Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Wertigkeit der intraoperativen Röntgenkontrolle in der primären Hüftendoprothetik

Der Schaft wurde in der überwiegenden Zahl der Fälle mit einer zementfreien Monoblock-Pfanne (RM Pressfit Vitamys, Fa Mathys, Bettlach) kombiniert. Es wurden ausschließlich Keramikköpfe mit 28 mm oder 32 mm Durchmesser in 3 verschiedenen Kopflängen verwendet (S, M, L).

In allen Fällen erfolgte die intraoperative Röntgenkontrolle nach Implantation der definitiven Pfannenkomponente im Rahmen der Probereposition mit der Proberaspel, Probehals und Probekopf. Es wurde mindestens eine anterior-posteriore (AP) und eine axiale Aufnahme des Hüftgelenks mit einem entsprechend steril abgedecktem Bildverstärker (Arcadis Varic, Fa. Siemens, München) angefertigt.

Auf dem Betrachtungsmonitor des Bildverstärkers wurde die Position der Pfannenkomponente, der Schaftkomponente, die Kopflänge, die Konusvariante sowie die resultierende Beinlänge bzw. das resultierende Offset beurteilt und ggf. anschließend Änderungen durchgeführt. Im Anschluss an die endgültige Reposition erfolgte zusätzlich die Röntgendokumentation des Operationsergebnisses in 2 Ebenen.

Dokumentiert wurde, ob das durchgeführte intraoperative Röntgen explizit zu einer Veränderung einer der verwendeten Komponenten führte. Ebenfalls wurden die entsprechenden Gründe für eine Korrektur erfasst.

Ergebnisse

In insgesamt 46 von 120 Operationen (38,3 %) wurden Änderungen nach erfolgter intraoperativer Röntgenkontrolle vorgenommen. Es wurden insgesamt 9 verschiedene Ursachen für eine Modifikation einer der Komponenten dokumentiert. Als häufigsten Grund stellte sich eine radiologisch zu kleine Schaftgröße heraus mit beispielsweise fehlendem lateralen kortikalen Kontakt (18,3 %) (Abb.1). Häufig wurde weiterhin ein fehlerhaftes Offset dokumentiert (5,8 %). Die genaue Aufschlüsselung der Gründe bzw. Art der Veränderung ist in Tabelle 1 abgebildet. In 3 Fällen (2,5 %) kam es aufgrund des intraoperativen Röntgens zusätzlich zu einer Korrektur des bereits implantierten Original-Pfannenimplantats.

Insgesamt wurden Modifikationen an Pfanne, Schaft und Kopf dokumentiert. In 35 der 46 dokumentierten Änderungen (76,1 %) kam es zu Modifikationen allein der Schaftkomponente, in 5 Fällen zu Wechsel der Schaft- und Kopfkomponente und in jeweils 3 Fällen zu Veränderungen an Kopf- und Pfannenkomponente (Abb. 2).

Diskussion

Eines der Hauptziele der modernen Hüftendoprothetik ist es, die physiologische biomechanische Funktion des Gelenks wiederherzustellen.

Wir führten im Rahmen der Implantation eines kalkar-geführten Kurzschafts nach der Probereposition mit dem Probeimplantat eine intraoperative Röntgenkontrolle durch, um die präoperative Planung mit dem Operationsergebnis hinsichtlich Komponentenpositionierung sowie Rekonstruktion von Offset und Beinlänge abzugleichen. Es konnte eine entscheidende Bedeutung der intraoperativen Röntgenkontrolle für die korrekte Auswahl und die präzise Positionierung der Implantate nachgewiesen werden.

In der vorliegenden Literatur finden sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur wenige Studien, welche die Bedeutung der intraoperativen Röntgenkontrolle in der Hüftendoprothetik untersuchen, insbesondere mit dem Fokus auf der Schaftkomponente.

