Arzt und Recht - OUP 01/2015
Arzthaftungsansprüche verjähren auch bei laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen*
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Sören Kleinke, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de
Das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) hat entschieden, dass zivilrechtliche Arzthaftungsansprüche von Patienten trotz eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens verjähren können (Urteil vom 2. Juli 2014, Az. 1 W 37/13).
Der Fall
Eine Frau hatte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Arzthaftungsklage beantragt. Während einer Schwangerschaft hatte sie sich in Behandlung bei niedergelassenen Gynäkologen befunden. Dann hatte sie sich in stationäre Behandlung begeben. Bei einer im Krankenhaus eingeleiteten Operation verstarb das ungeborene Kind. Die Frau ließ Anfang 2007 durch ihre Anwälte Arzthaftungsansprüche geltend machen. Zu Beginn des Jahres 2009 erstatteten ihre Rechtsanwälte zusätzlich Strafanzeige gegen die betroffenen Ärzte. Ein durch die Staatsanwaltschaft eingeholtes Gutachten lag im Februar 2011 vor. Hierauf wurden die Haftungsansprüche gestützt.
Die Entscheidung
Das OLG wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe nun jedoch wegen Verjährung der etwaigen Arzthaftungsansprüche zurück. Denn die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners habe die Antragstellerin bereits mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte zu Beginn des Jahres 2007 gehabt. Darin habe sie einen entscheidenden und konkreten Vorwurf der fehlerhaften Behandlung in Form einer unterlassenen stationären Anweisung zur Durchführung einer Sectio erhoben.
Praxishinweise
Eine Strafanzeige gegen den behandelnden Arzt erscheint aus Sicht mancher Patientenanwälte ein probates Mittel zu sein, um auf vermeintlich leichtem Weg zu einem medizinischen Gutachten und damit zu einer Sachverhaltsaufklärung zu kommen. Gegen diesen Schritt sprechen aber – außer der vom OLG dargelegten Verjährungsproblematik – noch andere Aspekte.
Zum einen ist ein Gutachten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (wenn überhaupt) nur äußerst eingeschränkt hilfreich für das zivilrechtliche Verfahren, da dort ganz andere Anforderungen sowohl an die Kausalität als auch an die Beweislast gestellt werden. Darüber hinaus sind erfahrungsgemäß die Haftpflichtversicherungen der Ärzte bei einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren deutlich weniger entgegenkommend, was die Zahlung etwaiger Vorschüsse an die Patienten für laufende Akutkosten betrifft. Schließlich droht die Aussetzung eines etwaig bereits laufenden zivilrechtlichen Arzthaftungsverfahrens gemäß § 149 Zivilprozessordnung.
Fussnoten
* Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Chefärzte Brief 11/14, IWW Institut, Aspastr. 24, 59394 Nordkirchen, www.cb.iww.de