Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014

Aktueller Stand der Behandlung des kindlichen Klumpfußes

K. Weimann-Stahlschmidt1, R. Krauspe1, B. Westhoff1

Zusammenfassung: Das Therapiekonzept des kongenitalen Klumpfußes hat sich im letzten Jahrzehnt durch die Verbreitung der Ponseti-Methode fundamental gewandelt. Die Ponseti-Methode stellt aktuell die Therapiemethode der Wahl dar: Das Konzept ist primär konservativ, bestehend aus manueller Redression in Etappen und Retention im Gipsverband. In ca. 80–95 % der Fälle ist zusätzlich in den ersten Lebenswochen eine Achillessehnen-Tenotomie zur Korrektur des Spitzfußes notwendig. Der Gipstherapie schließt sich eine Schienenbehandlung bis zum 4.–5. Lebensjahr an. Durch das Therapiekonzept nach Ponseti konnte die Anzahl und insbesondere das Ausmaß der operativen Therapiemaßnahmen erheblich reduziert werden. Ein Rezidiv wird bei ca. 30 % der Patienten trotz primär erfolgreicher Behandlung beobachtet und ist damit ein wesentliches Charakteristikum der Deformität. Es wird abhängig vom Alter des Patienten mit erneuter Gipsredression, Physiotherapie bzw. primär extraartikulären Zweiteingriffen behandelt.

Mit zunehmender Verbreitung haben sich verschiedene Modifikationen der Ponseti-Therapie entwickelt. Dennoch wird in der Literatur die klassische Ponseti-Therapie als Methode der Wahl weiterhin propagiert.

Schlüsselwörter: Ponseti-Methode, Klumpfuß, Gipsredression, Klumpfußrezidiv

 

Zitierweise

Weimann-Stahlschmidt K, Krauspe R, Westhoff B: Aktueller Stand der Behandlung des kindlichen Klumpfußes.
OUP 2014; 1: 027–033, DOI 10.3238/oup.2014.0027–0033

Abstract: In the last 10 years the Ponseti method has developed to be the gold standard to correct clubfeet in children. The Ponseti method involves a series of weekly manipulation and retention in casts. In 80–95 % a percutaneous Achilles tenotomy is necessary to correct persistent equinus. To prevent recurrence the use of an abduction brace for 4–5 years is necessary.

Following this method the need for extensive surgical intervention to achieve a good to excellent functional and ana-tomic outcome has considerably been reduced.

The tendency for recurrence after successful correction seems to be an important characteristic of clubfoot deformity and appears in 30 % of originally corrected clubfeet. Depending on age of the patient and extent of deformity new series of casting, physiotherapy and – when indicated – re-tenotomie of the Achilles tendon and tibialis anterior tendon transfer often resolve recurrence.

Although several modifications of the Ponseti method in literature exist, the original method still is the treatment of choice for clubfoot in children.

Keywords: Ponseti-Method, club foot, recurrent clubfoot, serial casting

 

Citation

Weimann-Stahlschmidt K, Krauspe R, Westhoff B: Current state of clubfoot treatment in children.
OUP 2014; 1: 027–033, DOI 10.3238/oup.2014.0027–0033

Die Therapie des kongenitalen Klumpfußes stellt nach wie vor eine Herausforderung für den Orthopäden dar; über die Jahrhunderte wurden unterschiedlichste Therapiekonzepte verfolgt. Zuletzt wurde in den 80er Jahren das pathoanatomische Konzept des subtalaren Rotationsfehlers anerkannt und daraus das therapeutische Konzept der subtalaren Derotation mittels peritalarem Release abgeleitet [1, 2]. Das operative Vorgehen war technisch anspruchsvoll und aufwändig, die Ergebnisse waren unterschiedlich: Häufig waren die Füße zwar optisch ansprechend aber steif und damit funktionell nicht leistungsfähig [3–5]. Insbesondere der Schaukelfuß, die Vorfußsupination und der Fersenvalgus als Hinweis auf Überkorrektur nach extensiver operativer Therapie erfordern im Verlauf erneute operative Eingriffe [6]. Über die Problematik der Unterkorrekturen, insbesondere die persistierende Fehlstellung des Os naviculare, wurde auch häufig berichtet [7–9]. Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde die Klumpfußtherapie durch die Einführung der minimal-invasiven Ponseti-Methode revolutioniert [10]. Grundlage des Ponseti-Konzepts ist ein genaues Verständnis der pathoanatomischen Gegebenheiten.

