolgender Arthrosegefahr nicht belassen werden [7, 8, 9]. Nicht dislozierte Frakturen können konservativ im Unterschenkelgips für 4–6 Wochen therapiert werden [10].

Dislozierte Frakturen sollte man in Allgemeinanästhesie anatomisch rekonstruieren. Die Art der Reposition wird kontrovers diskutiert. Während einige Autoren eine geschlossene Reposition und Verschraubung als adäquat erachten [9, 11], sehen andere immer die Indikation zu einem offenen, eventuell auch arthroskopischen Vorgehen gegeben, um eine stufenfreie anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche sicherzustellen [4]. Unserer Meinung nach kann eine wenig dislozierte Fraktur zu Beginn des Fugenschlusses ähnlich der Salter- und Harris-III/IV-Fraktur gegebenenfalls geschlossen reponiert und verschraubt werden. Die Frakturen weit ventrolateral kurz vor Ende des Fugenschlusses lassen sich jedoch häufig aufgrund des herausgedrehten Fragments schlecht geschlossen reponieren. In solchen Fällen setzen wir eine kleine Inzision über der Frakturregion, um den Repositionserfolg zu kontrollieren (Abb. 4). Im Zweifel sollte im Sinne der Gelenkrekonstruktion immer auf ein offenes Vorgehen gewechselt werden.

SEITE: 1 | 2