Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015
Bildgebende Diagnostik der Arthrose im klinischen Alltag
L.V. von Engelhardt1, 2, J. Jerosch1
Zusammenfassung: Im klinischen Alltag ist die röntgenologische und kernspintomografische Bildgebung ein wesentliches ärztliches Werkzeug. Methodische Stärke der konventionellen Radiologie ist die Darstellung des Knochens, sodass sich die für die Arthrose typischen sekundären Knochenveränderungen besonders gut beurteilen lassen. Neben den Möglichkeiten, den Schweregrad der Arthrose zu erheben, sind insbesondere Belastungsaufnahmen besonders geeignet, um einhergehende höhergradige Knorpelschäden mit einem Verlust der Gelenkspaltweite ausfindig zu machen. In der Literatur finden sich vergleichsweise wenige Arbeiten zur MRT-Diagnostik, die explizit auf die Arthrose bzw. degenerative Knorpelschäden gerichtet sind. Anhand der Literatur ist die MRT eine unterstützende Methode bei der Diagnostik degenerativer Knorpelschäden. Für eine dezidierte Beurteilung von Knorpelschäden und eine entsprechende Therapieplanung kann die MRT den Nutzen einer diagnostischen Arthroskopie derzeit nicht ersetzten.
Schlüsselwörter: Arthrose, Knie, Hüfte, Knorpel, Röntgen, MRT, Arthroskopie
Zitierweise
von Engelhardt LV, Jerosch J. Bildgebende Diagnostik der Arthrose im klinischen Alltag.
OUP 2015; 05: 252–257 DOI 10.3238/oup.2015.0252–0257
Summary: In clinical practice radiological and magnetic re-sonance imaging is an essential medical tool. Methodological strength of conventional x-ray is the imaging of the bone. As a consequence, a reliable assessment of secondary bony change of osteoarthritis is possible. Besides a radiological assessment of the severity of osteoarthritis, weight-bearing radiographs are particularly suitable for detecting high-grade cartilage damage associated with a loss of joint space width. The literature contains only relatively few studies investigating the diagnostic value of MRI which are explicitly focused on the assessment of osteoarthritis or degenerative cartilage diseases. Regarding to the literature, MRI is a supportive method for the diagnostics of degenerative cartilage diseases. However, the value of a diagnostic arthroscopy for a definitive assessment of cartilage damages and for therapeutic planning currently cannot be replaced by MRI.
Keywords: Osteoarthritis, knee, hip, cartilage, MRI, arthroscopy
Citation
von Engelhardt LV, Jerosch J. Diagnostic imaging of osteoarthritis in clinical practice.
OUP 2015; 05: 252–257 DOI 10.3238/oup.2015.0252–0257
Einleitung
Im klinischen Alltag ist die Bildgebung gerade bei Arthrosen und Präarthrosen wesentlich, um Diagnosen zu sichern, die Prognose abzuschätzen und weitere Therapiewege planen zu können. Mit diesem Review möchten wir Ihnen einen Überblick zu diesem doch recht komplexen Thema geben.
Konventionelles Röntgen
Methodische Stärke der konventionellen Radiologie ist die Darstellung des Knochens, sodass sich die für die Arthrose typischen sekundären Knochenveränderungen besonders gut beurteilen lassen. In der Routinediagnostik hat sich daher die Darstellung des betroffenen Gelenks in 2 Ebenen zur Diagnosesicherung bewährt. Es gibt eine Vielzahl an Klassifikationen, um den Schweregrad einer Arthrose nach der Röntgenmorphologie einzuteilen. Die am meisten verwendete Einteilung ist hierbei sicherlich die nach Kellgren und Lawrence [1].
In der Einteilung nach Kellgren und Lawrence (Abb. 1) findet man im Stadium I, der beginnenden Arthrose, umschriebene Verhärtungen, sog. Sklerosierungen des Knochens, die zumeist im Pfannenbereich oder an den Tibiaplateaus erkennbar sind. Im Stadium II, der geringen Arthrose, zeigt sich bereits eine allerdings nur geringfügige Gelenkspaltverschmälerung. Zudem lassen sich definitionsgemäß bereits kleine Osteophyten als feine, spitz ausgezogene Knochenanbauten erkennen. Im Stadium III, der mäßigen Arthrose, ist die Gelenkspaltverschmälerung deutlich. Auch finden sich bereits große knöcherne Ausziehungen und Unebenheiten der Gelenkfläche. Im Stadium IV, der schweren Arthrose, zeigt sich eine vollständige Gelenkspaltverschmälerung und eine regelrechte Deformierung der Gelenkpartner.
Letztlich geht es in dieser Klassifikation um 3 wesentliche Befunde: die
Gelenkspaltweite, die subchondralen Sklerosierungen und die Ausbildung von Osteophyten. Auf diese Befunde möchten wir genauer eingehen und versuchen zu klären, was wir da eigentlich sehen. Die subchondrale Sklerosierung entspricht einer Verdichtung der Knochenbälkchen unter gleichzeitiger Verminderung der filigranen Vernetzung der Knochentextur. Ein solcher Befund gilt als röntgenologischer Hinweis auf eine länger andauernde Überlastung und entspricht damit einer Adaptationsreaktion des Knochens auf die nicht mehr ausreichend gegebene Stoßdämpferfunktion des Knorpels [2]. Neben dieser Pathogenese, die die Sklerose als Folgeerscheinung eines Knorpelschadens sieht, wird in den letzten Jahren auch dem subchondralen Knochen selbst eine Rolle in der Ätiologie und Pathogenese der Arthrose zugeordnet. Ein interessantes Beispiel hierfür sind unterschiedliche Tierversuche an speziellen Meerschweinchenstämmen, die zeigen, dass entsprechende Veränderungen am subchondralen Knochen bereits lange Zeit vor den histologischen Änderungen am Knorpel auftreten. Histologisch finden sich auch hier eine zunehmende Dicke und eine verplumpte Struktur des subchondralen Knochens [3, 4]. Auch zeigt eine Studie von Bruyere et al., dass Arthrosepatienten mit einer in einer Knochendichtmessung objektivierten, vermehrten subchondralen Sklerosierung im weiteren Verlauf eine signifikant vermehrte Höhenminderung des Gelenkknorpels aufweisen [5]. Entsprechend dieser und einiger weiterer Studien ist zu vermuten, dass der subchondrale Knochen evtl. viel wesentlicher an der Pathogenese der Arthrose beteiligt ist, als weitläufig vermutet.
Eine mögliche Kausalkette wäre bspw. eine überhöhte Steifigkeit des subchondralen Knochens, hierdurch wäre die schockabsorbierende Funktion des Knorpels vermindert oder besser überfordert, und damit wäre der subchondrale Knochen nicht unwesentlich an den degenerativen Knorpelveränderungen beteiligt. Die Ätiopathogenese von Osteophyten ist bis dato unklar. Meist werden osteophytäre Appositionen als Versuch des Organismus verstanden, die Belastungsfläche des Gelenks zu vergrößern. Für diese Aussage gibt es aber keine Evidenz [6, 7].