Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Vor- und Nachbehandlung im Kontext knorpelregenerativer Operationen am Kniegelenk

Nach Entfernung der Redondrainage kann mit isometrischen Übungen der Quadricepsmuskualtur begonnen werden. Über gezielte Anspannungsübungen wird außerdem die neuromuskuläre Kontrolle frühzeitig reaktiviert. Die Gelenkbeweglichkeit sollte frühzeitig sowohl mit Hilfe der Motorbewegungsschiene als auch mit passiver Mobilisation durch den Therapeuten und Lagerungsmaßnahmen adressiert werden. Das Bewegungsausmaß ist bei der Mobilisation anfänglich nicht entscheidend, da die Nutrition der Knorpelzellen auch bei geringem Bewegungsausmaß durch die Mobilisation verbessert wird und auch Adhäsionen vorgebeugt werden kann, ohne Gelenk und Patient zu stressen. Im weiteren Verlauf hängt das Ausmaß der Bewegungslimitierung in erster Linie von der Defektlokalisation ab. Einen Überblick über mögliche Einschränkungen ergibt sich aus Tabelle 1.

Wenn die geforderte Teilbelastung vom Patienten umgesetzt werden kann, steht dem Beginn mit Gangschule und Treppentraining nichts entgegen. Die physiotherapeutischen Maßnahmen werden durch edukative Programme unterstützt

Die Meilensteine der ersten Rehabilitationsphase, die es vor dem Übergang zur nächsten Phase zu erreichen gilt, sind die Resorption des Gelenkergusses, das Erreichen der vollen Streckung und die Mobilisation des Patienten unter der Teilbelastung bzw. mit anliegender Orthese inklusive der Bewältigung des Treppensteigens.

Das Ziel der dann folgenden Transitionsphase (4.–12. Woche) ist die Wiedererlangung der vollen Gelenkfunktion, inklusive einer freien Beweglichkeit, der Normalisierung der Muskelkraft und einer dynamischen Stabilität im Alltag. Anfangs besteht auch nach Freigabe/Abnahme der Orthese noch eine Bewegungseinschränkung des operierten Gelenks und eine deutliche Muskelatrophie, oftmals auch ein hinkendes Gangbild und eine Standunsicherheit. Dies gilt es nun über Stabilisationstraining, Gangschule, Kraft- und Ausdauertraining zu reduzieren, jeweils in dem Wissen, dass regenerierendes Knorpelgewebe noch keine höhergradige Stabilität ausweist. Die Konsistenz wird in dieser Phase der Regeneration verglichen mit einem Schwamm. Insbesondere Scherkräfte werden noch schlecht toleriert, wohingegen kontrollierte axiale Belastungen den regenerierenden Knorpel eher stärken, was erklärt, warum die meisten Arbeiten über frühere Aufbelastungen zu positiven Ergebnissen kommen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über mögliche Bewegungs- und Belastungslimite, abhängig von der Lokalisation des Knorpeldefekts.

Auch das bei der Prähabilitation bereits erwähnte Rumpfstabilisationstraining und die Kräftigung der Hüftabduktoren sollte nun in das Rehabilitationstraining integriert werden.

In der Remodellierungsphase (3.–6. Monat) differenziert sich das Regenerat zunehmend. Die Kollagenstruktur ist organisiert, es bilden sich Kollagen-Crosslinks, und zuletzt integriert sich das Regenerat in Knochen und angrenzendem Knorpel. Klinisch stehen nur die Quadriceps-Atrophie, die mit einer Kraftminderung einhergeht, und die Defizite der neuromuskulären Kontrolle im Vordergrund. Daher werden nun das sensomotorische Training intensiviert und das Krafttraining mit zunehmend hohen Lasten im Sinne eines Hypertrophietrainings gesteigert. Parallel kann auch das aerobe Training weiter gesteigert werden bis zur vollen Wiedererlangung der aeroben Leistungsfähigkeit sowie der Kraft und der neuromuskulären Kontrolle.

In der abschließenden Maturationsphase, die allerdings bis zu 24 Monate dauert (Sun), hat das Knorpelgewebe die Konsistenz von Hartplastik. Die sportliche Belastung kann nun schrittweise weiter gesteigert werden.

Wichtig ist bei Rückkehr in den Sport, das Risiko einer neuerlichen Verletzung zu minimieren und eine Überlastung der benachbarten Strukturen zu vermeiden [12]. Die MRT-Kontrolle des Regenerats erleichtert bei gut integriertem Knorpelgewebe ohne subchondralem Knochenödem die Entscheidung der Sportfreigabe. Auch isokinetische Kraftmessungen zur Bestimmung von persistierenden Kraftdefiziten und Muskeldysbalancen kommen nun zur Anwendung. Mit Hilfe einbeiniger Sprungtests können neben den Informationen über Muskelkraft und neuromuskulärer Kontrolle auch das vorhandene Vertrauen in das betroffene Bein und die Belastungsfähigkeit geprüft werden. Patient/Sportler und das Umfeld müssen in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden. Zuletzt sollte auch die psychologische „Readiness“ geprüft werden, bevor ein Sportler zum Wettkampfsport zugelassen werden kann [6].

Schlussfolgerung

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Vorbehandlung und Nachbehandlung im Rahmen der knorpelregenerativen operativen Behandlung von Knorpelschäden eine große Bedeutung zukommt. Diese wurde in den letzten Jahren erkannt; die Effektivität und Bedeutung sind durch eine fundierte Studienlage gut abgedeckt. Neben den allgemeinen Prinzipien der Wiedereingliederung von Patienten mit Gelenkverletzung ist jedoch die Kenntnis der knorpelspezifischen und biologischen Aspekte der Nachbehandlung essenziell, um die Patienten im Prozess der knorpelregenerativen Behandlung optimal zu begleiten.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Anja Hirschmüller

ALTIUS Swiss Sportmed Center

Habich-Dietschy-Strasse 5A

CH-4310 Rheinfelden

Anja.Hirschmueller@altius.ag

Literatur

1. 1. Singh F, Newton RU, Galvão DA, Spry N, Baker MK: A systematic review of pre-surgical exercise intervention studies with cancer patients. Surg Oncol. 2013; 22: 92–104

2. Santa Mina D, Clarke H, Ritvo P et al.: Effect of total-body prehabilitation on postoperative outcomes: a systematic review and meta-analysis. Physiotherapy. 2014; 100: 196–207

3. Brown K, Loprinzi PD, Brosky JA, Topp R: Prehabilitation Influences Exercise-Related Psychological Constructs Such as Self-efficacy and Outcome Expectations to Exercise. J Strength Cond Res. 2014; 28: 201–9

4. Edwards PK, Ackland T, Ebert JR: Clinical Rehabilitation Guidelines for Matrix-Induced Autologous Chondrocyte Implantation on the Tibiofemoral Joint. J Orthop Sports Phys Ther. 2014; 44: 102–19

5. van Gool CH, Penninx BW, Kempen GI et al.: Effects of exercise adherence on physical function among overweight older adults with knee osteoarthritis. Arthritis Rheum. 2005; 53: 24–32

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4