Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016
Aktuelle Evidenzlage bei der Behandlung der Arthrose mit autologem plättchenreichem Plasma
Die außergewöhnlichen biomechanischen Eigenschaften des gesunden hyalinen Knorpels werden im Wesentlichen durch das Zusammenspiel seiner extrazellulären Matrixkomponenten vermittelt. Hochmolekulare Proteoglykane (insbesondere Aggrekan) sind dabei in einem Maschennetzwerk zugfester Kollagen-Typ-II-Fibrillen eingeschlossen. Da die wasserbindenden Proteoglykane in diesem Verbund nur zu etwa 40 % hydratisiert sind und daher stets die Tendenz zur Aufnahme von mehr Wasser haben, entsteht ein Schwelldruck, der vom rigiden Kollagengerüst aufgefangen wird.
Diese Gewebearchitektur verleiht der intakten Knorpelmatrix eine physiologische Vorspannung, die im Belastungsfall die Höhenveränderung, also Stauchung des Knorpels erheblich reduziert und ihm so seine stoßdämpfenden Eigenschaften verleiht. Axiale Stöße werden optimal auf den subchondralen Knochen verteilt und eingeleitet, punktförmige Belastungsspitzen werden vermieden und der darunterliegende Knochen wird geschont [23].
Durch akute Verletzungsereignisse oder repetitive Mikrotraumen – z.B. wegen einer Gelenkinstabilität oder einer Gelenkfehlstellung – können die quervernetzten Kollagenfibrillen der Knorpelmatrix und somit deren Rückhaltekräfte geschädigt werden. Daraufhin binden die Proteoglykane mehr Wasser. Das Gewebe schwillt an, wird weich (Chondromalazie) und weniger belastbar.
Sekundär entzündliche Prozesse lockern das Kollagengerüst weiter auf, fördern die Degradation und Ausschwemmung der Proteoglykane aus ihrem Matrixverbund, was zu einem konsekutiven Verlust des Schwelldrucks führt. Dies sorgt für eine weitere Verschlechterung der biomechanischen Eigenschaften des Knorpels.
Reaktiv, insuffizient verlaufende Reparaturprozesse führen zusätzlich zu einem Umbau der Zell- und Matrixstruktur des Knorpels, gekennzeichnet durch Proliferation, Clusterbildung, dem Absterben von Chondrozyten und der Auflösung von Chondronen. Ferner kommt es zur Sklerosierung mit Vaskularisation und Innervation der subchondralen Knochenlamelle, der Entstehung gelenknaher Osteophyten und Knochenzysten. Durch die Summe der pathologischen Veränderungen entsteht ein Circulus vitiosus der letztlich in einer destruktiven Arthrose endet.
Eine größere Zahl unterschiedlicher Mediatoren, Zytokine und proteolytischer Enzyme (Metalloproteasen) spielt bei den beschriebenen Prozessen der Arthroseentstehung eine zentrale Rolle, wobei die Regulation und metabolische Interaktion dieser Faktoren einschließlich der daraus entstehenden Folgen bisher noch nicht vollständig bekannt ist [16, 17, 8].
Wirkungsweise von PRP in der Arthrosebehandlung
Thrombozyten enthalten eine Vielzahl unterschiedlicher Wachstumsfaktoren und Botenstoffe, denen verschiedene regenerative oder auch entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben werden [20]. Daneben enthalten die Thrombozyten auch Mediatoren, die eher kritisch zu sehen sind, da sie Entzündung, Angiogenese und andere unerwünschte Effekte induzieren können [20, 17]. Durch Aktivierung des gewonnenen Plättchenkonzentrats, etwa durch Thrombin oder Kalziumchlorid, können im behandelten Gelenk bis zu 800 bekannte Botenstoffe und Proteine freigesetzt werden [2].
Derzeit besteht auch das Problem, dass es je nach Spender und Herstellungsprozess signifikante Unterschiede in der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der PRP-Präparationen gibt. So fanden Kalen et al. erhebliche inter- und intraindividuelle Differenzen für verschiedene BMPs (bone morphogenetic proteins) [14]. Die Ergebnisse präklinischer und klinischer Studien lassen vermuten, dass solche Unterschiede therapeutisch relevant sein könnten.
In-vitro Experimente und Versuche in verschiedenen Tiermodellen haben beispielsweise gezeigt, dass einige BMPs die Expression knorpeltypischer Matrixkomponenten in artikulären Chondrozyten stimulieren und die Blockade der BMPs zu einer reduzierten Proteoglykansynthese mit konsekutiver Knorpelschädigung führt [10, 19]. Ferner wurde in einer klinischen Studie zur Knorpelregeneration beobachtet, dass ein gutes klinisches Ergebnis signifikant mit der Expression von BMP-2 in der Gelenkflüssigkeit korreliert. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte in einer weiteren klinischen Studie zeigen, dass geringe Konzentrationen von BMP-2 in der Synovialflüssigkeit mit dem Fortschreiten arthrotischer Veränderungen assoziiert war [29].
Auch für viele andere Mediatoren konnten signifikante spender- und herstellungsassoziierte Unterschiede in verschiedenen PRP-Präparationen nachgewiesen werden [21, 24]. Das ist vermutlich auch ein wesentlicher Grund dafür, warum der genaue Wirkungsmechanismus beziehungsweise die biologischen Effekte von PRP in der Behandlung einer Arthrose und ihrer verschiedenen Stadien noch nicht bekannt ist [25].
Unterschiedliche Einflussgrößen bestimmen die
Wirkstoffzusammensetzung von PRP-Produkten
Bei der Herstellung von PRP werden die Bestandteile des zuvor abgenommenen und anti-koagulierten Vollbluts mittels Zentrifugation aufgetrennt. Dafür bieten inzwischen mehr als 30 Firmen unterschiedliche Systeme an.
Je nach Herstellungs- und Zentrifugationsverfahren und abhängig von Einflussgrößen, die mit dem einzelnen Patienten zu tun haben, enthalten die gewonnenen PRP-Präparate unterschiedliche Mengen an Thrombozyten und Wachstumsfaktoren [21, 24]. Die Konzentration der Plättchen im PRP-Präparat kann ein Vielfaches von der Konzentration im Vollblut betragen. In den meisten Studien war die Plättchenkonzentration um das 3- bis 6-fache erhöht [25].
Je nach Herstellungsweise kann PRP auch viele oder nur wenige Leukozyten enthalten. Diese können andere Mediatoren enthalten und besitzen auch als Zelltyp weitere immunologische Eigenschaften. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass selbst eine definierte Zahl an Plättchen im Konzentrat nicht immer mit der gleichen Konzentration an Wachstumsfaktoren einhergeht [13, 24].
Es ist daher verständlich, dass die verschiedenen Herstellungsverfahren und Einflussgrößen zu PRP-Produkten mit unterschiedlicher qualitativer und quantitativer Wirkstoffzusammensetzung und damit variablen Eigenschaften führen, was die Auswertung und insbesondere auch die Vergleichbarkeit der klinischen Studien erheblich erschwert [25].
Diese Einsicht führte dazu, dass 2012 ein internationales Klassifizierungsverfahren eingeführt wurde, mit dem die verwendeten PRP-Präparate charakterisiert werden sollen. Es berücksichtigt die absolute Zahl an Thrombozyten, die Art der Plättchenaktivierung sowie die An- oder Abwesenheit von Leukozyten im Präparat und soll die Beurteilung klinischer Studienergebnisse erleichtern [7]. Ob diese Maßnahme letztlich genügen wird, müssen weitere Untersuchungen zeigen.