Pathoanatomie

Das Erscheinungsbild des Klumpfußes ist maßgeblich bestimmt durch eine Fehlrotation des subtalaren Gelenkkomplexes – bestehend aus Os naviculare, Kalkaneus und Kuboid – in Relation zum Talus nach medioplantar. Die Fehlstellung basiert einerseits auf knöchernen Veränderungen, insbesondere der tarsalen Knochen, andererseits auf Gelenkfehlstellungen, Sehnen- und Muskelverkürzungen medioplantar sowie überdehnten Muskelsehnenkomplexen dorsolateral.

Wesentlich für das Verständnis der Vorgehensweise nach Ponseti sind die folgenden pathoanatomischen Grundsätze [10], die sich auch radiologisch erkennen lassen (s. Abb. 1):

  • der Fuß steht insgesamt in Supination,
  • vor allem der Rückfuß wird durch kurze Bänder und Sehnen (Mm. tibialis posterior, flexor hallucis und digitorum longus, Achillessehne, Plantarfaszie) in Fehlstellung fixiert,
  • das Os naviculare, der Calcaneus und das Os cuboideum sind in Relation zum Talus nach medio-plantar fehlrotiert,
  • der Hohlfuß resultiert aus der Pronations(!!!)-Fehlstellung des Vorfußes in Relation zum Rückfuß,
  • der erste Strahl ist zusätzlich nach plantar flektiert,
  • die Vorfußgelenke sind meist normal konfiguriert und locker,
  • das untere Sprunggelenk und das Chopart-Gelenk bewegen sich nicht um eine fixierte Rotationsachse, sondern die Bewegung in den Tarsalgelenken findet um mobile Rotationsachsen statt.

Diagnostik

Vor Beginn einer therapeutischen Maßnahme ist eine sorgfältige Untersuchung des Kindes und speziell der Fußfehlstellung erforderlich. Ziel der Ganzkörperuntersuchung ist es, mögliche sekundäre Ursachen der Klumpfußfehlstellung zu erkennen, die dann auch bei der Erstellung eines Gesamttherapiekonzepts zu berücksichtigen sind.

Die Untersuchung des Fußes zielt darauf ab, die einzelnen Komponenten der Fehlstellung zu analysieren und insbesondere die Rigidität und passive Korrigierbarkeit derselben zu erkennen. Daraus lässt sich der Schweregrad bestimmen und die Prognose ableiten.

Für die Beurteilung des Verlaufs und des Endergebnisses einer Klumpfußbehandlung ist die standardisierte Dokumentation des Ausgangsbefunds zwingend notwendig. Mehrere Klassifikationssysteme sind beschrieben, diejenigen von Pirani [11] sowie von Diméglio [12] haben derzeit die größte Verbreitung. In Tabelle 1 wird daher der schnell und auch in der Praxis gut durchführbare Pirani-Score vorgestellt.

Pirani klassifiziert den Klumpfuß anhand von 6 Parametern mit einem 6-Punkte-System. Jeweils 3 Parameter bestimmen die Deformität im Rückfuß (Rückfuß-Score) und im Mittelfuß (Mittelfuß-Score) mit jeweils maximal 3 Punkten [13]:

  • 0 Punkte für Normalbefund,
  • 0,5 Punkte für eine mäßige pathologische Abweichung,
  • 1 Punkt für eine ausgeprägte pathologische Abweichung.

Therapie

Ziel der Klumpfußtherapie ist ein funktionell guter, schmerzfreier Fuß mit bestmöglicher Beweglichkeit. Dies beinhaltet als Ziel sowohl das Tragen eines Konfektionsschuhs als auch die Ermöglichung einer uneingeschränkten, aktiven Beteiligung an Schul- und Freizeitsport.

Aktuell gilt das Therapiekonzept nach Ponseti als Methode der Wahl zur Behandlung des kongenitalen Klumpfußes und soll daher nachfolgend detailliert beschrieben werden.

