Übersichtsarbeiten - OUP 02/2020

Beckenverletzungen
Intraoperative Bildgebung während der osteosynthetischen Versorgung

Bei Acetabulumfrakturen handelt es sich biomechanisch um Verletzungen des vorderen und/oder hinteren Pfeilers und somit um eine massive Beeinträchtigung der Last- und Kraftübertragung von der unteren Extremität auf den Rumpf. Für die Einteilung existieren diverse Klassifikationen. Wenn man die Morphologie der Fraktur betrachtet, ist die Klassifikationen nach Letournel gebräuchlich [8, 23]. Letztlich entscheidend, ob eine Operation durchgeführt werden sollte oder nicht, ist die Dislokation der Fraktur. Für Gelenkfrakturen werden Stufenbildungen im Bereich der Hauptbelastungszone im Gelenk, dem Acetabulumdach, von maximal 2 mm als tolerabel angesehen [12]. Nicht selten kommt es auf Grund von Muskelzügen an den Fragmenten zu einer fortschreitenden Dislokation. Insbesondere bei einer Beteiligung beider Pfeiler ist mit einer erheblichen Stufenbildung zu rechnen, welche in der Regel nur durch eine Osteosynthese reponiert und fixiert werden kann.

Das Sakrum bildet das Bindeglied zwischen Wirbelsäule und Becken mit einer hohen funktionellen Relevanz. Beim osteoporotischen Knochen besteht eine große Gefahr für Insuffizienzfrakturen in diesem Bereich. Diese werden im konventionellen Röntgen sehr einfach übersehen und selbst im CT sind diese Verletzungen teilweise nur extrem schwer abzugrenzen. Auf Grund des osteopenen Knochens und der damit verbundenen fehlenden Kontrastierung in den Fluoroskopie-Aufnahmen, ist teilweise die Repositionskontrolle nahezu unmöglich.

Methodik

Fluoroskopie: In der intraoperativen Durchleuchtung entstehen Summationsbilder. Objekte entstehen durch die verschiedene Absorption der ausgesendeten Röntgenstrahlen. Die erste Entwicklungsstufe, der C-Arm, wurde 1956 erstmals verwendet [22]. In den Folgejahren wurde die Technologie stetig weiterentwickelt und an der Bildqualität geforscht. Die aktuelle Generation stellen die Flat-Panel-Detektoren dar, die eine vergleichbare Bauweise bei jedoch größerem Bildausschnitt und besserer Auflösung haben [3]. Das Verfahren der Fluoroskopie ist schnell verfügbar und dient der Beurteilung der Anatomie sowie der Implantatlage. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit einer dynamischen Untersuchung. Die räumliche Auflösung ist ebenso wie die Kontrastierung geringer im Vergleich zu stationären Röntgenanlagen. Die Bildqualität wird insbesondere durch kräftige Weichteile, luft- oder kotgefüllte Darmschlingen des Patienten negativ beeinflusst. Je nach Osteosyntheseverfahren und der damit einhergehenden Patientenlagerung ist nicht jede Standardprojektion einstellbar, sodass mitunter Kompromisse eingegangen werden müssen. Die Standardaufnahme des Beckens ist eine a.p.-Aufnahme mit möglichst großem Bildausschnitt (Abb. 1).

Im Hinblick auf den Beckenring werden zusätzlich zur a.p.-Aufnahme standardmäßig eine Inlet- und eine Outlet-Aufnahme durchgeführt. Diese Projektion wird durch eine Verkippung des C-Bogens um 35°?45° nach kranial oder kaudal erreicht. Die Inlet-Aufnahme wird durch die Neigung des C-Bogens nach kranial und die Outlet-Aufnahme durch entsprechende Neigung nach kaudal angefertigt. Der exakt einzustellende Winkel ist von der individuellen Anatomie des Beckenrings abhängig. Ein Kriterium für die Qualität der Inlet-Aufnahme ist die tangential getroffene Vorderkante des S1. Der Beckenring ist längsoval verzerrt und der obere und untere Schambeinast projizieren sich nahezu aufeinander. Somit ergibt sich eine orthogonale Abbildung der Beckeneingangsebene (Abb. 2).

Ein Qualitätskriterium für die Outlet-Aufnahme ist die Orthogonalität zur S1 Vorderkante, dadurch werden auch die Symphyse und die Foramina obturatoria orthogonal dargestellt. Ebenfalls zur Darstellung kommen die Neuroforamina des Os sacrum und die orthogonal getroffenen SI-Gelenke (Abb. 3).

Zu den Standardebenen des Acetabulums in der Fluoroskopie gehört die Standard-a.p.-Aufnahme, die Ala- und die Obturatorprojektion. Im englischsprachigen Raum wird hier von einem „Judet oblique view“ gesprochen. Hierzu wird der C-Bogen 35°?45° aus der a.p.-Einstellung für die Obturator-Aufnahme über- und für die Ala-Aufnahme zurückgeschwenkt.

In der Obturatoraufnahme lässt sich das Foramen obturatorium orthogonal abbilden und sowohl die ventrale als auch die dorsale Wand des Acetabulums sowie das Pfannendach in der Regel gut beurteilen (Abb. 4).

Die Ala-Aufnahme, bei der die Ossis Ilii orthogonal getroffen und dadurch die Foramina obturatoria nicht mehr sichtbar sind, lässt eine Beurteilung der dorsalen Säule des Acetabulums zu. Außerdem lässt sich der Gelenkspalt gut einsehen (Abb. 5).

Im Fall einer osteosynthetischen Versorgung sind nicht selten Abweichungen von den Standard-Aufnahmen notwendig, um mit Hilfe von atypischen Projektionen den Verlauf von Schrauben darstellen zu können. Hierbei geht es insbesondere um die Fragestellung einer intraartikulären Schraubenlage. Dazu wird die Schraube tangential eingestellt und somit der Verlauf überprüft und dokumentiert (Abb. 6).

Je nach operativem Zugang ist gelegentlich auch eine Bildgebung in Seitenlage des Patienten notwendig. Kompromisse in der Fluoroskopieeinstellung sollten weitestgehend vermieden werden, um eine hohe Bildqualität zu gewährleisten und eine adäquate operative Versorgung zu ermöglichen.

Das Sakrum wird standardmäßig a.p. und seitlich aufgenommen, hierbei stellt insbesondere die laterale Aufnahme eine Herausforderung dar. Auf Grund der Summationsbilder entstehen je nach anatomischer Konstitution, Weichteilverhältnissen und Interaktionen durch Darmgasbildung mitunter nur schwierig zu beurteilende Bilder. Außerdem ist zu erwähnen, dass die Leistung der C-Bögen im Vergleich zu stationären Röntgen-Anlagen geringer ist und damit eine verringerte Kontrastauflösung und Diskriminierung der knöchernen Begrenzungen aufweisen. Als Kriterium für die Bildqualität dient die Kongruenz der Hüftgelenke sowie der dorsalen Cristae iliacae. Bei korrekter Einstellung lässt sich die supraalare Fläche gut einsehen, diese spielt eine entscheidende Rolle in der Versorgung des hinteren Beckenrings mit SI-Schrauben. Liegt der Draht zur Überprüfung der Position oder die Schraube oberhalb der knöchernen Ala können die Nervenwurzeln L4/5 tangiert und möglicherweise verletzt werden (Abb. 7).

Intraoperative
3D-Bildgebung

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