Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016
Aktuelle Evidenzlage bei der Behandlung der Arthrose mit autologem plättchenreichem Plasma
Die Herstellung von plättchen- bzw. thrombozytenreichem Plasma (PRP) zur therapeutischen Anwendung unterliegt den Bestimmungen des Arzneimittel- (AMG) und Transfusionsgesetzes (TFG). Gemäß § 67 AMG ist die Herstellung der zuständigen Landesbehörde vor Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen. Hiermit verbunden ist die vorherige Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach §§ 13ff AMG. Die erlaubnisfreie Gewinnung bzw. Herstellung von plättchenreichen autologen Blutprodukten ist nur zulässig, soweit diese unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des persönlich anwesenden Arztes gewonnen und hergestellt werden (§ 13 Abs. 2b AMG).
Die Herstellung von PRP muss unter den Bedingungen der Guten Herstellungspraxis (also GMP-gerecht) erfolgen. Hierfür sollten geschlossene Einmalsysteme verwendet werden. Die Be- und Verarbeitung sowie die Prüfung kann durch geschultes Personal unter unmittelbarer fachlicher Verantwortung des behandelnden Arztes durchgeführt werden. Durch diese Vorgehensweise sollen Kreuzinfektionen und Anwendungszwischenfälle ausgeschlossen werden. Soweit für den jeweiligen Patienten aufbereitete Materialien nicht vollständig zur Anwendung kommen, werden diese unmittelbar nach dem Eingriff sachgerecht entsorgt.
Bisherige klinische
Ergebnisse und Evidenzlage
In den vergangenen Jahren wurden eine Reihe klinischer Studien mit unterschiedlichem Design und verschiedenen PRP-Präparaten durchgeführt. Eine Arbeitsgruppe der französischen Gesellschaft für Rheumatologie hat die Ergebnisse der größeren Studien zur Behandlung der Arthrose im Knie- und Hüftgelenk erst kürzlich zusammengefasst [25]. Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen wurden eher selten beobachtet, die Autoren kommen jedoch zu dem Schluss, dass die Datenlage zur Wirksamkeit von PRP bei der Hüftarthrose wegen mangelnder Studien noch nicht ausreichend ist, um daraus eine Empfehlung für diese Indikation abzuleiten.
Die Datenlage aus randomisierten Studien zur symptomatischen Behandlung degenerativer Veränderungen im Knie wurde dagegen besser bewertet und PRP im Vergleich zu HA eine geringfügig bessere Wirkung zugesprochen – insbesondere im frühen Stadium der Arthrose. Aber auch bei diesem Gelenk wurde für PRP keine Empfehlung als primäres oder sekundäres Behandlungsverfahren bei degenerativen Veränderungen ausgesprochen [25]. Als Grund hierfür wurde die geringe Zahl hochwertiger klinischer Studien mit häufig unterschiedlichen Behandlungsprotokollen, die oft heterogene Zusammensetzung und damit schwierige Vergleichbarkeit der behandelten Patientenpopulationen sowie die noch weitgehend unbekannte Wirkungsweise von PRP genannt.
Nach metaanalytischer Auswertung von 16 klinischen Studien mit insgesamt 1543 Patienten wurden in einem Review für die symptomatische Behandlung einer Kniearthrose im Vergleich zu Placebo oder der Behandlung mit HA oder einem Kortikosteroid bessere Ergebnisse für PRP beschrieben [6].