Klumpfußbehandlung
nach Ponseti

Unter Anerkennung der pathoanatomischen Verhältnisse – nämlich, dass es sich bei der Klumpfußfehlstellung um eine subtalare Rotationsfehlstellung nach medial und plantar handelt – ist das therapeutische Prinzip eine Derotation des subtalaren Gelenkkomplexes unterhalb des Talus. Der Behandlungsbeginn erfolgt postpartal möglichst frühzeitig – idealerweise innerhalb der ersten 1–2 Lebenswochen. Wöchentlich wird eine graduelle Redressionsbehandlung durchgeführt und anschließend das erzielte Korrekturergebnis im Oberschenkelgips gehalten (s. Abb. 3). Sämtliche Komponenten der Fehlstellung, außer der Spitzfußkomponente, werden simultan korrigiert. Ist diese meist nach 5–7 Wochen erfolgreich abgeschlossen, erfolgt die Behandlung des Spitzfußes, die in den meisten Fällen eine perkutane Achillotenotomie erfordert. Nach einer weiteren 3-wöchigen Gipsphase erfolgt die Rezidivprophylaxe mittels einer speziellen Abduktionsschiene, die zunächst 24 Stunden, später lediglich zu den Ruhezeiten bis zum 4.–5. Lebensjahr getragen werden muss.

Im Einzelnen wird die Behandlung in folgenden Schritten durchgeführt:

 

1. Korrektur der Cavus-
komponente

Zu Beginn erfolgt die Korrektur der Hohlfußkomponente und der Vorfußpronation durch Supination des Vorfußes mit Dorsalextension des Metatarsale I-Köpfchens; dabei wird ein leichter Gegendruck am lateralen Taluskopf ausgeübt. Anschließend erfolgt die Anlage eines Oberschenkel-Redressionsgipses in Supinationsstellung mit Anheben des 1. Strahls und maximal möglicher Abduktion bei 90° Knieflexion; die Spitzfußkomponente wird zu diesem Zeitpunkt nicht korrigiert! Ziel dieses Schrittes ist es, das Alignement von Vor- und Mittelfuß mit dem Rückfuß herzustellen – Vor- und Mittelfuß kommen mit dem Rückfuß in eine Supinationsebene. Dieses Ziel ist üblicher Weise nach 1–2 Behandlungen erreicht.

2. Korrektur der Varus- und
Adduktionsfehlstellung

Im weiteren Verlauf erfolgt schrittweise die Redression des in Plantarflexion und Supination gehaltenen Fußes in Richtung Abduktion/Außenrotation. Dabei wird am lateralen Taluskopf ein Gegendruck aufgebaut, der damit als Hypomochlion dient und sicherstellt, dass die Korrektur tatsächlich subtalar erfolgt. Nach der Redression wird erneut ein
OS-Gips in maximal möglicher Korrekturstellung angelegt. Angestrebt wird eine Abduktion-/Außenrotationsstellung von 50–70°. Wenn das Navikulare, das Kuboid und der übrige Mittel- und Vorfuß in Relation zum Taluskopf nach lateral mobilisiert sind, folgt der anteriore Anteil des Kalkaneus; damit korrigiert sich das Fersenvarus und die subtalare Derotation ist vollständig ausgeführt. Auf keinen Fall darf bei der Mobilisation die Ferse fixiert werden, da sonst die Abduktion des anterioren Anteils des Kalkaneus in Relation zum Talus gehemmt wird.

 

3. Korrektur der Equinus-
fehlstellung

Ist die Derotation abgeschlossen, verbleibt in 85–95 % der Fälle eine Spitzfußkomponente, welche perkutan durch eine Achillessehnentenotomie korrigiert wird. Ponseti propagiert die Tenotomie in Lokalanästhesie, in Deutschland wird diese Maßnahme überwiegend in Vollnarkose durchgeführt. Anschließend erfolgt für weitere 3 Wochen die Anlage eines Oberschenkelgipses in maximal möglicher Korrekturstellung mit ca. 60–70° Abduktion/Außenrotation und 15–20° Dorsalextension.

Wichtig ist zu beachten, dass zu keinem Zeitpunkt der Redression eine Pronation und Manipulation der Ferse durchgeführt wird, da der subtalare Gelenkkomplex sonst blockiert wird! Eine Dorsalextension des Fußes bei noch nicht ausreichender Derotation des subtalaren Gelenkkomplexes führt zu einem persistierenden Schaukelfuß und ist daher auch unbedingt zu vermeiden.

Bei der Gipsanlage ist zu beachten, dass immer (!) ein Oberschenkelgips in 90° Knieflexion angelegt wird, mittels eines alleinigen Unterschenkelgipses kann die Rotation des Fußes nicht kontrolliert und gehalten werden; des Weiteren ist – wenn überhaupt – nur ganz wenig Watte zu verwenden, damit eine gute Modellierung des Fußes möglich ist.

