Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018
Vor- und Nachbehandlung im Kontext knorpelregenerativer Operationen am Kniegelenk
Anja Hirschmüller1, 2, Wolfgang Schoch3
Zusammenfassung: Die Betreuung von Patienten mit Knorpelschäden über den operativen Eingriff hinaus bis zur Reintegration in den Alltag und die sportliche Tätigkeit hat vor dem Hintergrund der hohen Komplexizität der Pathologien einen besonders hohen Stellenwert. Anders als bei anderen operativen Verfahren wie z.B. Gelenkersatzoperationen, steht hier nicht nur die funktionelle Wiederherstellung des Gelenks im Vordergrund, sondern biologische Aspekte, da mit Ausnahme der osteochondralen Transplantation alle alternativen Verfahren durch einen „In-situ-Regenerationsprozess“ charakterisiert sind, bei dem sich das regenerierte Knorpelgewebe erst in den Wochen und Monaten nach der Operation ausbildet. So spielen neben den Aspekten der Gelenkfunktion auch weitere wichtige Aspekte, z.B. der Schutz des Transplantats, das Schaffen eines optimalen Gelenkmilieus zur Verbesserung der Knorpelregenerationsfähigkeit und die stufenweise Anpassung der Belastungen zur Stimulation der Regeneratbildung eine entscheidende Rolle. Auch wenn diese Aspekte bereits in den vorausgehenden Publikationen in den Vordergrund gestellt wurden und als essenzieller Bestandteil der knorpelregenerativen Chirurgie anerkannt sind, hat sich gerade der Bereich der perioperativen Begleitung von Patienten, die auch eine optimale Vorbereitung des Patienten auf die Operation einschließen sollte, in den letzten Jahren deutlich professionalisiert und weiterentwickelt.
Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über verschiedene Aspekte im Kontext der Vor- und Nachbehandlung nach knorpelregenerativen Eingriffen bieten.
Schlüsselwörter: Rehabilitation, Prehabilitation, Knorpelschaden, Knie, Gelenkfunktion
Zitierweise
Hirschmüller A, Schoch W: Vor- und Nachbehandlung im Kontext knorpelregenerativer Operationen am Kniegelenk.
OUP 2018; 7: 615–619 DOI 10.3238/oup.2018.0615–0619
Summary: The care of patients with cartilage defects who undergo surgical intervention from the preoperative phase to the reintegration into everyday life and physical activity has a particularly high priority against the background of the high complexity of the pathologies. Unlike other surgical procedures, (e.g. joint replacement) surgery not only focuses on the functional restoration of the joint, but also on biological aspects, since all alternative procedures – with the exception of osteochondral transplantation – are characterized by an „in situ regeneration process“ in which the regenerated cartilage tissue does not develop until the weeks and months following the surgery. In addition to the aspects of joint function, other important aspects, such as protecting the graft, creating optimal joint milieu to improve cartilage repair capability and gradually adjusting the loads to stimulate regeneration are crucial. Although these aspects have already been emphasized in the previous publications and are recognized as an essential part of cartilage repair surgery, the area of perioperative monitoring of patients, which should also include optimal preparation of the patient for the intervention, has been included in the clearly professionalized and further developed in recent years.
This article aims to provide an overview of various aspects in the context of pre- and post-treatment following cartilage-regenerative interventions.
Keywords: rehabilitation, prehabilitation, cartilage defects, knee joint, joint function
Citation
Hirschmüller A, Schoch W: Pre- and rehabilitation of patients with surgical treatment of cartilage defects of the knee.
OUP 2018; 7: 615–619 DOI 10.3238/oup.2018.0615–0619
1 ALTIUS Swiss Sportmed Center, Rheinfelden, CH
2 Universitätsklinikum Freiburg, Department Chirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
3 PULZ im Rieselfeld, Freiburg
Allgemeiner Stellenwert der „Prähabilitation“
Unter „Prähabilitation“ wird im Zusammenhang chirurgischer Eingriffe eine optimale Vorbereitung des Patienten auf die Operation mit dem Ziel der Verbesserung des postoperativen Ergebnisses verstanden. Initial entstand das Konzept im Kontext viszeralchirurgisch-onkologischer Operationen, bei denen die Morbidität der Patienten sicherlich höher anzusehen ist als bei orthopädisch-traumatologischen Eingriffen. In zahlreichen Studien zu Trainingsinterventionen vor onkologischen Therapien wurden verringerte Komplikationsraten, schnellere Regenerationsphasen und eine reduzierte Krankenhausverweildauer berichtet [1].
Unter Berücksichtigung des Stellenwerts der körperlichen Fitness als Prädiktor für das chirurgische Ergebnis geht man derzeit davon aus, dass die funktionelle Kapazität vor komplexen viszeralchirurgischen Operationen maximal gesteigert werden sollte, um der bevorstehenden Operation mit einem höheren Ausgangsniveau entgegenzutreten und das Risiko von postoperativen Komplikationen zu minimieren.
In der Folge wurde dieses Konzept der Prähabilitation auf orthopädische Operationen (in erster Linie Endoprothesenimplantationen) übertragen, wobei hier das Ziel nicht primär eine Reduktion der Mortalität darstellt, sondern eine Verbesserung des funktionellen Operationsergebnisses. Zu den diversen Aspekten, die durch eine optimale physische Vorbereitung des Patienten positiv adressiert werden könnten, zählen sowohl die perioperative Morbidität und Mortalität, die sich u.a. an der Dauer des Aufenthalts auf der Intensiv- und Normalstation und der perioperativen Komplikationsrate messen lassen als auch mittel- und langfristige Faktoren wie die Patientenzufriedenheit, die Dauer der Rehabilitation, das Ausmaß der Funktionsdefizite und die Gesamtmortalität [2].
Die Wartezeit bis zur Operation zu nutzen, erscheint darüber hinaus vor dem Hintergrund sinnvoll, dass ein für den Patienten einschneidendes Ereignis im Leben einen sog. „teachable moment“ darstellt, der für Lebensstilinterventionen genutzt werden kann und den Patienten so einen gesünderen Lebensstil und eine bessere physischen Fitness ermöglichen kann [2]. Ein letzter wichtiger Aspekt des Prähabilitationskonzepts ist, dass der Patient auch mental optimal auf die Operation vorbereitet werden kann, und ihm so realistische Erwartungen bezüglich des Operationsergebnisses und des Ablaufs der Rehabilitation vermittelt werden können [3].