Arzt und Recht - OUP 12/2012

Berufshaftpflichtversicherung – Rechte und Pflichten

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Karlsruhe

Einleitung

Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Dies ergibt sich aus § 21 Musterberufsordnung. Nach einem Änderungsantrag von CDU und FDP zum Patientenrechtegesetz soll künftig sogar das Ruhen der Approbation angeordnet werden können, wenn keine (ausreichende) Berufshaftpflichtversicherung vom Arzt unterhalten wird.

Auch wenn jeder Arzt den nachvollziehbaren Wunsch hat, über den Abschluss des Versicherungsvertrages und die Prämienzahlungen hinaus in seinem Berufsleben keinen weiteren Kontakt mit der Berufshaftpflichtversicherung wegen ärztlicher Behandlungsfehlervorwürfe haben zu müssen, sollten ihm die im Verhältnis zum Berufshaftpflichtversicherer bestehenden Rechte und Pflichten bewusst sein, damit er nicht wegen eines Fehlverhaltens seinen Versicherungsschutz verliert.

Die Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem mit der Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Versicherungsvertrag, in dem in der Regel auf die zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwiesen wird. Da die Versicherungsbedingungen im Einzelfall sehr unterschiedlich sein können, werden an dieser Stelle nur allgemein gültige Grundsätze aufgezeigt, die es zu wahren gilt.

Vertragsabschluss

Gemäß den Allgemeinen (Muster-)Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB 2008) hat der Haftpflichtversicherer die Haftpflichtfrage zu prüfen, unberechtigte Schadensersatzansprüche abzuwehren und den Arzt als Versicherungsnehmer von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen freizustellen. Dieser Versicherungsschutz umfasst jedoch ausschließlich die gesetzliche Haftpflicht aus den „im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen“ Risiken des Versicherungsnehmers.

Entscheidend beim Abschluss des Versicherungsvertrages ist demnach, dass das zu versichernde Risiko so exakt wie möglich und vollumfänglich bezeichnet ist. Der Arzt muss der Versicherung ein genaues Bild davon geben, welche Behandlungen durch welche Personen in seinem ärztlichen Betrieb erfolgen. Beim Zusammenwirken mehrerer Ärzte ist darauf zu achten, dass keine Versicherungslücke entsteht. Es ist sicherzustellen, dass z.B. auch die Tätigkeit eines Praxisvertreters oder angestellten Arztes vom Versicherungsschutz umfasst ist.

Die Versicherungen definieren in der Regel Begriffe wie z.B. den der „ärztlichen Tätigkeit“ und der Tätigkeit „als niedergelassener Arzt“. Solche unter Umständen ausfüllungsbedürftigen Begriffe sollten im Zweifel mit der Versicherung geklärt werden. Gegebenenfalls ist durch einen Zusatz zum Versicherungsvertrag sicherzustellen, dass die Tätigkeiten, denen der Arzt nachgeht, auch von den Definitionen erfasst werden.

Eine ausgeübte Tätigkeit darf keinem bedingungsgemäßen Deckungsausschluss der Versicherung unterfallen. Fallen mehrere Versicherungen zusammen (z.B. Berufshaftpflicht- und Betriebshaftpflichtversicherung) ist zu klären, ob die Versicherungen lückenlos ineinandergreifen.

Im Versicherungsvertrag wird zudem eine Deckungssumme als kalkulierbare Schadenshöhe vereinbart. Sollte absehbar eine Behandlung im Einzelfall mit einem höheren Risiko behaftet sein, so ist der Versicherung eine entsprechende Anzeige zu machen, damit eine individuelle Vereinbarung getroffen werden kann. Grundsätzliche qualitative Änderungen oder Erweiterungen der haftpflichtversicherten Tätigkeit sind ebenfalls unverzüglich anzuzeigen. Gemäß Nr. 3.1 AHB 2008 besteht bei einer Veränderung oder Neuentstehung eines versicherten Risikos (Erhöhungen oder Erweiterungen) die Möglichkeit einer „Ergänzungsversicherung“ und einer „Vorsorgeversicherung“. Für die Vorsorgeversicherung sind in Nr. 4 AHB 2008 gesonderte Regelungen getroffen. An dieser Stelle soll hervorgehoben werden, dass im Zweifel spätestens innerhalb eines Monats jedes neue Risiko der Versicherung angezeigt werden muss, da andernfalls der Versicherungsschutz rückwirkend für das neue Risiko ab dessen Entstehung entfällt.

Versicherungsfall

Aus Nr. 1.1 AHB 2008 ergibt sich, dass der Versicherungsfall bereits gegeben ist, wenn (während der Wirksamkeit der Versicherung) das Schadenereignis eintritt. Insbesondere liegt nicht erst dann der Versicherungsfall vor, wenn der Arzt von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Deshalb hat der Arzt gemäß Nr. 25.1 AHB 2008 jeden Versicherungsfall der Versicherung anzuzeigen, auch wenn noch keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden. Entgegen der weitverbreiteten Auffassung unter Ärzten gilt dies bereits dann, wenn für den Arzt das Schadenereignis (= Behandlungsfehler) erkennbar ist.