4. Rezidivprophylaxe

Es folgt nach 3 Wochen die Gipsabnahme und Anpassung einer Fuß-Abduktionsschiene wie in Abbildung 4 dargestellt. Dabei wird der gesunde Fuß in 40° Abduktion/Außenrotation und der therapierte Klumpfuß in 70° Abduktion/Außenrotation in der Schiene eingestellt. Eine Dorsalextension von ca. 15° ist in beiden Schuhen notwendig. Der Abstand der Schuhe soll ca. schulterbreit sein. Die Schiene wird für die ersten 3–4 Monate tags und nachts (23 Stunden) und anschließend nur noch zu den Ruhezeiten getragen. Die Schienenbehandlung ist bis zum 4.–5. Lebensjahr erforderlich [14]. Sie dient der Rezidiv-Prophylaxe und ist in keinem Fall für die Korrektur eines Klumpfußes geeignet!

Durch die Einführung der Ponseti-Methode wurde die Behandlung des primären Klumpfußes in Deutschland revolutioniert und die Ergebnisse sind mit primären Erfolgsraten zwischen 92 und 100 % mehr als ermutigend; weniger als 10 % benötigen primär ein exzessives peritalares Release à la McKay. Auch funktionell sind die nach Ponseti behandelten Klumpfuß-Patienten besser als die herkömmlich operativ behandelten – sowohl subjektiv als auch objektiv [15, 16]. Duffy et al. fanden bei 42 nach Ponseti behandelten Klumpfüßen im Alter von durchschnittlich 6,5 Jahren eine signifikant bessere Beweglichkeit des OSGs sowie ein physiologischeres Gangbild gemessen mittels instrumenteller Ganganalyse im Vergleich zu 31 chirurgisch therapierten Klumpfüßen im Alter von 9,1 Jahren; bzgl. des Gangbilds war insbesondere die Fußrotation bei den Ponseti-Patienten deutlich günstiger [15].

Damit sind die Vorteile der Ponseti-Methode evident: besseres funktionelles Ergebnis sowie kürzere und weniger invasive Behandlungsphase im Vergleich zur herkömmlichen operativen Primärbehandlung. So wurde in verschiedenen Ländern ein signifikanter Rückgang komplexer Klumpfußoperationen beobachtet [17]. Auch die Komplikationsrate ist minimal: Bei 200 perkutanen Achillotenotomien fanden Dobbs et al. [18, 19] lediglich in 4 Fällen (0,02 %) eine ernsthafte Blutung (3-mal A. peronea, einmal V. saphena parva). Laut Lebel et al. hat das Narkoseverfahren dabei keinen Einfluss auf die Komplikationswahrscheinlichkeit [20].

Interessant ist die Beobachtung, dass die Achillessehne nach Tenotomie innerhalb weniger Wochen wieder in ihrer Kontinuität hergestellt ist: Mangat et al. fanden sonografisch bereits 3 Wochen nach Tenotomie eine wiederhergestellte Kontinuität, aber erst nach 12 Wochen eine typische Sehnentextur [21]; andere Studien, z.B von Saini et al. [22] konnten anhand von klinischer Untersuchung und MRT belegen, dass die Kontinuität der Sehne innerhalb von 6 Wochen wiederhergestellt ist.

Im Ponseti-Konzept ist eine begleitende physiotherapeutische Behandlung nicht vorgesehen, ihr Einsatz wird aber insbesondere im deutschen Sprachraum häufig diskutiert. Wesentlicher Parameter für die Zufriedenheit mit dem funktionellen Ergebnis im Langzeitverlauf ist die Dorsalextensionsfähigkeit im OSG. Eberhardt et al. fanden bei 102 idiopathischen Klumpfüßen im Lauf-lernalter eine Dorsalextension von durchschnittlich 25°, Herzenberg et al. von durchschnittlich 32° [3, 23]. Bekanntermaßen nimmt auch bei gesunden Kindern die Dorsalextensionsfähigkeit zum Schulalter hin ab – diese ist jedoch bei Klumpfußkindern ausgeprägter, sodass die Indikation eher großzügig zu stellen ist [3]. Positive Ergebnisse konnten auch schon z.B. von Nilgün et al. [24] dokumentiert werden.

Dieses Behandlungskonzept ist aber nicht nur unmittelbar nach der Geburt erfolgreich, sondern es hat sich auch zur Behandlung der sog. „neglected clubfeet“ als geeignet erwiesen, also bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres ohne vorangegangene Klumpfußtherapie, wie Lourenco, Morcuende et al. [25] bei 24 behandelten Klumpfüßen im Alter von 3,9 Jahren bei Erstvorstellung zeigen konnten.

