Übersichtsarbeiten - OUP 12/2015
Ventrale thorakoskopische Spondylodese zur Behandlung von Frakturen im thorakolumbalen Übergang
Die Operation kann prinzipiell in Seitlage oder Bauchlage durchgeführt werden, am meisten verbreitet ist allerdings die Seitlage, die auch in der eigenen Vorgehensweise favorisiert wird [8, 22]. Im Bereich von T8/9 bis L2 erfolgt eine Rechts-Seit-Lagerung, der Zugang erfolgt von links. Oberhalb von T8/9 muss die besondere anatomische Nähe und Verlaufsform der Aorta berücksichtigt und daher regelhaft von rechts zugegangen werden [1, 4, 8, 22].
Das Zwerchfell inseriert etwa auf Höhe T12/L1. Insofern ist für eine Versorgung im Bereich T12 bis L2 ein Zwerchfellsplit durchzuführen [1, 8, 11].
OP-Saal-Set-up
Die Vorbereitung von Seiten der Anästhesie umfasst neben venösen Verweilkanülen, Doppellumentubus und Blasenkatheter in Abhängigkeit des Allgemeinzustands auch zentralvenöse und arterielle Zugänge. Der Patient wird in Seitlage gebracht, wobei vorteilhaft eine Vakuummatratze zur Anwendung kommt. Die Auslagerung der Arme ohne Zug an den Schultern ist wichtig, um eine Plexusirritation zu vermeiden. Unter BV-Kontrolle wird das Zugangsgebiet angezeichnet. Zugleich wird kontrolliert, ob die Durchleuchtung in beiden Ebenen problemlos möglich ist [1, 3, 8].
Es werden 3 Zugänge von jeweils 1,5 cm sowie ein Arbeitszugang, über den auch die Implantate eingebracht werden, von 3–4 cm Länge benötigt. Die Platzierung variiert in Abhängigkeit von den individuellen Wünschen des Operateurs. Der erste Trokar wird klassisch platziert, alle weiteren werden unter thorakoskopischer Kontrolle gesetzt. Der Doppellumentubus ermöglicht das kontrollierte Kollabieren der Lunge auf der Zugangsseite. Mit einem ausfahrbaren Spreizer können Lunge oder Zwerchfell bei Bedarf beiseite gehalten bzw. angespannt werden. Für den ab Höhe L1/L2 regelhaft erforderlichen Zwerchfellsplit hat sich der Einsatz des Ultraschallmessers bewährt, das Zwerchfell ist auf dem Rückweg unbedingt wieder zu verschließen [1, 3, 8, 11].
Unter BV-Kontrolle werden die zu instrumentierenden Wirbelkörper aufgesucht. Je ein Kirschner-Draht wird kranial und kaudal gesetzt, wodurch bei der weiteren Präparation die Orientierung deutlich erleichtert wird. Die Segmentgefäße sind bei Bedarf zu koagulieren, alternativ nach Setzen von Clips zu durchtrennen. Die Bandscheibe wird scharf am gesunden Wirbelkörper abgetrennt, der betroffene Wirbelkörper wird mit dem Meißel präpariert. Wirbelkörper- und Bandscheibenreste werden unter wechselweiser Verwendung von Rangeur, Stanze, Kürette und Meißel entfernt. Verwertbare Knochenanteile werden backtable in einer Knochenmühle zur Spongiosaplastik vorbereitet und im Anschluss an die Instrumentierung lateral angelagert. Zum Abschluss wird eine Thoraxdrainage eingelegt, die Lunge gebläht – dies alles noch unter Sicht und Kontrolle des Thorakoskops [1, 3, 8, 11].
