Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023
Welche Vorteile bietet der Schenkelhals-teilerhaltende Kurzschaft in der Hüftendoprothetik?
Bei einigen Schenkelhals-teilerhaltenden Kurzschäften wie bspw. der MiniHip (Fa. Corin), dem Optimys (Fa. Mathys), C.F.P., Collum Femoris Preserving- (Fa. Link) oder dem Nanos-Schaft (Smith & Nephew) ist die Rekonstruktion der individuellen Geometrie über einen anderen Weg möglich. Bei der Planung wird zunächst das Rotationszentrum festgelegt und hierauf basierend, der Schaft mit einem guten „fit-and-fill“ eingeplant. Hierdurch ergibt sich die individuelle Osteotomiehöhe (Abb. 2b). Hierbei bedarf eine Valgushüfte meist einer eher tieferen Resektion. Dies erhöht den CCD-Winkel und reduziert das Offset (Abb. 2a, d, e). Bei einer Varushüfte liegt die Resektion höher, bzw. näher am Kopf, womit sich auch das Offset erhöht (Abb. 2a, f, g) [22]. Die Schaftpositionierung erfolgt abhängig von der Resektionshöhe des Schenkelhalses und somit entlang der individuellen Anatomie des Schenkelhalses, der harmonisch in den Kalkar übergeht. Dies stellt die geplante Position des Schaftes sicher. Die Einbringung der Impaktoren mit ansteigenden Größen erfolgt entlang des Kalkars. Dieses Schenkelhals-teilerhaltende Vorgehen, basierend auf einem individuellen Resektionsniveau entsprechend der präoperativen Planung, wird als „Top-down-Konzept“ bezeichnet [22, 41]. Die Prothese folgt dem Schenkelhals und im Weiteren dem Kalkar, sodass die individuelle Gelenkgeometrie inkl. Offset aber auch Antetorsion wiederhergestellt wird [21, 27]. Windhagen et al. zeigten, dass Schenkelhals-teilerhaltende Kurzschäfte im Vergleich zu Standardschaftprothesen einen Erhalt der Weichteilbalancierung ermöglichen [45]. Dies passt zu dem vglw. guten klinischen Outcome Schenkelhals-teilerhaltender Prothesen [11, 32, 39].
Auf den ersten Blick sehen Schenkelhals-teilerhaltende Prothesen recht ähnlich aus. Einige Anbieter bieten eine Konuslänge und ein Offset an, welche bei den unterschiedlichen Prothesengrößen nicht genügend zunehmen bzw. gleichbleiben. Dies wird der Anatomie in einigen Fällen nicht gerecht, sodass Beinlänge u./o. Offset dann nicht mehr zuverlässig rekonstruierbar sind. Bei der MiniHip (Fa. Corin) nehmen die Konuslänge und das Offset mit ansteigender Größe des Schaftes sukzessive zu (Abb. 4). Für das „Top-down-Konzept“ ist dies eine wichtige Voraussetzung zur Wiederherstellung der Gelenkgeometrie [22, 39]. So konnte bspw. für die MiniHip und auch für einige andere Schenkelhals-teilerhaltende Endoprothesen eine erfolgreiche Rekonstruktion von Offset und Beinlänge nachgewiesen werden. Die klinischen Ergebnisse waren entsprechend gut [4, 15, 20, 24]. In eigenen Fallserien konnten wir sowohl für Standardsituationen, als auch für Extremsituationen mit ausgeprägten Varus- oder Valgushüften eine vglw. präzise Rekonstruktion der Geometrie nachweisen [20].
Knochenerhalt und
Primärstabilität
Die konische Form geeigneter kalkar-geführter Kurzschäfte bedarf zur sicheren Positionierung nur einer vglw. kurzen Knochenstrecke, wobei der Trochanter major vollständig geschont wird. Die Verklemmung erfolgt im metaphysären Knochen bis hin zum Schenkelhals. Dies zeigt sich röntgenologisch an 3 Punkten. Man spricht von einer metaphysären Drei-Punkt-Verankerung (Abb. 2b, c). Dies verhindert, im Gegensatz zum diaphysär verankerten Geradschaft, eine postoperative axiale Migration und sichert zudem eine vglw. hohe Rotationsstabilität [7, 8, 24]. Vorausgesetzt, es besteht also ein guter Sitz bzw. ein vglw. gutes press-fit, zeigen diese Implantate eine hohe Primärstabilität [13]. Zusammenfassend führt die Schenkelhals-teilerhaltende Implantationstechnik, das geschwungene, den trochantären Knochen schonende Design und die kurze Implantationsstrecke zu einem wesentlichen Knochenerhalt bei dennoch ausgesprochen hoher Primärstabilität [7]. Einige Implantate wie bspw. die MiniHip, weisen eine Doppelbeschichtung aus einer rauen, die Oberfläche vergrößernde Reintitanschicht und einer hierauf aufgetragenen Hydroxyapatiteschicht auf (Bi-coatTM). Zusammen mit einer hohen Primärstabilität unterstützt diese Doppelbeschichtung eine rasche Osteointegration und damit das knöcherne Einwachsen des Implantates [9].