Die Anzeige ist unverzüglich zu machen. Unverzüglich heißt ohne schuldhaftes Zögern. Die Anforderungen sind hier relativ streng. Beispielsweise sollte der Arzt bei Krankheit oder anderweitiger Verhinderung nach Möglichkeit einen Vertreter damit beauftragen, der Haftpflichtversicherung den Versicherungsfall anzuzeigen.

Die Anzeige muss der Versicherung gegenüber erfolgen. Nicht ausreichend und eine vermeidbare Verzögerung ist es, lediglich dem Rechtsanwalt seines Vertrauens Mitteilung zu machen oder dem Rechtsanwalt das Anspruchsschreiben des Patienten (bzw. von dessen Anwalt) zuzusenden. Die Versicherung übernimmt im außergerichtlichen Bereich die Auseinandersetzung mit dem Patienten bzw. dessen Anwalt in der Regel selbst durch eigene juristisch geschulte Sachbearbeiter. Zumeist erst dann, wenn der Patient Klage beim Landgericht einreicht, vor dem Anwaltszwang herrscht, entscheidet die Versicherung, welchen Anwalt sie mit der Prozessführung beauftragt.

Gemäß Nr. 25.2 AHB 2008 muss der Arzt als Versicherungsnehmer im Übrigen nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen. Hierzu hat er dem Versicherer ausführliche und wahrheitsgemäße Schadensberichte zu erstatten und ihn bei der Schadenermittlung und –regulierung zu unterstützen. Alle Umstände, die nach Ansicht der Versicherung für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Schriftstücke übersandt werden. Vor der Mitteilung von der Schweigepflicht unterliegenden Patienteninformationen sollte der Arzt beim Patienten eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht einholen.

Arzthaftungsprozess

In Nr. 5.2 AHB 2008 ist geregelt, dass die Versicherung bevollmächtigt ist, alle ihr zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. In einem Rechtsstreit gegen den Versicherungsnehmer ist die Versicherung zur Prozessführung bevollmächtigt. Sie führt den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf ihre Kosten.

Auch wenn vor Gericht der Arzt als beklagte Partei von dem durch die Versicherung beauftragten Rechtsanwalt vertreten wird, bleibt nach den versicherungsvertraglichen Bestimmungen somit in der Regel die Versicherung der alleinige Auftraggeber des Rechtsanwalts. Sie trifft, beraten durch den Rechtsanwalt, die Entscheidungen über die im Prozess zu ergreifenden Maßnahmen (z.B. Streitverkündung, Vergleichsabschluss).

Der Arzt ist dementsprechend gemäß Nr. 25.5 AHB 2008 verpflichtet, die Führung des Verfahrens der Versicherung zu überlassen. Die Versicherung beauftragt erforderlichenfalls im Namen des Arztes den Rechtsanwalt. Der Arzt muss dem Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen.

Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers abgegeben oder geschlossen worden sind, binden die Versicherung gemäß Nr. 5.1 AHB 2008 nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. Der Versicherer braucht demnach nicht einzutreten, soweit das Anerkenntnis oder der Vergleich vom Versicherungsnehmer grundlos ausgesprochen bzw. abgeschlossen wurde.

Konsequenz: Verurteilung auch ohne selbst bevollmächtigten Rechtsanwalt
OLG Koblenz, 20.03.2012,
Az. 5 O 76/12

Da der Haftpflichtversicherung die Führung des Verfahrens überlassen ist, steht einer Verurteilung des Arztes wegen eines Behandlungsfehlers nicht entgegen, wenn der Arzt selbst den Rechtsanwalt, der vor Gericht aufgetreten ist, nicht bevollmächtigt hat. Dies wurde durch eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt.

Zum Sachverhalt

Dem beklagten Arzt konnte die Klage an seinem vormaligen Wohnort nicht zugestellt werden. Gleichwohl bestellte sich für ihn eine Rechtsanwaltskanzlei als prozessbevollmächtigt vor dem Landgericht. In der Klageerwiderung teilte die Kanzlei unter anderem mit, dass die hinter dem beklagten Arzt stehende Haftpflichtversicherung bereits 30.000,00 € gezahlt hätte und die klagende Patientin damit umfassend abgefunden sei. Es wurden Anführungen zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs zwischen der Patientin und dem Arzt gemacht.

Die Zustellung der weiteren Schriftstücke einschließlich der Ladungen zu den Gerichtsterminen erfolgte an die Rechtsanwaltskanzlei, die im weiteren Verfahren aber mitteilte, der Kontakt zum beklagten Arzt sei abgebrochen. Daraufhin erging gegen den Arzt ein so genanntes Versäumnisurteil, demzufolge er die in der Klage geltend gemachten Ansprüchen der Klägerin zu erfüllen hat.