A ls Hauptnachteil der Methode ist das über einen doch relativ langen Zeitraum notwendige Tragen der Schiene zu betrachten. Dadurch ist die Mobilität der Kinder deutlich eingeschränkt, was insbesondere häufig dann zu Compliance-Problemen führt, wenn die Kinder gehfähig sind. Die Rezidivquote wird aber signifikant bestimmt vom konsequenten Tragen der Orthese [26]. Von daher ist es dringend erforderlich, die Eltern bei den Kontrollterminen wiederholt eindringlich auf die Notwendigkeit der Orthesenbehandlung hinzuweisen. Es wurden verschiedene Versuche unternommen, durch eine Modifikation der Orthese die Compliance zu erhöhen; Studien mit unilateral anzulegenden Orthesen zeigten aber jeweils eine deutlich höhere Rezidivquote als wenn die Versorgung mit Orthesen, die nach den Ponseti-Prinzipien konstruiert wurden, erfolgte: Janicki et al. haben nach erfolgreicher Redression und Tenotomie 30 Klumpfüße mit Sprunggelenk-/Fußorthese und 39 Klumpfüße mit ei-
ner Dennis-Brown-Fußabduktionsschiene untersucht; in 83 % der mit Sprunggelenk-/Fußorthese versorgten Gruppe und in nur 31 % der mit Abduktionsschiene versorgten Gruppe trat ein Klumpfußrezidiv auf [27]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen George et al. [28].

Rezidiv-Therapie
nach Ponseti

Klumpfüße sind auch nach primär erfolgreicher Primärbehandlung sehr rezidivfreudig; insbesondere in den ersten 2–5 Lebensjahren besteht eine hohe Rezidivgefahr. Die Angaben zur Häufigkeit sind sehr unterschiedlich und reichen von 11–48 % [3, 29, 30]. Das Patientenkollektiv von Ponseti selbst zeigt folgende Rezidivquote: 1 Rezidiv bei 47 % der behandelten Klumpfüße (Durchschnittsalter 39 Mo.), 2 Rezidive bei 24 % (Durchschnittsalter 53 Mo.), 3 Rezidive bei 9,6 % (Durchschnittsalter 63 Mo.), und 4 Rezidive bei 3 % (Durchschnittsalter 77 Mo.) [31]. Daher sieht das Ponseti-Konzept auch einen eindeutigen Algorithmus vor, wie zu verfahren ist, wenn bei einer klinischen Kontrolluntersuchung sich Hinweise auf ein Rezidiv ergeben [10, 14].

Zunächst ist die Wiederholung einer Gipsredression nach den bei der Primärbehandlung beschriebenen Prinzipien für ca. 4–6 Wochen – mit Oberschenkelgipsen (!), die alle 1–2 Wochen gewechselt werden – indiziert. Die Gipse werden im Allgemeinen von den Kindern gut toleriert, die Fortbewegung erfolgt krabbelnd bzw. für längere Strecken im Buggy; manchen Kindern gelingt es auch zu laufen. Anschließend ist das weitere konsequente Tragen der Nachtlagerungs-Orthese erforderlich [32].

In den meisten Fällen kann auf diese Weise die Fehlstellung erfolgreich korrigiert werden, exemplarisch in Abbildung 5 nach primärer Klumpfußkorrektur zu sehen.

Das Verfahren kann auch bei einem Rezidiv nach Rezidiv wiederholt werden. Gelegentlich verbleibt ein Spitzfuß (OSG-Dorsalextension < 10°). Bis zum 2. Lebensjahr kann dieser mittels perkutaner Achillotenotomie sicher angegangen werden; bislang ist in der Literatur nach unserer Kenntnis keine Altersgrenze beschrieben, Spiegel et al. führten die perkutane Achillotenotomie sogar bis zum 6. Lebensjahr durch [33]. Alternativ ist eine z-förmige Achillessehnenverlängerung oder eine Gastrocnemiusrezession z.B. nach Vulpius-OP zu empfehlen [34]. Ein dorsales Release des OSG bzw. USG ist gelegentlich bei nicht ausreichender Korrektur des residuellen Spitzfußes erforderlich [32].