Sekundärstabilität und
Dauerhaftigkeit der
Versorgung
Viel wichtiger ist jedoch der Knochenerhalt im Laufe der weiteren Jahre. Der Knochenerhalt bzw. die Knochendichte bei einliegender Endoprothese wird auch als osteologische Kompetenz des Implantates bezeichnet. Hierbei führt ein langfristiger Knochenerhalt mit einer hohen periprothetischen Knochendichte zu einer hohen Sekundärstabilität und damit zu einer dauerhaften Standzeit der Prothese. Die periprothetische Knochendichte kann sowohl mittels Röntgenuntersuchung und vglw. genau anhand von DEXA-Messungen, „Dual Energy X-ray Absorptiometry-Methode“, bestimmt werden.
Betrachtet man die Knochendichte bei den konventionellen Schäften im Langzeitverlauf, finden wir besondere Verhältnisse. Da diese Prothesen weiter distal im Schaft verklemmen, erfolgt die Krafteinleitung weiter distal als bei den Kurzschäften. Als Folge der distalen Krafteinleitung kommt es entsprechend dem Wolffschen Transformationsgesetz in den weiter oben gelegenen metaphysären Abschnitten des Femurs zu einer relevanten Knochenatrophie [46]. So wurde bspw. für den CLS Spotorno (Zimmer-Biomet), den Hipstar (Stryker) und den Zweymueller Schaft (SL-Plus®-Plus Orthopedics AG) eine Knochenhypertrophie in den distalen Zonen und ein ausgeprägter Knochenverlust in den proximalen Knochenzonen nachgewiesen [6, 30]. Diese typischen Befunde einer unphysiologischen, distalen Krafteinleitung mit dem einhergehenden proximalen Stress-Shielding kann man oft auch radiologisch gut erkennen (Abb. 1c). Dies kann mit Schmerzen im Bereich der Prothese, einer Schaftlockerung sowie periprothetischen Frakturen bei vglw. geringen Traumata führen. Intraoperativ sehen wir in ausgeprägten Fällen, bspw. bei Revisionen oder periprothetischen Frakturen, einen erheblichen Knochenverlust rund um das Implantat, teilweise nur noch Knochenschalen sowie nackte Knochenoberflächen im Bereich der ehemals am Trochanter ansetzenden Muskulatur.
Schenkelhals-teilerhaltende Prothesen verankern hingegen im Bereich der Metaphyse bis in den Schenkelhals hinein. Diese weiter oben gelegene Belastung entspricht weit mehr der ursprünglichen Situation. Man spricht von einer physiologischen proximalen Krafteinleitung. Eine Finite-Elemente-Analyse konnte eine solche physiologische proximale Krafteinleitung und eine Verminderung der unerwünschten distalen Krafteinleitung auch nachweisen [47]. Dies hat Auswirkungen auf den periprothetischen Knochen. So reduziert die physiologische Kraftübertragung das bei den konventionellen Schaftendoprothesen zu beobachtende Stress Shielding mit dem proximalen Knochenverlust um ein Vielfaches. Eigene Knochendichtemessungen nach 2 und 5 Jahren sowie Langzeit-Röntgenuntersuchungen 10 Jahre nach Implantation eines Schenkelhals-teilerhaltenden Kurzschaftes (MiniHip, Fa. Corin) konnten dies nachweisen. In der Trochanterregion zeigte sich nach 5 Jahren in den DEXA-Messungen sogar eine leichte Zunahme der Knochendichte [14, 19, 39]. Weitere Untersuchungen für andere Schenkelhals-teilerhaltende Kurzschäfte zeigen eine ebenso verringerte bzw. allenfalls noch minimale Knochendichteminderung in den proximalen Knochenzonen [10, 24, 25, 32, 48]. Basierend auf diesen radiologischen und osteodensitometrischen Daten scheint eine physiologische, proximale Krafteinleitung einen äußerst positiven Effekt auf den periprothetischen Knochenerhalt und damit auf die Standzeit der endoprothetischen Versorgung zu haben. Dies erklärt Studienergebnisse, die für entsprechende Kurzschäfte eine deutlich niedrigere Inzidenz eines Schaftschmerzes am Femur nachweisen konnten [5]. Am wichtigsten sind allerdings die Standzeiten. Sowohl Metaanalyse als auch erste Registerdaten aus Deutschland, Australien und der Schweiz zeigen für Schenkelhals-teilerhaltenden Kurzschäfte im Vergleich zu den Standardschäften eine verminderte Revisionsrate mit exzellenten Standzeiten im Langzeit-Follow-up [3, 17, 26, 36]. Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Erzielung einer maximalen Haltbarkeit der Versorgung sind Verbesserungen in der Gleitpaarung. Etabliert haben sich besonders gehärtete Keramik-Keramik-Gleitpaarungen sowie Paarungen aus einer Keramik und einem ultrahochvernetzten Kunststoff (HXPE) [12]. Entsprechend moderne Gleitpaarungen zeigen einen minimalen Abrieb und wiederum exzellente Langzeitergebnisse [18, 31, 38].