Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Bewegungsprogramme zur Vorbeugung und Behandlung der Osteoporose

Thematisch lassen sich nach [7] folgende Inhalte bei der Sport- und Bewegungstherapie differenzieren:

Übungsformen zur Steigerung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten wie Ausdauer-, Kraft-, Koordinations- und Beweglichkeitstraining.

Spielerische Elemente zum Kennenlernen und Kontaktaufbau, Spiele zur Steigerung der Kreativität und Körperwahrnehmung.

Inhalte zur Steigerung der Motivation und Bindung an dauerhafte körperliche Aktivität: Formulierung konkreter Ziele, Vermittlung von Wissen über Effekte spezieller Bewegungsprogramme auf die eigene Erkrankung und über Dosis-Wirkungsprinzipien.

Vermittlung von Kenntnissen zur Trainings- und Belastungssteuerung sowie spezifischen Fertigkeiten und Bewegungstechniken.

Schulung der Körperwahrnehmung und Einschätzung der Belastbarkeit.

Überprüfung von durch das Training persönlich erwarteten Effekten.

Krafttraining

Da die Maximalkraft bereits ab dem 30. Lebensjahr langsam abnimmt und es in der sechsten Lebensdekade zu einer weiteren beschleunigten, nicht linearen Abnahme um ca. 15 % kommt, die sich in der achten Dekade auf bis zu 30 % steigern kann, wird mit zunehmendem Alter für den Erhalt der Mobilität und auch der Fähigkeit, sich im Alltag selbst zu versorgen, ein den veränderten Bedingungen angepasstes Krafttraining bedeutsam. Auch für die Entwicklung und den Erhalt der Knochenmasse und -festigkeit gilt körperliche Aktivität und die daraus resultierende mechanische Beanspruchung des Knochens als unabdingbar. Immobilisation führt zu einem Knochenabbau [20], während körperlich aktive Menschen eine signifikant höhere Knochendichte aufweisen als inaktive Menschen [3]. Zudem belegen prospektive Kohortenstudien und konsistente Ergebnisse aus Fall-Kontrollstudien bei älteren Menschen mit hohem physischem Aktivitätslevel für periphere Fakturen ein reduziertes Risiko von 20–40 % [8].

Je inaktiver der Lebensstil, desto frühzeitiger zeigen sich altersbedingte degenerative Veränderungen. Neben einer reduzierten Anzahl an Muskelfasern (Typ-1– und betont Typ-2-Fasern, vor allem der unteren Extremität) sind hierfür neuronale Einflüsse (unter anderem eine Reduktion spinaler Motoneurone bzw. spinaler Inhibitionen) sowie eine Einschränkung der mechanischen Muskelfunktion verantwortlich [15]. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung im sensomotorischen Informationsaustausch mit einer Minderung der Qualität der inter- und intramuskulären Koordination.

Verschiedene Arbeiten zeigen, dass Krafttraining den beschriebenen altersbedingten Einschränkungen entgegengewirkt. Krafttraining führt bei älteren Menschen durch isometrische und dynamische Muskelarbeit zu einer Zunahme der Muskelkraft durch Erhöhung des Muskelvolumens sowie zu einer Optimierung der Rekrutierung und Frequenzierung motorischer Einheiten. Das Ausmaß der Anpassung bei älteren Menschen über 60 Jahren ist dabei mit dem von Jüngeren durchaus vergleichbar. Die sarkopenische Muskelfaser verfügt somit nicht per se über eine reduzierte mechanische Muskelfunktion, sondern besitzt ein nachweisbares Adaptationspotenzial. Da die muskuläre Kapazität auch im hohen Alter noch gut trainierbar ist, liegt in diesem Bereich ein großes, unzureichend ausgeschöpftes Potenzial der Prävention [1, 12], um einem Abbau an Funktionsfähigkeit im Alter entgegenzuwirken, zumal der Anteil der Älteren derzeit gering ist, die ein Krafttraining zum Erhalt bzw. dem Aufbau von Knochenmasse und -festigkeit praktizieren.

Allerdings ist derzeit nicht abschließend geklärt, welche Trainingseffekte mit welcher Belastungsintensität bzw. Beanspruchung im Einzelnen erreicht werden. Wie ein optimales, osteoanaboles Training aussehen sollte, ist insofern noch Gegenstand umfangreicher Forschung. Eine Steigerung der Muskelmasse (Hypertrophie) wird allgemein erzielt, wenn in einem Zeitraum von 40 bis maximal 60 Sekunden eine erschöpfende Beanspruchung ausgelöst wird, unabhängig davon, ob dies mit einer Intensität von 40, 60 oder 80 % der willkürlich erreichbaren Maximalkraft geschieht (Einwiederholungsmaximum, 1 RM) oder mit 5, 10 oder 15 Wiederholungen [14]. Die Wirkung der Belastungshöhe variiert daher beim Krafttraining mit personenspezifischen Eigenschaften und Fähigkeiten. Die Wiederholungshäufigkeit resultiert aus der Dauer der Einzelwiederholung bzw. Bewegungsfrequenz [14]. Steht die Steigerung der schnell verfügbaren Kraft (Kraftentwicklungsrate) im Vordergrund, sind eher höhere Intensitäten (> 85 %) bzw. Frequenzen notwendig. Ein progressives Krafttraining bei 60–80 % des 1 RM hat laut jetziger Datenlage [6] allgemein einen positiven Effekt auf die Knochenmasse an Hüfte und Wirbelsäule. Ein Maximalkrafttraining von 70–90 % des 1 RM für alle Hauptmuskelgruppen hat dabei einen größeren Effekt auf die Knochenmasse als ein Kraftausdauertraining. Ein Krafttraining mit 80 % des 1 RM mit Betonung der Muskelleistung (hohe Geschwindigkeit) für alle Hauptmuskelgruppen zeigt auf die Knochenmasse von Hüfte und Wirbelsäule bessere Ergebnisse als ein langsam durchgeführtes Training von 80 % des 1 RM. Der trabekuläre Knochen der Wirbelkörper reagiert dabei schneller auf mechanische Verformung als der kortikale Knochen des Schenkelhalses.

Mischtraining

Auch ein tägliches Walking-Training im aeroben Bereich (bis zu 60 % der maximalen Herzfrequenz) kann den Knochenaufbau an der Wirbelsäule bei osteoporotischen Frauen stimulieren, insbesondere wenn dieses mit einem zusätzlichen täglichen Gymnastikprogramm oder Krafttraining (50 % 1 RM) koordiniert wird. Bei der Senkung des Sturz- und Verletzungsrisikos für über 80-jährige Frauen und Männer haben sich individuelle Übungsprogramme mit einem Kraft- und Geschicklichkeitstraining mindestens 3x pro Woche je 30 Minuten als effektiv herausgestellt [2]. Für selbstständig lebende gesunde Personen ab dem 60. Lebensjahr können der individuellen Leistungsfähigkeit angepasste Trainingsprogramme zur Verbesserung der Muskelkraft an der unteren Extremität und der Balancefähigkeit als Sturzprävention empfohlen werden. Voraussetzung sind progressive Anpassungen mit einer Steigerung der Wiederholungszahl und der Gewichte. Balanceübungen sollten hierbei vorzugsweise im Stehen und mit Schrittkombinationen durchgeführt werden.

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