Eine erst kürzlich von Meheux et al. veröffentlichte systematische Übersichtsarbeit [22] fasst die Ergebnisse randomisierter PRP-Studien mit höchstem Evidenzniveau bei symptomatischer Kniearthrose zusammen. Dabei wurden 6 Studien mit insgesamt 739 Patienten, 817 Kniegelenken und einem durchschnittlichen Follow-up von 38 Wochen ausgewertet (min. 24, max. 52 Wochen). In 5 Studien wurde PRP mit HA verglichen, in einer mit Placebo. Als primärer Endpunkt bzw. klinischer Leitscore wurde in 5 Studien der WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index) und in einer der IKDC-Score (International Knee Documentation Committee Subjective Knee Evaluation Form) verwendet. In allen 6 Studien wurde für PRP im jeweils untersuchten Beobachtungszeitraum eine statistisch signifikante und klinisch mindestens minimal relevante Verbesserung hinsichtlich Schmerzen und Gelenkfunktion im Vergleich zu Baseline gefunden. In 4 der 5 vergleichenden Studien zu PRP versus HA und in der Studie gegen Placebo (Kochsalzlösung) wurden im WOMAC Score signifikant bessere Ergebnisse für PRP beobachtet.
Als limitierend für die Evidenzbewertung nennt der Review die noch geringe Zahl an gut geplanten Studien mit meist kurzen Verlaufszeiten bei überwiegend fehlender Doppelverblindung, die in allen 6 Studien fehlende postinterventionell bildgebende Diagnostik zur Analyse objektiver Daten, die oft unterschiedlichen Herstellungsverfahren für PRP und die uneinheitlichen Behandlungsprotokolle.
Basierend auf den bisherigen Studienergebnissen sehen Meheux et al. [22] einen möglichen Einsatz von PRP bei der symptomatischen Kniearthrose, wobei diese in der radiologischen Einteilung nach Kellgren und Lawrence ? Grad 3 sein sollte (Grad 1–3). Ähnliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen wurden in der bereits genannten Publikation von Chang et al. [6] und in 2 weiteren Übersichtsarbeiten [5, 27] beschrieben.
Die Autoren des Level-1-Reviews empfehlen angesichts der von ihnen zusammengefassten Studienlage die 2- bis 4-malige Injektion von PRP in einem Abstand von jeweils 2–4 Wochen als Behandlungsschema. Ob dabei leukozytenreiche oder leukozytenarme PRP-Präparate von Vorteil sind, kann derzeit nicht valide beantwortet werden [22].
Nach den Ergebnissen einer kürzlich veröffentlichten klinischen Studie scheint die Anwesenheit der Leukozyten in einer PRP-Gabe (es wurden 3 Injektionen im wöchentlichen Abstand vorgenommen) nicht zu einer Hochregulierung der Expression proinflammatorischer Botenstoffe im arthrotischen Kniegelenk zu führen. Es konnten keine signifikanten Unterschiede vor und nach PRP-Behandlung detektiert werden. Die Aspiration beziehungsweise die Gewinnung von Synovialflüssigkeit zur Faktorenanalyse erfolgte jeweils unmittelbar vor der PRP-Injektion.
Auch für verschiedene antiinflammatorisch wirkende Zytokine und andere Wachstumsfaktoren konnten keine bedeutenden Konzentrationsunterschiede in der Synovia der Gelenke oder im Plasma der Patienten vor und zu unterschiedlichen Zeitpunkten (bei Plasma bis zu 12 Monatsanalysen) nach PRP- oder auch HA-Behandlung festgestellt werden [18].
Zusammenfassend deutet die derzeitige Evidenzlage darauf hin, dass PRP besonders bei noch nicht allzu weit fortgeschrittener Arthrose des Kniegelenks einen therapeutischen Stellenwert haben kann, wobei zusätzliche klinische Studien mit prospektiv randomisiertem Design erforderlich sind, um eine optimale Herstellung bzw. Zusammensetzung der PRP-Präparate und ein ideales Anwendungsprotokoll zu identifizieren. Gleiches gilt für die Frage, ob PRP der HA, und hier insbesondere ihre quervernetzten Formen oder der hybriden Anwendung hoch- und niedermolekularer HA [28] sowie anderen entzündungshemmenden und intraartikulär zu applizierenden Substraten [4] therapeutisch überlegen ist.