Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014

Aktueller Stand der Behandlung des kindlichen Klumpfußes

K. Weimann-Stahlschmidt1, R. Krauspe1, B. Westhoff1

Zusammenfassung: Das Therapiekonzept des kongenitalen Klumpfußes hat sich im letzten Jahrzehnt durch die Verbreitung der Ponseti-Methode fundamental gewandelt. Die Ponseti-Methode stellt aktuell die Therapiemethode der Wahl dar: Das Konzept ist primär konservativ, bestehend aus manueller Redression in Etappen und Retention im Gipsverband. In ca. 80–95 % der Fälle ist zusätzlich in den ersten Lebenswochen eine Achillessehnen-Tenotomie zur Korrektur des Spitzfußes notwendig. Der Gipstherapie schließt sich eine Schienenbehandlung bis zum 4.–5. Lebensjahr an. Durch das Therapiekonzept nach Ponseti konnte die Anzahl und insbesondere das Ausmaß der operativen Therapiemaßnahmen erheblich reduziert werden. Ein Rezidiv wird bei ca. 30 % der Patienten trotz primär erfolgreicher Behandlung beobachtet und ist damit ein wesentliches Charakteristikum der Deformität. Es wird abhängig vom Alter des Patienten mit erneuter Gipsredression, Physiotherapie bzw. primär extraartikulären Zweiteingriffen behandelt.

Mit zunehmender Verbreitung haben sich verschiedene Modifikationen der Ponseti-Therapie entwickelt. Dennoch wird in der Literatur die klassische Ponseti-Therapie als Methode der Wahl weiterhin propagiert.

Schlüsselwörter: Ponseti-Methode, Klumpfuß, Gipsredression, Klumpfußrezidiv

 

Zitierweise

Weimann-Stahlschmidt K, Krauspe R, Westhoff B: Aktueller Stand der Behandlung des kindlichen Klumpfußes.
OUP 2014; 1: 027–033, DOI 10.3238/oup.2014.0027–0033

Abstract: In the last 10 years the Ponseti method has developed to be the gold standard to correct clubfeet in children. The Ponseti method involves a series of weekly manipulation and retention in casts. In 80–95 % a percutaneous Achilles tenotomy is necessary to correct persistent equinus. To prevent recurrence the use of an abduction brace for 4–5 years is necessary.

Following this method the need for extensive surgical intervention to achieve a good to excellent functional and ana-tomic outcome has considerably been reduced.

The tendency for recurrence after successful correction seems to be an important characteristic of clubfoot deformity and appears in 30 % of originally corrected clubfeet. Depending on age of the patient and extent of deformity new series of casting, physiotherapy and – when indicated – re-tenotomie of the Achilles tendon and tibialis anterior tendon transfer often resolve recurrence.

Although several modifications of the Ponseti method in literature exist, the original method still is the treatment of choice for clubfoot in children.

Keywords: Ponseti-Method, club foot, recurrent clubfoot, serial casting

 

Citation

Weimann-Stahlschmidt K, Krauspe R, Westhoff B: Current state of clubfoot treatment in children.
OUP 2014; 1: 027–033, DOI 10.3238/oup.2014.0027–0033

Die Therapie des kongenitalen Klumpfußes stellt nach wie vor eine Herausforderung für den Orthopäden dar; über die Jahrhunderte wurden unterschiedlichste Therapiekonzepte verfolgt. Zuletzt wurde in den 80er Jahren das pathoanatomische Konzept des subtalaren Rotationsfehlers anerkannt und daraus das therapeutische Konzept der subtalaren Derotation mittels peritalarem Release abgeleitet [1, 2]. Das operative Vorgehen war technisch anspruchsvoll und aufwändig, die Ergebnisse waren unterschiedlich: Häufig waren die Füße zwar optisch ansprechend aber steif und damit funktionell nicht leistungsfähig [3–5]. Insbesondere der Schaukelfuß, die Vorfußsupination und der Fersenvalgus als Hinweis auf Überkorrektur nach extensiver operativer Therapie erfordern im Verlauf erneute operative Eingriffe [6]. Über die Problematik der Unterkorrekturen, insbesondere die persistierende Fehlstellung des Os naviculare, wurde auch häufig berichtet [7–9]. Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde die Klumpfußtherapie durch die Einführung der minimal-invasiven Ponseti-Methode revolutioniert [10]. Grundlage des Ponseti-Konzepts ist ein genaues Verständnis der pathoanatomischen Gegebenheiten.

Pathoanatomie

Das Erscheinungsbild des Klumpfußes ist maßgeblich bestimmt durch eine Fehlrotation des subtalaren Gelenkkomplexes – bestehend aus Os naviculare, Kalkaneus und Kuboid – in Relation zum Talus nach medioplantar. Die Fehlstellung basiert einerseits auf knöchernen Veränderungen, insbesondere der tarsalen Knochen, andererseits auf Gelenkfehlstellungen, Sehnen- und Muskelverkürzungen medioplantar sowie überdehnten Muskelsehnenkomplexen dorsolateral.

Wesentlich für das Verständnis der Vorgehensweise nach Ponseti sind die folgenden pathoanatomischen Grundsätze [10], die sich auch radiologisch erkennen lassen (s. Abb. 1):

  • der Fuß steht insgesamt in Supination,
  • vor allem der Rückfuß wird durch kurze Bänder und Sehnen (Mm. tibialis posterior, flexor hallucis und digitorum longus, Achillessehne, Plantarfaszie) in Fehlstellung fixiert,
  • das Os naviculare, der Calcaneus und das Os cuboideum sind in Relation zum Talus nach medio-plantar fehlrotiert,
  • der Hohlfuß resultiert aus der Pronations(!!!)-Fehlstellung des Vorfußes in Relation zum Rückfuß,
  • der erste Strahl ist zusätzlich nach plantar flektiert,
  • die Vorfußgelenke sind meist normal konfiguriert und locker,
  • das untere Sprunggelenk und das Chopart-Gelenk bewegen sich nicht um eine fixierte Rotationsachse, sondern die Bewegung in den Tarsalgelenken findet um mobile Rotationsachsen statt.

Diagnostik

Vor Beginn einer therapeutischen Maßnahme ist eine sorgfältige Untersuchung des Kindes und speziell der Fußfehlstellung erforderlich. Ziel der Ganzkörperuntersuchung ist es, mögliche sekundäre Ursachen der Klumpfußfehlstellung zu erkennen, die dann auch bei der Erstellung eines Gesamttherapiekonzepts zu berücksichtigen sind.

Die Untersuchung des Fußes zielt darauf ab, die einzelnen Komponenten der Fehlstellung zu analysieren und insbesondere die Rigidität und passive Korrigierbarkeit derselben zu erkennen. Daraus lässt sich der Schweregrad bestimmen und die Prognose ableiten.

Für die Beurteilung des Verlaufs und des Endergebnisses einer Klumpfußbehandlung ist die standardisierte Dokumentation des Ausgangsbefunds zwingend notwendig. Mehrere Klassifikationssysteme sind beschrieben, diejenigen von Pirani [11] sowie von Diméglio [12] haben derzeit die größte Verbreitung. In Tabelle 1 wird daher der schnell und auch in der Praxis gut durchführbare Pirani-Score vorgestellt.

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