Gegen dieses Versäumnisurteil erhob der beklagte Arzt Nichtigkeitsklage mit der Begründung, dass er den Rechtsanwälten, die für ihn vor dem Landgericht aufgetreten waren, keine Prozessvollmacht erteilt hatte. Diese seien ausschließlich von seiner Haftpflichtversicherung beauftragt worden. Mangels Vollmacht seien sämtliche an die Anwälte bewirkten, jedoch nicht für den Haftpflichtversicherer als Auftraggeber, sondern für den Kläger als Prozesspartei bestimmten Zustellungen im Vorprozess unwirksam. Dementsprechend habe er vom Vorprozess keinerlei Kenntnis gehabt. Die Nichtigkeitsklage wurde mit der Begründung abgewiesen, die Haftpflichtversicherung sei vom Kläger konkludent bevollmächtigt worden, die Rechtsanwaltskanzlei namens des Klägers zu beauftragen. Die entsprechende Vollmacht des Versicherers ergäbe sich aber auch aus den AHB. Jedenfalls habe der Kläger die Prozessführung durch die Rechtsanwälte genehmigt. Das erschließe sich aus der Korrespondenz des Klägers mit den genannten Rechtsanwälten.

Gegen diese Klageabweisung wendet sich der Kläger mit der Berufung zum Oberlandesgericht. Das Landgericht habe ihn mit seinen Erwägungen zu den AHB überrascht. Diese Erwägungen seien aber auch falsch, da AHB die erforderliche Prozessvollmacht nicht ersetzen könnten. Der Versicherungsnehmer müsse stets seinen anwaltliche Prozessvertreter selbst bevollmächtigten. Er habe von der auftretenden Kanzlei nicht vertreten sein wollen. Den Inhalt der geführten Korrespondenz habe das Landgericht falsch gewürdigt.

Aus den Gründen

Das Oberlandesgericht weist die Berufung zurück und stellt fest, dass die Erwägungen des Landgerichts zu den AHB zutreffend seien:

Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (sogenannter Rechtsschutzverpflichtung) sei eine Hauptleistungspflicht des Versicherers. Die Versicherung habe nicht das Recht, die mit der Abwicklung der Haftpflichtverbindlichkeiten verbundenen Mühen und Kosten auf den Versicherten abzuwälzen. Danach muss die Versicherung, die den Anspruch bestreiten will, alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist. Sie allein trägt die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung. Demgemäß hat sie im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem unmittelbar beauftragter Anwalt tun würde.

Die umfassende Verantwortlichkeit der Versicherung für die Abwehr des Haftpflichtanspruchs ergibt sich insbesondere für den Fall des Rechtsstreits unmissverständlich aus den AHB-Klauseln. Die maßgeblichen Klauseln der Haftpflichtversicherungsgesellschaft des beklagten Arztes regeln unter § 3 Abs. 2 Nr. 3 AHB, dass die Versicherung den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf seine Kosten führt. Den Versicherungsnehmer trifft die Obliegenheit, die Prozessführung der Versicherung zu überlassen, dem von der Versicherung bestellten und bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder der Versicherung für nötig gehaltenen Erklärungen zu geben (§ 5 Nr. 4 AHB).

Nach § 5 Nr. 6 AHB gilt die Versicherung als bevollmächtigt, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, so hat der Versicherungsnehmer dies der Versicherung nur unverzüglich anzuzeigen; alles Weitere ist Sache der Versicherung. Dies gilt insbesondere für die Auswahl und Beauftragung des Rechtsanwalts auf eigene Kosten.

Außerdem habe der beklagte Arzt die Tätigkeit der Rechtsanwälte in seinem Namen aber auch ausdrücklich gebilligt, da er ansonsten den Anwälten nicht jene Informationen zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs mit der Patientin mitgeteilt hätte, die in der Klageerwiderung des Vorprozesses dargestellt sind. Grundsätzlich wäre es dem Arzt wegen seiner ärztlichen Schweigepflicht verboten gewesen, über derartige Dinge mit den Rechtsanwälten zu sprechen. Dass er dies anders handhabte, beweist, dass er in Wahrnehmung berechtigter Interessen die genannten Anwälte als seine Prozessvertreter informierte.

Fazit

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts zeigt, dass im (vermeintlichen) Haftungsfall allein die Versicherung „Herrin des Verfahrens“ ist. Um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden, hat der versicherte Arzt seine Versicherung ohne schuldhaftes Zögern über die haftungsrelevanten Umstände zu informieren. Alles Weitere (kann und) muss er der Versicherung überlassen. Dies hat zur Folge, dass er das Ergebnis des von der Versicherung betriebenen Verfahrens gegen sich gelten lassen muss, auch wenn er (entgegen seiner versicherungsvertraglichen Pflicht) dem im Verfahren tätigen Rechtsanwalt keine Vollmacht erteilt hat. Sollte die Versicherung ihrerseits bei der Abwehr der Patientenansprüche Fehler gemacht bzw. ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt haben, ist dies im Innenverhältnis gegenüber der Versicherung geltend zu machen (Schadensersatz, Aufrechnungen mit Prämienzahlungen).

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

kanzlei@arztrecht.org

www.arztrecht.org

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