Übersichtsarbeiten - OUP 02/2022

Akute und chronische Sprengungen des Akromioklavikulargelenks
Wie kommen wir zu guten Ergebnissen?

Die Rockwood-Typen IV und V erfordern oft eine operative Stabilisierung, um die Integrität des ACG und die Funktion des Schultergürtels wiederherzustellen. Die Therapie der Typ III-Verletzung wird kontrovers diskutiert. Je nach Beschwerdegrad und funktionellem Anspruch kann auch für diese Verletzungen eine operative Stabilisierung in Erwägung gezogen werden [6]. Für die operative Stabilisierung des ACG stehen diverse offene und arthroskopische Verfahren zur Verfügung. Die arthroskopischen Verfahren gewinnen zunehmend an Bedeutung, wenngleich insbesondere die Hakenplatte eine weiterhin häufig genutzte und zuverlässige Therapiealternative darstellt [16].

Bei den arthroskopischen Verfahren handelt es sich vor allem um Faden-Button-Systeme (FBS), die über Bohrkanäle durch die Clavicula und das Coracoid die verletzten coracoclaviculären Bänder über kleine Metallplättchen und reißfeste Kunststofffäden augmentieren und die native CC-Distanz wiederherstellen [11]. Durch diese interne Stabilisierung kommt es zu einer Vernarbung des coracoclaviculären Bandapparates [9]. Diese Vernarbung kann jedoch nur im Falle einer akuten Verletzung stattfinden, weswegen bei chronischen Verletzungen zusätzliche autologe oder allogene Transplantate zur biologischen Augmentation erforderlich sind [11]. Ab wann eine AC-Gelenksverletzung als chronisch gilt, ist ebenfalls umstritten [7]. Im eigenen Vorgehen gelten Verletzungen, die länger als 3 Wochen zurückliegen als chronisch.

Versorgung akuter AC-Gelenksprengungen mittels arthroskopisch assistiertem knotenlosem Faden-Button-System (Low-profile AC-System, Arthrex, Naples, Florida, USA)

Die Operation erfolgt in Allgemeinanästhesie in Beach-Chair-Lagerung. Zunächst wird eine 3–5 cm lange querverlaufende Inzision über der lateralen Clavicula kranial des Coracoids angelegt. Nach arthroskopischem Ausschluss von glenohumeralen Begleitpathologien über das posteriore Portal wird die Optik über ein anterolaterales Portal durch das Rotatorenintervall hindurch eingeführt, während die weiteren Arbeitsschritte über ein anteriores Portal erfolgen. Die Darstellung der Coracoidunterfläche und der Coracoidbasis erfolgt mit einer Radiofrequenzsonde. Mit Hilfe eines Zielgerätes und des Bildwandlers werden bikortikale 3 mm-Bohrungen durch Clavicula und Coracoid angelegt. Die erste Corticalis der Clavicula wird nachfolgend mit einem 5,1 mm-Kopfraumfräser überbohrt, damit das Implantat in der Clavicula zum Liegen kommen kann. Über den kanülierten 3 mm-Bohrer wird ein Faden durch Clavicula und Coracoid hindurchgezogen und über das anteriore Portal ausgeleitet. Nach dem Entfernen des Bohrers wird das Implantat mit 2 FiberTapes (Arthrex, Naples, Florida, USA) durch Clavicula und Coracoid antegrad aus dem anterioren Portal herausgezogen, um ein Metallplättchen (Dog-Bone Button, Arthrex Naples, Florida, USA) mit Fadenösen um das Implantat herumzulegen. Nun wird das Implantat retrograd wieder aus der Clavicula gezogen, während der Button mit einer Fasszange unter arthroskopischer Sicht unter das Coracoid geführt wird. Supraclaviculär wird nun durch Anspannen des Flaschenzugsystems der Button in das Sackloch in der Clavicula eingezogen. Nach Reposition des ACG durch Kranialisieren der Scapula wird das FBS zunächst manuell angespannt bevor über ein Spanngerät die Fadenspannung pro Tape auf etwa 50 Nm erhöht wird (Abb. 2). Dieses Anspannen erfolgt am besten unter Bildwandlerkontrolle, um eine Überspannung zu vermeiden.

Arthroskopische ACG-Stabilisierung mit Faden-Button-System und biologischer Augmentation

Da in der chronischen Situation die ACG-Instabilität aufgrund von Materialmigration- oder Ermüdung nicht alleine mit einem synthetischen FBS versorgt werden kann, muss eine zusätzliche biologische Augmentation der CC-Bänder und ggf. auch der AC-Bänder erfolgen. Für den Bandersatz eignet sich die autologe Gracilissehne ideal, weil sie in der Regel ausreichend lang und dick ist und komplikationsarm entnommen werden kann. Alternativ können auch Allografts, die Semitendinosussehne oder die Sehne des Musculus palmaris longus verwendet werden.

Während die Implantation des FBS in analoger Technik zur akuten ACG-Sprengung erfolgt, bestehen verschiedene Möglichkeiten, dass Sehnengraft zu positionieren. Neben transclaviculären und transcoracoidalen Bohrungen [17] kann die Sehne auch nur um das Coracoid und die Clavicula als Schlinge herumgelegt [18] und oberhalb der Clavicula verknotet werden. Zusätzliche Bohrlöcher sorgen zwar für einen guten Knochenkontakt des Transplantates, begünstigen jedoch auch die Frakturgefahr [19–20]. Dieses gilt insbesondere für das Coracoid in der Revisionssituation.

In Ergänzung zur Augmentation des CC-Bandapparates können die Schenkel der Gracilissehne über transacromiale Bohrlöcher oder Fadenanker am Acromion befestigt werden, um den AC-Bandapparat biologisch zu augmentieren [18].

Im eigenen Vorgehen wird die arthroskopische ACG-Stabilisierung in der chronischen Situation mit einem Low-profile AC-System (Arthrex, Naples, Florida, USA) in der gleichen Technik wie für akute ACG-Sprengungen durchgeführt. Die biologische Augmentation erfolgt mit einer autologen Gracilissehne, welche um das Coracoid herumgelegt und über der Clavicula verknotet wird (Abb. 3).

Durch den Zugang zur lateralen Clavicula kann das Coracoid nun mit einem gebogenen kanülierten Intstrument (Coracoid Passer, Fa. Arthrex, Naples, USA) oder mit einem Faden in einer Overholt-Klemme von medial nach lateral umfahren werden. Anschließend wird ein Shuttledraht oder -faden nach anterior ausgeleitet. Dieser wird nun lateral des Coracoids wieder durch die Hautinzision über der Clavicula ausgeleitet. Der Faden geht somit einmal kaudal um das Coracoid herum. Der Faden wird nun zunächst belassen. Ein weiterer Faden wird von anterior nach posterior direkt unter der Clavicula vorgelegt, um später ein Transplantatende um die Clavicula herumzulegen. Nun wird das armierte Transplantat um das Coracoid herumgezogen, bevor der mediale Schenkel noch nach posterior über den zweiten Faden unter der Clavicula hindurchgezogen wird. Die Passage unter dem Coracoid wird dabei arthroskopisch kontrolliert. Zum Abschluss werden die Transplantatenden über der Clavicula verknotet und mit einem nicht-resorbierbaren Faden vernäht.

Nachbehandlung

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