Sollte nach Gipsredression bei einem Rezidiv bei Kindern älter als 2,5 Jahren noch eine deutliche dynamische Supinationskomponente während der Schwungphase bestehen, sieht das Ponseti-Konzept einen Tibialis-anterior-Sehnentransfer vor. Ponseti empfiehlt den Transfer der kompletten Sehne auf das Os cuneiforme laterale; nach seiner Erfahrung wird dadurch ein weiteres Rezidiv verhindert, die Korrektur des Fersenvarus erhalten, der talocalcaneare Winkel in der ap-Ansicht verbessert und die Notwendigkeit eines medialen Releases reduziert. Alternativ kann die hälftige Sehne auf das Kuboid transferiert werden. Besteht eine Dorsalextension von < 10°, wird gleichzeitig eine Achillessehnenverlängerung empfohlen [14]. Dabei ist darauf zu achten, ob nicht eventuell ein akzessorischer M. soleus vorliegt, der möglicherweise für das Rezidiv verantwortlich ist. Im Anschluss an die Gipsphase, in der der Fuß auch nochmals redressiert werden kann, ist eine weitere nächtliche Orthesenbehandlung erforderlich.

Eine physiotherapeutische Behandlung mit Dehnung der mediodorsalen Strukturen und Kräftigung der Pronatoren ist im Konzept von Ponseti zwar nicht vorgesehen, ist aber eine zusätzliche Maßnahme, die von den Kindern mit den Eltern nach entsprechender Anleitung täglich durchgeführt werden kann und dann sicherlich den Erfolg der Maßnahmen unterstützt [3, 24].

Sollte trotz Gipsredression und Tibialis-anterior-Transfer eine Vorfußadduktion persistieren, ist eine Verkürzung der lateralen Fußsäule indiziert: im Alter zwischen 2 und 4 Jahren hat sich die Herausschälung des Knochenkerns aus dem Kuboid (Decancellation) bewährt; bei älteren Kindern erfolgt die Resektion eines lateralbasigen Keils aus dem Kuboid.

Wenn das beschriebene Konzept konsequent umgesetzt wird, sind größere, invasivere Verfahren mit einem ausgedehnten Gelenkrelease nur in vereinzelten Fällen notwendig [3]. Eberhardt et al. konnten bei 102 Klumpfüßen mit einem Mindest-Follow-up von 5 Jahren einen guten oder exzellenten McKay-Score bei 91 % der behandelten kongenitalen Klumpfüße erzielen; 31 % erhielten aufgrund eines Rezidivs einen operativen Eingriff (3 dorsale Arthrolysen mit Tibialis-anterior-Transfer [TAT], 12 Achillessehnenverlängerungen mit TAT, 5 alleinige TATs, 2 Kuboid-/kuneiformer Keiltransfers); auch jene zeigten ein sehr erfreuliches Ergebnis mit einem exzellenten oder guten McKay-Score in 82 % der Fälle.

Der sekundäre Klumpfuß wird analog dem kongenitalen Klumpfuß therapiert. In Abhängigkeit von der Grunderkrankung ist ggf. eine längere Phase der Gipsredression notwendig, operative Maßnahmen sind u.U. häufiger und die Ergebnisse ungünstiger. Bei der Arthrogryposis multiplex congenita fanden Kowalczyk et al. beispielsweise eine längere Phase der Gipsredression [35] als bei idiopathischen Klumpfüßen, und im Verlauf waren später und häufiger operative Eingriffe [36] notwendig. Wie Funk et al. in ihrer Studie zeigen konnten, ist das Ergebnis bei 48 nicht idiopathischen Klumpfüßen im Vergleich zu 111 idiopathischen Klumpfüßen zwar schlechter, die Zahl der operativen Revisionen jedoch nicht signifikant größer [37].

Fazit für die Praxis

Aufgrund der insgesamt überaus positiven Ergebnisse des Ponseti-Konzepts ist dies aktuell die Methode der Wahl. Wichtig ist, dass nach einer erfolgreichen Redressionsbehandlung bis zum 4./5. Lj. konsequent nachts eine Schiene getragen wird, die entsprechend den Prinzipien von Ponseti konstruiert ist. Sollten bei den regelmäßig durchzuführenden Verlaufskontrollen Hinweise auf ein Rezidiv offensichtlich werden (Einschränkung der Dorsalextension im OSG, Fersenvarus, Vorfußadduktion und -supination) – was nicht selten ist! –, sieht das Konzept eine erneute Gipsredression vor; in einigen Fällen ist eine Re-Tenotomie oder Verlängerung der Achillessehne, ein Tibialis anterior Transfer oder auch eine Kuboidkeilosteotomie erforderlich.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Bettina Westhoff

Universitätsklinikum Düsseldorf

Orthopädische Klinik

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

westhoff@med.uni-duesseldorf.de

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Fussnoten

1 Orthopädische Klinik, Heinrich-Heine Universität Düsseldorf

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