Übersichtsarbeiten - OUP 02/2020

Beckenverletzungen
Intraoperative Bildgebung während der osteosynthetischen Versorgung

Jannes Kreher, Jochen Franke, Paul Alfred Grützner, Holger Keil

Zusammenfassung:

Insgesamt stellt die operative Therapie von Beckenverletzungen auf mehreren Ebenen eine herausfordernde Aufgabe in der Unfallchirurgie dar. Alle Frakturen mit Beteiligung des vorderen und/oder hinteren Beckenrings, insbesondere auch Frakturen des Acetabulums, sind unter dem Oberbegriff Beckenverletzungen subsummiert und machen 5?8 % aller Frakturen aus. Hierbei können die Anteile des Beckens einzeln oder kombiniert miteinander betroffen sein. Eine maßgebliche Voraussetzung für die operative Versorgung dieser oftmals komplexen Verletzungen ist die korrekte Lagerung und Einstellung der intra-operativen Bildgebung. Dies kann mitunter sehr schwierig und teilweise nur unter gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Beurteilbarkeit durchgeführt werden. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Probleme und Herausforderungen in der Bildgebung zur Kontrolle der Reposition und Implantatlage in 2D, 3D und intra-operativer CT-Technik mit Navigation am Becken.

Schlüsselwörter: intraoperative Bildgebung, Beckenverletzung, Acetabulum, 2D, Fluoroskopie, 3D, CT, Navigation

Zitierweise: Kreher J, Franke J, Grützner PA, Keil H: Beckenverletzungen. Intraoperative Bildgebung während der osteosynthetischen Versorgung. OUP 2020; 9: 076–082
DOI 10.3238/oup.2019.0076–0082

Summary: Operative fixation of pelvic injuries represents a challenging task in trauma surgery. Acetabulum and pelvic ring fractures are summarized under the generic term pelvic injuries and account for 5?8 % of all fractures. An essential task in the operative treatment of these often complex injuries is correct patient positioning and placement and adjustment of intra-operative imaging. Obtaining appropriate intra-operative imaging can be challenging which may lead to limited evaluation of important surgical landmarks and surgical fixation. This article provides an overview of problems and challenges regarding intra-operative imaging to evaluation, landmarks, reduction and implant position with 2D, 3D and intra-operative CT with navigation during pelvic surgery.

Keywords: intraoperative imaging, pelvic injury, acetabulum, 2D, fluoroscopy, 3D, CT, navigation

Citation: Kreher J, Franke J, Grützner PA, Keil H: Pelvic trauma: Intraoperative imaging during surgical treatment. OUP 2020; 9: 076–082 DOI 10.3238/oup.2019.0076–0082

BG Klinik Ludwigshafen, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie

Einleitung

Die Beckenfraktur stellt prozentual gesehen eher eine seltene Verletzung mit einer Häufigkeit von 5?8 % aller Frakturen dar [21]. Man unterscheidet zwischen dislozierten und undislozierten Verletzungen. Bei undislozierten Verhältnissen ist oftmals eine konservative Therapie möglich. Diese setzt eine konsequente Umsetzung der Mobilisierungsgrenzen, entsprechend einer hohen Patientencompliance voraus.

Bei dislozierten Beckenverletzungen bestehen nicht selten lebensbedrohliche Begleitverletzungen, die zuerst notfallmäßig nach dem Damage-Control-Konzept versorgt werden müssen, bevor im weiteren Verlauf und nach klinischer Stabilisierung, die Osteosynthese des Beckens angestrebt werden kann [19].

Auffallend sind 2 Gipfel in der Statistik der Beckenverletzungen – einer für die jungen Patienten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr mit einem Hochrasanztrauma und der zweite für die älteren Patienten um das 70. Lebensjahr mit einem Bagatelltrauma bei oftmals osteopenem Knochen. Die wichtigste Voraussetzung für die operative Versorgung einer Beckenverletzung ist die Kenntnis über die anatomischen Strukturen und die Versorgungsstrategien, sowie das Beherrschen der operativen Techniken und die Möglichkeit der Verwendung von adäquater intra-operativer Bildgebung. Aus diesem Grund sollten diese Beckenverletzungen nur in ausgewiesenen Zentren mit der entsprechenden Ausstattung und Expertise versorgt werden. Beckenfrakturen werden aufgeteilt in Acetabulumfrakturen und Beckenringverletzungen, diese wiederum werden nach dem vorderen und hinteren Beckenring unterschieden. Zuletzt gehören auch die Sakrumfrakturen, welche isoliert oder in Kombination auftreten können, zu den hier zu besprechenden Frakturen.

Anatomie

Funktionell stellt der Beckenring eine Verbindung zwischen Rumpf und unterer Extremität dar. Hierbei dient das Becken der Last- und Kraftübertragung auf die Beine. Der Beckenring wird aus den Ossa acetabuli, den Ossa ilii, den Ossa ischii, Ossa pubis, dem Os sacrum und dem Os coccygis gebildet.

Es existieren unterschiedliche Klassifikationen der Beckenfrakturen. Die Einteilung nach der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) bezieht sich auf die betroffenen Strukturen, während die Young-Burgess-Klassifikation die Einteilung nach den einwirkenden Kräften vornimmt [10].

Bei isolierten vorderen Beckenringfrakturen ist oft ein konservatives Procedere zielführend. Voraussetzung dafür ist eine stabile Situation ohne Dislokation der Frakturenden. Nicht selten kommt es jedoch zu Kombinationsverletzungen des vorderen und hinteren Beckenrings. Hierdurch entsteht eine potentiell instabile Situation, welche in Abhängigkeit des Alters, der Dislokation, des Anspruchs und des klinischen Zustands des Patienten operativ versorgt werden sollte. Hierbei wird zwischen einer Typ-B-Verletzung mit einer Instabilität lediglich in der horizontalen Ebene und einer Typ-C-Verletzung mit zusätzlicher Instabilität in der vertikalen Ebene unterschieden. Die Typ-C-Verletzungen gehen mit einem deutlich höheren Dislokationsrisiko einher.

Von den Beckenfrakturen nach Hochrasanztraumata sind die Insuffizienzfrakturen abzugrenzen. Diese Frakturen werden häufig durch Bagatelltraumata bei osteoporotischem Knochen verursacht. In diesen Fällen gilt die Fragility Fractures of the Pelvis (FFP) Klassifikation. Hier unterscheidet man vier Typen, die isolierte vordere Beckenringfraktur (FFP I), die nicht verschobene Fraktur des hinteren Beckenrings (FFP II), die dislozierte unilaterale hintere Beckenringverletzung mit Instabilität des vorderen Beckenrings (FFP III) und die bilateral verschobene hintere Beckenringfraktur (FFP IV) [16].

Bei Insuffizienzfrakturen ist eine frühe Mobilisierung das oberste Ziel. Hierzu sollte möglichst zeitnah ein hohes Maß an Übungsstabilität erreicht werden [17]. Um dieses Ziel zu erreichen ist ein interdisziplinäres Vorgehen, wenn möglich in einem alterstraumatologischen Zentrum, notwendig.

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