Gross et al. verglichen in einer retrospektiven Studie die Pfannenpositionierung einer Studiengruppe (n = 100), für welche ein intraoperatives Röntgen durchgeführt wurde, mit einer Kontrollgruppe (n = 100) ohne intraoperatives Röntgen [12]. Park et al. untersuchten in einer retrospektiven Studie mit 40 eingeschlossenen Patienten ebenfalls, ob eine intraoperative Röntgenkontrolle eine valide Methode zur Kontrolle der Pfannenposition darstellt [13]. Insgesamt konnten beide Studien einen entscheidenden Nutzen der intraoperativen Röntgenkontrolle hinsichtlich der korrekten Positionierung der Pfannenkomponente zeigen. Sie gingen jedoch nicht auf die Positionierung der Schaftkomponente ein.

Hofmann et al. beschrieben in einer retrospektiven Studie mit 86 Patienten eine signifikante Reduktion des Risikos einer postoperativen Beinlängendifferenz durch die intraoperative Kontrolle [14]. Es konnten entsprechend Beinlängendifferenzen von über 6 mm vermieden werden. Ezzet et al. berichten in ihrer retrospektiven Studie mit 200 Hüft-TEP-Implantationen, dass bereits eine einzelne intraoperative AP-Beckenübersichtsaufnahme Aufschluss über Pfannenposition, Beinlänge und Ausrichtung des Femurs geben kann, und kamen zum Schluss, dass die intraoperative Röntgenkontrolle eine schnelle und einfache Methode zur intraoperativen Fehleridentifikation darstellt [10].

Diese Ergebnisse decken sich mit den Resultaten aus der vorliegenden Untersuchung.

Es wurden insgesamt in 38,3 % der Operationen Veränderungen nach intraoperativer Kontrolle mittels Bildverstärker vorgenommen. Dies ist besonders deshalb bemerkenswert, da alle beteiligten Operateure über langjährige Erfahrungen in der Endoprothetik verfügen und die Klinik als High-volume-Einheit eine hohe Expertise beheimatet. In über 80 % der Fälle kam es zu einer Anpassung der Schaftkomponente. Der implantierte Kurzschaft verwendet als Leitstruktur den calcar femoris. Er erfordert eine spezielle Operationstechnik, die in Abhängigkeit von der Höhe der Schenkelhalsresektion eine große Bandbreite an Schaftpositionierungen in Varus- oder Valgusposition ermöglicht [6]. Die Implantation eines kalkar-geführten Kurzschafts ist demnach weniger standardisiert, sondern häufig individualisiert, und die Umsetzung der präoperativen Planung dementsprechend wichtig. Diese Tatsache bedingt ein häufiges intraoperatives Anpassen der Schaftposition nach Röntgenkontrolle. Auch ist, aufgrund des Verankerungsmechanismus des untersuchten Schafts, ein kortikaler Kontakt neben der Abstützung am Kalkar auch im distalen lateralen Bereich der Prothese für die initiale Stabilität entscheidend. Dies deutet darauf hin, dass, ähnlich wie bei anderen zementfreien Implantaten, die Wahl der Größe der Schaftkomponente eine große Rolle spielt. Eine Röntgenkontrolle kann an dieser Stelle den fehlenden kortikalen Kontakt aufzeigen und eine Korrektur in der Folge möglich machen.

Eine weitere wichtige Änderung nach erfolgtem intraoperativem Röntgen stellt die Wahl einer anderen Offset-Variante dar. Hier stehen im Falle des Optimys-Schafts ein Standard- und ein laterales Implantat zur Verfügung. Für die optimale Wiederherstellung der Hüftgelenkfunktion ist die Rekonstruktion der individuellen Anatomie in jedem Fall ein wichtiger Baustein [15]. Ein adäquates Offset bzw. eine ausgeglichene Beinlänge tragen zur einer guten Gelenkfunktion und postoperativen Zufriedenheit der Patienten bei [16, 17]. Die Wahl der Konusvariante bzw. der Kopflänge sollte also präzise die geplante Anatomie ermöglichen. Abweichungen, das Offset und die Beinlänge betreffend, konnten durch das intraoperative Röntgen in 30,4 % der Fälle erkannt und korrigiert werden. Mögliche Funktionseinbußen können so verhindert werden.

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