Arzt und Recht - OUP 12/2012

Berufshaftpflichtversicherung – Rechte und Pflichten

Auch wenn vor Gericht der Arzt als beklagte Partei von dem durch die Versicherung beauftragten Rechtsanwalt vertreten wird, bleibt nach den versicherungsvertraglichen Bestimmungen somit in der Regel die Versicherung der alleinige Auftraggeber des Rechtsanwalts. Sie trifft, beraten durch den Rechtsanwalt, die Entscheidungen über die im Prozess zu ergreifenden Maßnahmen (z.B. Streitverkündung, Vergleichsabschluss).

Der Arzt ist dementsprechend gemäß Nr. 25.5 AHB 2008 verpflichtet, die Führung des Verfahrens der Versicherung zu überlassen. Die Versicherung beauftragt erforderlichenfalls im Namen des Arztes den Rechtsanwalt. Der Arzt muss dem Rechtsanwalt Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen.

Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers abgegeben oder geschlossen worden sind, binden die Versicherung gemäß Nr. 5.1 AHB 2008 nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. Der Versicherer braucht demnach nicht einzutreten, soweit das Anerkenntnis oder der Vergleich vom Versicherungsnehmer grundlos ausgesprochen bzw. abgeschlossen wurde.

Konsequenz: Verurteilung auch ohne selbst bevollmächtigten Rechtsanwalt
OLG Koblenz, 20.03.2012,
Az. 5 O 76/12

Da der Haftpflichtversicherung die Führung des Verfahrens überlassen ist, steht einer Verurteilung des Arztes wegen eines Behandlungsfehlers nicht entgegen, wenn der Arzt selbst den Rechtsanwalt, der vor Gericht aufgetreten ist, nicht bevollmächtigt hat. Dies wurde durch eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt.

Zum Sachverhalt

Dem beklagten Arzt konnte die Klage an seinem vormaligen Wohnort nicht zugestellt werden. Gleichwohl bestellte sich für ihn eine Rechtsanwaltskanzlei als prozessbevollmächtigt vor dem Landgericht. In der Klageerwiderung teilte die Kanzlei unter anderem mit, dass die hinter dem beklagten Arzt stehende Haftpflichtversicherung bereits 30.000,00 € gezahlt hätte und die klagende Patientin damit umfassend abgefunden sei. Es wurden Anführungen zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs zwischen der Patientin und dem Arzt gemacht.

Die Zustellung der weiteren Schriftstücke einschließlich der Ladungen zu den Gerichtsterminen erfolgte an die Rechtsanwaltskanzlei, die im weiteren Verfahren aber mitteilte, der Kontakt zum beklagten Arzt sei abgebrochen. Daraufhin erging gegen den Arzt ein so genanntes Versäumnisurteil, demzufolge er die in der Klage geltend gemachten Ansprüchen der Klägerin zu erfüllen hat.

Gegen dieses Versäumnisurteil erhob der beklagte Arzt Nichtigkeitsklage mit der Begründung, dass er den Rechtsanwälten, die für ihn vor dem Landgericht aufgetreten waren, keine Prozessvollmacht erteilt hatte. Diese seien ausschließlich von seiner Haftpflichtversicherung beauftragt worden. Mangels Vollmacht seien sämtliche an die Anwälte bewirkten, jedoch nicht für den Haftpflichtversicherer als Auftraggeber, sondern für den Kläger als Prozesspartei bestimmten Zustellungen im Vorprozess unwirksam. Dementsprechend habe er vom Vorprozess keinerlei Kenntnis gehabt. Die Nichtigkeitsklage wurde mit der Begründung abgewiesen, die Haftpflichtversicherung sei vom Kläger konkludent bevollmächtigt worden, die Rechtsanwaltskanzlei namens des Klägers zu beauftragen. Die entsprechende Vollmacht des Versicherers ergäbe sich aber auch aus den AHB. Jedenfalls habe der Kläger die Prozessführung durch die Rechtsanwälte genehmigt. Das erschließe sich aus der Korrespondenz des Klägers mit den genannten Rechtsanwälten.

Gegen diese Klageabweisung wendet sich der Kläger mit der Berufung zum Oberlandesgericht. Das Landgericht habe ihn mit seinen Erwägungen zu den AHB überrascht. Diese Erwägungen seien aber auch falsch, da AHB die erforderliche Prozessvollmacht nicht ersetzen könnten. Der Versicherungsnehmer müsse stets seinen anwaltliche Prozessvertreter selbst bevollmächtigten. Er habe von der auftretenden Kanzlei nicht vertreten sein wollen. Den Inhalt der geführten Korrespondenz habe das Landgericht falsch gewürdigt.

Aus den Gründen

Das Oberlandesgericht weist die Berufung zurück und stellt fest, dass die Erwägungen des Landgerichts zu den AHB zutreffend seien:

Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (sogenannter Rechtsschutzverpflichtung) sei eine Hauptleistungspflicht des Versicherers. Die Versicherung habe nicht das Recht, die mit der Abwicklung der Haftpflichtverbindlichkeiten verbundenen Mühen und Kosten auf den Versicherten abzuwälzen. Danach muss die Versicherung, die den Anspruch bestreiten will, alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist. Sie allein trägt die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung. Demgemäß hat sie im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem unmittelbar beauftragter Anwalt tun würde.

Die umfassende Verantwortlichkeit der Versicherung für die Abwehr des Haftpflichtanspruchs ergibt sich insbesondere für den Fall des Rechtsstreits unmissverständlich aus den AHB-Klauseln. Die maßgeblichen Klauseln der Haftpflichtversicherungsgesellschaft des beklagten Arztes regeln unter § 3 Abs. 2 Nr. 3 AHB, dass die Versicherung den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf seine Kosten führt. Den Versicherungsnehmer trifft die Obliegenheit, die Prozessführung der Versicherung zu überlassen, dem von der Versicherung bestellten und bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder der Versicherung für nötig gehaltenen Erklärungen zu geben (§ 5 Nr. 4 AHB).

Nach § 5 Nr. 6 AHB gilt die Versicherung als bevollmächtigt, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, so hat der Versicherungsnehmer dies der Versicherung nur unverzüglich anzuzeigen; alles Weitere ist Sache der Versicherung. Dies gilt insbesondere für die Auswahl und Beauftragung des Rechtsanwalts auf eigene Kosten.

Außerdem habe der beklagte Arzt die Tätigkeit der Rechtsanwälte in seinem Namen aber auch ausdrücklich gebilligt, da er ansonsten den Anwälten nicht jene Informationen zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs mit der Patientin mitgeteilt hätte, die in der Klageerwiderung des Vorprozesses dargestellt sind. Grundsätzlich wäre es dem Arzt wegen seiner ärztlichen Schweigepflicht verboten gewesen, über derartige Dinge mit den Rechtsanwälten zu sprechen. Dass er dies anders handhabte, beweist, dass er in Wahrnehmung berechtigter Interessen die genannten Anwälte als seine Prozessvertreter informierte.

Fazit

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