Übersichtsarbeiten - OUP 11/2016

Ursachen für das Versagen intramedullärer Osteosynthesen bei proximalen Femurfrakturen

Christian von Rüden1,2,3, Oliver Trapp1,2, Peter Augat2,3

Zusammenfassung: Das Versagen eines cephalomedullären Nagels zur Stabilisierung trochantärer und subtrochantärer Femurfrakturen stellt eine schwerwiegende Komplikation dar, die grundsätzlich immer auch ein Hinweis auf eine verzögerte Knochenheilung bzw. Pseudarthrose sein kann. Die Ergebnisse unseres eigenen Patientenguts zeigen, dass die Revision gute klinische und radiologische Resultate hervorbringt. Ursächlich für den Misserfolg der cephalomedullären Nagelsysteme ist häufig eine unzureichende chirurgische Technik. Daher sind die sorgfältige präoperative Planung, die umfangreiche Erfahrung des Operateurs, die korrekte Frakturklassifikation, die Auswahl des richtigen Patienten und Implantats sowie eine präzise Operationstechnik mit anatomischer Frakturreposition und Konzentration auch auf Details entscheidend für den operativen Erfolg.

Schlüsselwörter: cephalomedullärer Nagel, Femur, trochantäre Femurfraktur, subtrochantäre Femurfraktur, Implantatversagen

Zitierweise

von Rüden C, Trapp O, Augat P: Ursachen für das Versagen intramedullärer Osteosynthesen bei proximalen Femurfrakturen.
OUP 2016; 11: 628–632 DOI 10.3238/oup.2016.0628–0632

Summary: Failure of cephalomedullary nail fixation is a major complication in the treatment of trochanteric and
subtrochanteric fractures. Nevertheless, the evaluation of our patient database demonstrates that revision surgery provides good functional and radiological outcome. Cephalomedullary nail failures often result from inadequate treatment
including insufficient planning and imperfect surgical performance. Therefore, application of the nail requires precise preoperative planning, advanced surgical experience to evaluate the patient as well as the fracture classification, and accurate operative technique with attention to detail and anatomical reduction of the fracture components.

Keywords: cephalomedullary nail, femur, trochanteric femoral fracture, subtrochanteric femoral fracture, implant failure

Citation

von Rüden C, Trapp O, Augat P: Reasons for failure of intramedullary fracture fixation in proximal femoral fractures.
OUP 2016; 11: 628–632 DOI 10.3238/oup.2016.0628–0632

Einleitung

Hüftgelenknahe Frakturen sind typische Frakturen des älteren Menschen. Die ältere Population nimmt deutlich zu und dieser Umstand macht die sorgfältige Behandlung dieser Frakturen außerordentlich wichtig. Diese älteren Patienten zu behandeln und sich um sie zu kümmern, ist für den Unfallchirurgen und das Krankenhausteam sowie global gesehen für das gesamte Gesundheitssystem eine außerordentliche Herausforderung vor allem durch die Vielzahl der meist vorhandenen Nebenerkrankungen. In vielen Fällen ist eine erfolgreiche Knochenbruchbehandlung mit dem Ziel einer schnellen Rehabilitation entscheidend für das Überleben des Patienten. Die Wiedererlangung der Funktion und die knöcherne Heilung erfordern eine biomechanisch stabile interne Fixation. Der Operateur muss damit rechnen, dass der Patient keine Teilbelastung einhalten kann, weshalb die Osteosynthese eine sofortige Vollbelastung aushalten muss. Obwohl die heute verfügbaren Osteosynthesematerialien so designt sind, dass sie eine direkte Vollbelastung erlauben, lässt der Knochen des älteren Patienten oft die notwendige mechanische Stabilität für eine sichere Verankerung von Platten, Schrauben und Nägeln vermissen. Der altersbedingte Verlust von Knochensubstanz infolge von Erkrankungen wie Osteoporose verringert die Fähigkeit des Knochens, erhöhten Belastungen standzuhalten [1].

Dieses Manuskript soll einen Überblick geben, wie durch Alter und Osteoporose bedingte Veränderungen, aber auch Anwenderfehler im gesunden, jüngeren Knochen die Stabilität von intramedullären Osteosynthesen bei hüftgelenknahen Frakturen aus biomechanischer und klinischer Sicht verändern.

Mechanische Eigenschaften des osteoporotischen
Knochens

Die Fähigkeit des Knochens, alltäglichen Belastungen zu widerstehen, ohne eine Fraktur zu erleiden, hängt von der Menge an Knochenmasse, von seiner Raumverteilung und von den intrinsischen Materialeigenschaften des Knochengewebes ab [2]. Wenn man Grundsätze des Ingenieurwesens anlegt, können diese Faktoren genutzt werden, um mit relativ hoher Genauigkeit die Belastung voraussagen zu können, bei der ein Knochen bricht [3, 4]. Allerdings hängt die Belastung, bei der ein Knochen gewisser Stärke bricht, von der Art und Weise der Lasteinleitung ab. Am proximalen Femur tritt eine Fraktur bei deutlich niedrigeren Belastungen auf, wenn der Belastungsmechanismus in einem seitlichen Sturz auf den Trochanter major besteht, als bei der Belastung des Femurkopfs unter einer axialen Lasteinleitung [4]. Um das Frakturrisiko einzuschätzen, wurde das Konzept des sog. Risikofaktors eingeführt. Dieser Risikofaktor kann als das Verhältnis aus eingeleiteter Last und der Last, unter der der Knochen bricht, bezeichnet werden [5].

In einem osteoporotischen Knochen ist die Knochenmasse reduziert und die Mikroarchitektur des Knochens geschwächt, was zu einer erhöhten Knochenbrüchigkeit und zu einem deutlich erhöhten Frakturrisiko führt [6]. Die Verminderung der Knochenmasse resultiert hauptsächlich aus einer reduzierten Knochenresorption und ausbleibender Knochenneubildung, was zu einer negativen Balance des sog. Remodellings führt [7]. Intrinsische Veränderungen umfassen Veränderungen von Knochenbausteinen wie die Verteilung der Mineralisation, des Kollagengehalts und des Quervernetzungsprofils der inter- und intrafibrillären Kollagenverbindungen [8, 9].

Alterung und Osteoporose beeinflussen die elastischen Eigenschaften genauso wie die Stärke des Knochens. Die elastischen Eigenschaften beschreiben die Deformierung, die unter Belastung auftritt, bevor der Knochen bricht (Knochensteifigkeit), während die Knochenstärke die Belastung zu dem Zeitpunkt ist, an dem der Knochen tatsächlich bricht (Kraft pro Flächeneinheit). Im kortikalen Knochen nimmt die Steifigkeit pro Lebensjahrzehnt um 1–2 % und die Knochenstärke um 2–5 % ab [10]. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Energie, die zum Bruch eines Knochens notwendig ist, ab dem Alter von 35 Jahren um etwa 10 % pro Lebensdekade abnimmt [5, 11]. Im Alter von 80 Jahren ist die Knochenstärke des proximalen Femurs im Vergleich zum jugendlichen Alter um mehr als 50 % reduziert [12]. Weiter ist zu berücksichtigen, dass beim älteren Patienten die Elastizität des Weichteilgewebes und die Koordinationsfähigkeit abnehmen und zu einem erhöhten Sturzrisiko und zu einer verminderten Fähigkeit zur Sturzvermeidung führen [13].

Prinzipien der Osteosynthese am proximalen Femur

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5