Wirbelkörperersatz
Aufgrund der Spanentnahmemorbiditäten werden im eigenen Vorgehen nur noch Cages verwendet, solide bei monosegmentalen und expandierbare bei bisegmentalen Spondylodesen. Die expandierbaren Cages können sich gegen den dorsalen Fixateur interne verspannen und benötigen bei guter Knochenqualität keine weitere Fixierung ventral [14, 17]. Bei monosegmentalen Spondylodesen erfolgt ventral prinzipiell die Kombination mit einer winkelstabilen Platte (MACS). Der dorsal eingebrachte bisegmentale Fixateur kann dann frühzeitig entfernt und die unverletzte Bandscheibe freigegeben werden. Bei rein ventralem Vorgehen ist grundsätzlich eine Kombination des Cages mit einem winkelstabilen Plattensystem zu fordern. Weiterhin muss in diesen Fällen im Vorfeld eine Verletzung der dorsalen Strukturen mittels MRT ausgeschlossen werden [5, 20].
Therapeutischer Algorithmus
Die dorsale Instrumentierung dient der Reposition und Stabilisierung. Im eigenen Vorgehen erfolgt dies regelhaft in perkutaner Technik, zur Reposition werden spezielle Repositionstools eingesetzt. Der Einsatz der Navigation kann die Strahlenbelastung für das OP-Team signifikant reduzieren, die intraoperative 3D-Kontrolle schließt fehlplazierte Schrauben praktisch aus [7]. Die Entscheidung, ob und in welcher Form die ventrale Säule zu rekonstruieren ist, hängt vom Typ der A-Komponente ab sowie vom Destruktionsgrad der Wirbelsäule (McCormack Klassifikation, 16) und der Bandscheiben. Auch Aktivität, biologisches Alter und Knochenqualität des Patienten spielen eine wesentliche Rolle.
Komplette Berstungsbrüche und Kneifzangenbrüche erfordern nicht zuletzt aufgrund der Bandscheibendestruktion meist eine bisegmentale Spondylodese. Bei inkomplettem Berstungsbruch mit guter Substanz im Grundplattenbereich (McCormack-Klassifikation, 16) kann monosegmental vorgegangen werden. Gleiches gilt bei guter Knochenqualität auch für Berstungsspaltbrüche, wenn die angrenzende Bandscheibe keine Hinweise auf eine Destruktion zeigt [6, 8, 10, 12, 13].
Ventrale Spondylodese
bei älteren Patienten
Aufgrund der gesteigerten Aktivitätslevel und Ansprüche der Älteren einerseits und der aufgrund der minimalinvasiven Technik verminderten Zugangsmorbidität andererseits kann auch dem Patienten der 7. und 8. Lebensdekade die Rekonstruktion der ventralen Säule angeboten werden. Die Ergebnisse sind bei guter Indikationsstellung absolut vergleichbar mit denen bei den jüngeren Patienten [9].
Eigene Ergebnisse
In einem 2-Jahres-Zeitraum 2012/2013 wurden in der BGU Murnau 618 Frakturen an der BWS und LWS operativ versorgt. Davon entfielen 374 auf den thorakolumbalen Übergangsbereich. Es erfolgten insgesamt 184 ventrale thorakoskopische Spondylodesen, davon 24 isoliert ventrale Versorgungen. In 160 Fällen wurde kombiniert dorsoventral vorgegangen. Im hier dargestellten Zeitraum erfolgten die ventralen Spondylodesen zu 57 % monosegmental, dabei ist in den letzten Jahren ein deutlich zunehmender Anteil der monosegmentalen Spondylodesen zu verzeichnen. Dies scheint im wesentlichen auf die guten Einheilungsergebnisse der soliden Cages im Vergleich zu den früher verwendeten Knochenspäne zurückzuführen zu sein. Die Patienten waren im Mittel 49 (17–75) Jahre alt und überwiegend Männer (64 %).
Diskussion
Im Rahmen der Versorgung von Frakturen der thorakolumbalen Region spielt die Rekonstruktion der ventralen Säule durch belastungsstabile Spondylodesen im deutschen Sprachraum eine zunehmende Bedeutung. Ein wesentlicher Aspekt für diese Tendenz wurde durch die Entwicklung von minimalinvasiven ventralen Zugängen geliefert [18, 19].