Übersichtsarbeiten - OUP 02/2025
Weichteilverletzungen in der AlterstraumatologieEin Spektrum komplexer Herausforderungen
Kleinflächige Ablederungen mit sauberem Wundgrund werden mit Refixierung des Hautlappens konservativ behandelt. Dabei sind zwingend auf atraumatische Wundauflagen wie Silikonabstanzgitter, Wundauflagen mit Silikon-Haftrand oder nicht selbsthaftende Wundauflagen zu achten ist, um bei der Entfernung der Wundauflagen das Herbeiführen weiterer Hautläsionen zu verhindern. Abschließend sollte ein leichter, nicht haftender Kompressionsverband appliziert werden. Alternativ kann eine Schaumstoffauflage in Kombination mit Fixiermaterial für sensitive Haut mit geringer Klebekraft verwendet werden. Großflächige Ablederungen werden meist chirurgisch versorgt mit Entfernung von nekrotischem Gewebe und Fixierung der regenerationsfähigen Hautanteile.
Hämatom unter Antikoagulation
Die Entstehung von Hämatomen bei antikoagulierten geriatrischen Patientinnen und Patienten stellt einen komplexen pathophysiologischen Prozess dar, wobei es durch eine traumatische Einwirkung zur Ruptur kleinster Gefäße kommt. Die physiologische Blutstillung wird durch die Einnahme von Antikoagulanzien signifikant beeinträchtigt im Sinne einer verstärkten und verlängerten Blutungsneigung. Durch den altersbedingten Elastizitätsverlust, weisen die Gefäße eine erhöhte Fragilität auf. Hämatome breiten sich schneller aus, da das umliegende Gewebe eine deutlich reduzierte Kompensationsfähigkeit aufweist. Die Resorptionszeit des Hämatoms ist im Alter deutlich verlängert, was das Risiko für die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms und von Infektionen wiederum erheblich steigert (Abb. 3).
Die Hauptkomplikationen bei Hämatombildung unter Antikoagulation sind auch hier eine unzureichende Durchblutung der Haut mit resultierender Gefahr für Nekrosen, Infektionen und einer verzögerter Wundheilung. Daher ist eine schnelle Intervention im Sinne einer operativen Hämatomausräumung entscheidend, um einem größeren Weichteilschaden entgegenzuwirken. Je nach Ausmaß des Befundes können mehrfach Wunddébridements und eine intensivierte Lokaltherapie mittels Unterdruck-Wundtherapie (NPWT) erfolgen. Zur funktionellen Wiederherstellung der Hautintegrität werden individuelle operative Lösungen gefunden. So konnte wie in dem Beispiel in Abbildung 3 zu sehen, bei rascher Intervention und damit ohne Nekrosen tieferliegender Strukturen, erfolgreich eine vollständige Defektdeckung mittels Spalthauttransplantation (0,3 mm, Mesh 1:1,5, Entnahmestelle vom ipsilateralen medialen Oberschenkel) durchgeführt werden [3].
Dekubitus
Die Entstehung eines Dekubitus erfolgt durch lokalen mechanischen Druck bedingte Minderperfusion des Gewebes mit darauffolgender Nekrosebildung. Mit der steigenden Überalterung der Bevölkerung nimmt auch die Inzidenz dieser Erkrankung kontinuierlich zu. Der Dekubitus stellt die häufigste Komplikation bei bettlägerigen, bewegungseingeschränkten oder querschnittsgelähmten Menschen dar. Die eingeschränkte Mobilität führt zu einer anhaltenden Druckbelastung des Gewebes, die durch auftretende Scherkräfte bei Positionswechseln und erhöhte Reibungskräfte noch verstärkt wird. Ein weiterer zentraler Faktor ist die bei älteren Menschen häufig vorliegende Mangelernährung. Der damit verbundene Proteinmangel sowie Defizite an Mikronährstoffen und Vitaminen haben einen erheblichen negativen Einfluss auf die Geweberegeneration und Wundheilung. Eine bestehende Kachexie verstärkt zudem die mechanische Belastung des Gewebes durch verminderte Polsterung knöcherner Vorsprünge. Insbesondere Begleiterkrankungen, die die Gewebeperfusion beeinträchtigen, wie Diabetes mellitus mit Mikro- und Makroangiopathie, periphere arterielle Verschlusskrankheit und Herzinsuffizienz, sowie neurologische Erkrankungen verschlechtern die Ausgangssituation und begünstigen die Dekubitusentstehung. Der häufig kompromittierte Immunstatus älterer Patientinnen und Patienten trägt zusätzlich zu einer verzögerten Wundheilung bei (Abb. 4) [4].
