Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015
Bewegungsprogramme zur Vorbeugung und Behandlung der Osteoporose
Besonders vorteilhaft ist es, die Übungsprogramme mit einer häuslichen Abklärung und einer Visuskontrolle zu kombinieren. Für Personen über 60 Jahren, die bereits einen Sturz erlitten haben, eignet sich vorzugsweise ein funktionell ausgerichtetes Balancetraining (progressiv aufgebautes Zirkeltraining), um weitere Stürze zu vermeiden. Hierbei zeigt bereits ein einmaliges Training in der Woche für 1 Stunde einen positiven Effekt. Das Zirkeltraining sollte durchaus schnelle, reaktive Bewegungen in verschiedene Richtungen sowie gemeinsame Ballspiele enthalten. Auch mit Tai Chi 3x pro Woche über jeweils eine Stunde für 6 Monate unter Anleitung und weitere 6 Monate in Eigenregie konnte ein signifikanter Effekt auf die Sturzreduktion erzielt werden [13].
Vibrationstraining
Im Hinblick auf die Zunahme der Knochenmasse an Hüfte und Wirbelsäule lassen die bislang publizierten Daten zum Vibrationstraining keine sichere Beurteilung bzw. Empfehlung zu. Unterschiedliche Gerätetypen mit physikalisch verschiedenen Vibrationsverfahren erschweren dabei die Vergleichbarkeit der Studienergebnisse. Auch sind mit zunehmendem Alter viele Patienten mit einem endoprothetischem Gelenkersatz an Hüfte und Kniegelenk versorgt und scheiden somit für ein Vibrationstraining aus. Ein positiver Effekt des Trainings auf das Gleichgewicht wurde von Verschueren et al. [19] beschrieben.
Trainingshinweise
Gerade bei älteren Menschen sollte man aber auf die subjektiv empfundene Beanspruchung beim Training achten (Borg-Skala). Vorsicht ist geboten, wenn bei bereits existierenden Rücken- und Kniebeschwerden mit höheren Gewichten trainiert wird, da diese unter Umständen verstärkt werden könnten. Ein Krafttraining mit Betonung der Muskelleistung und Durchführung mit hohen Geschwindigkeiten empfiehlt sich nur für gut Vortrainierte ohne Beschwerden im Bereich von Schulter und Wirbelsäule. Für gesunde Ältere werden als Optimum 3–4 Trainingseinheiten pro Woche empfohlen. Bei niedrigem Ausgangsniveau kann aber bereits auch eine geringere Häufigkeit effektiv sein.
Compliance
Um die Compliance bei Trainingsprogrammen für ältere Menschen zu erhöhen, erscheint es sinnvoll, anstelle eines eigenständig durchgeführten Heimübungsprogramms das Training unter regelmäßiger Supervision durchzuführen.
Monofaktorielle/Multi-
faktorielle Therapieansätze
Ob monofaktorielle Ansätze in Form einer bewegungstherapeutischen Maßnahme alleine zur Senkung der Frakturrate bei älteren, noch selbständig lebenden Menschen ausreichend sind oder besser multifaktorielle Ansätze zur Anwendung kommen sollten, bei denen die bewegungstherapeutische Maßnahme Teil eines Gesamtkonzeptes ist, kann derzeit aufgrund einer mangelnden Studienlage nicht abschließend beurteilt werden [6]. Auch zur Art der geeignetsten bewegungstherapeutischen Intervention kann für selbständig lebende ältere Menschen innerhalb eines multifaktoriellen Ansatzes noch keine eindeutige Empfehlung gegeben werden, da hochwertige Studien mit ausreichender Probandenzahl fehlen. Demgegenüber gibt es aber Hinweise, dass multifaktorielle Interventionsprogramme in Pflegeheimen zur Verhinderung von Frakturen bei Patienten im fortgeschrittenen Alter wirksam sind. Sie sollten aber individuell angepasst sein und einen Fokus auf die Verbesserung der allgemeinen physischen Leistungsfähigkeit (Muskelkraft, Gleichgewicht, Gangsicherheit) haben. Das Training sollte zudem in seiner Intensität gesteigert werden und dauerhaft erfolgen, da bei Abbruch die erzielten Effekte wieder rückläufig sind. Allgemein ist es sinnvoll, alle Hauptmuskelgruppen zu trainieren. Bei schmerzhaften Gelenken empfiehlt es sich, sofern keine medizinischen Kontraindikationen dagegen sprechen, den Auftrieb und Widerstand des Wassers im Bewegungsbad zu nutzen, zumal bei vielen älteren Menschen Bewegung im Wasser sehr beliebt ist. Ebenfalls gilt: Ein Training im Bewegungsbad sollte in seiner Intensität sowohl durch Vergrößerung des Wasserwiderstands mittels entsprechender Hilfsmittel als auch durch Zunahme der Bewegungsgeschwindigkeit gesteigert werden.
Interessenkonflikt: Keine angegeben
Korrespondenzadresse
Dr. Hartmut Bork
Reha-Zentrum am St. Josef-Stift
Westtor 7, 48324 Sendenhorst
bork@reha-sendenhorst.de
Literatur
1. Ashworth NL et al.. Home versus center based physical activity programs in older adults. Cochrane Database Syst Rev, 2005: CD004017.
2. Campbell AJ et al.: Randomised controlled trial of a general practice programme of home based exercise to prevent falls in elderly women. BMJ, 1997; 315: 1065–9
3. Chilibeck P et al. Exercise and bone mineral density. Sports Medicine 1995; 19: 103–122
4. Dennison E, Cooper C. Epidemiology of osteoporotic fractures. Horm Res, 2000; 54 Suppl 1: 58–63
5. DVO-Leitlinie Osteoporose bei Frauen ab der Menopause und Männern ab dem 60. Lebensjahr. 2014. http://www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/osteoporose- leitlinie-2014
6. DVO Leitlinie Physiotherapie und Bewegungstherapie bei Osteoporose. Langfassung Endversion 0.1 vom 29.4.2008. http://www.dv-osteologie.org/dvo_leit-
linien/osteoporose-leitlinie-2014
7. Geidl W et al. Entwicklung evidenzgesicherter Konzepte für die Bewegungstherapie in der Rehabilitation. 2012; 30–38
8. Gregg EW et al. Physical activity, falls, and fractures among older adults: a review of the epidemiologic evidence. J Am Geriatr Soc 2000; 48: 883–93
9. Guideline for the prevention of falls in older persons. American Geriatrics Society, British Geriatrics Society, and American Academy of Orthopaedic Surgeons Panel on Falls Prevention. J Am Geriatr Soc, 2001; 49: 664–72
10. Guralnik JM et al. Lower-extremity function in persons over the age of 70 years as a predictor of subsequent disability. N Engl J Med 1995; 332: 556–61
11. Kannus P et al. Why is the age-standardized incidence of low-trauma fractures rising in many elderly populations? J Bone Miner Res 2002; 17: 1363–7
12. Latham N et al. Progressive resistance strength training for physical disability in older people. Cochrane Database Syst Rev 2003; CD002759