Das operative Vorgehen konzentriert sich auf die radikale Herdsanierung eines infizierten Dekubitus mittels Débridement. Gegebenenfalls sind mehrere Débridements erforderlich, bis ein vitaler und sauberer Wundgrund vorliegt. Die Sekundärheilung unter Durchführung einer regelmäßigen antiseptischen feuchten Wundversorgung stellt bei geriatrischen Patientinnen und Patienten die bevorzugte Heilungsform dar. Die Indikation für rekonstruktive Verfahren mittels plastischer Defektdeckung sollte sehr zurückhaltend gestellt werden und wird maßgeblich durch die Mobilisierbarkeit der Patientin/des Patienten, die bestehenden Grunderkrankungen und den Ernährungszustand bestimmt. Die oft fehlende Indikation zur rekonstruktiven Defektdeckung begründet sich durch ein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen und die höheren Komplikationsraten bei Lappenplastiken in dieser vulnerablen Patientengruppe. Die wichtigste Maßnahme der Nachbehandlung ist eine intensive Mobilisierung und Druckentlastung mittels regelmäßiger Lagerungswechsel mit Lagerungshilfsmitteln als Prophylaxe weiterer Dekubitalulcera. Ebenfalls essentiell sind eine kontinuierliche Ernährungsoptimierung und ambulante professionelle Wundversorgung [5].
Weichteilinfektion
Die erhöhte Infektanfälligkeit älterer Menschen basiert auf einer Reihe von immunologischen Veränderungen. Die altersbedingte Immunseneszenz führt zu einer reduzierten T-Zell-Funktion und einer verminderten Antikörperproduktion, was zur Folge hat, dass die gesamte Immunantwort deutlich verzögerter abläuft [6]. Zusätzlich verstärken Begleiterkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus, periphere arterielle Verschlusskrankheit und chronisch venöse Insuffizienz sowie immunsuppressive Therapien die Infektanfälligkeit. Auch kognitive Defizite spielen bei der Entwicklung von Weichteilinfektionen eine bedeutende Rolle. Die verzögerte Wahrnehmung von Infektionszeichen und eine eingeschränkte Compliance bei der Therapie erschweren eine Behandlung erheblich. Eine verminderte Hygienefähigkeit und fehlende Prophylaxemaßnahmen begünstigen die Entstehung von Infektionen zusätzlich. Auch soziale Faktoren beeinflussen den Verlauf von Weichteilinfektionen maßgeblich durch bspw. eingeschränkten Zugang zur medizinischen Versorgung, mangelnder Pflege und fehlende häusliche Unterstützung, was wiederum zu einer verzögerten Arztkonsultation führen kann (Abb. 5).
Es gibt eine Vielzahl von Haut- und Weichteilinfektionen bei geriatrischen Patientinnen und Patienten, die von lokal begrenzten und oberflächlichen Infektionen bis hin zur nekrotisierenden Fasziitis mit hoher Letalität reichen. Das primäre Behandlungsziel bei Weichteilinfektionen ist bei Patientinnen und Patienten aller Altersstufen gleich und besteht in der effektiven Reduktion der Keimlast sowie der Eingrenzung des Erregerspektrums, wobei nach Sanierung des Infektherdes eine sichere Weichteildeckung gewährleistet werden muss. Oft basiert die antiinfektive Therapie auf einer intensivierten Lokaltherapie mittels Unterdruck-Wundtherapie (ggf. mit Installation) und dem Einsatz von systemischer antimikrobieller Therapie. Zur Optimierung einer unzureichenden Vaskularität, die direkt mit der Immunkompetenz korreliert, stehen verschiedene operative Verfahren zur Verfügung. So kann bei schwerer peripherer arterieller Verschlusskrankheit die Anlage eines AV-Loops oder Bypasses notwendig sein. Es kann bspw. auch ein freier Gewebetransfer mittels mikrovaskulärem Lappen eine Option darstellen oder der Einsatz von vaskularisierten Knochentransplantaten bei ausgedehnten knöchernen Defekten, jedoch müssen bei der Behandlung von geriatrischen Patientinnen und Patienten stets die spezifischen Risiken und Einflussfaktoren beachtet werden. Mangelnde Operabilität aufgrund von erheblicher Multimorbidität oder mangelnde Compliance aufgrund von kognitiven Defiziten sowie fragliche Notwendigkeit einer mechanischen Stabilität bei immobilen Patientinnen und Patienten sind nur einige Kontraindikationen für eine ausgedehnte plastische Defektrekonstruktion und führen oft zu Komplikationen wie prozedurale Zwischenfälle und eine inkomplette Abheilung. Daher ist hier die individuelle, ganzheitliche und interdisziplinäre Betrachtung essenziell für den Behandlungserfolg. So ist meistens eine einfachere und rasche Defektdeckung mit verkürzter Narkosezeit und Aufenthaltsdauer sowie weniger aufwendiger Nachbehandlung, einer komplexen langwierigen rekonstruktiven plastischen Deckung aus dem breitem Spektrum der Lappenplastiken vorzuziehen, wenn auch unter dem Einbüßen von funktionellen und ästhetischen Aspekten.