Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Biologische Augmentation – was, wann, wo?
Aktuelle Möglichkeiten der KnorpelchirurgieCurrent concepts treating cartilage defects

Dennoch hat auch die Mikrofrakturierung in ihrem Indikationsspektrum zu benennende Vorteile, die zum einen im verhältnismäßig einfachen Handling, der arthroskopischen Durchführbarkeit sowie Einzeitigkeit dieses relativ risikoarmen und preiswerten Verfahrens liegen. In den vergangenen Jahren konnten präklinische Arbeiten zeigen, dass – anders als zuvor angenommen – arthroskopisch assistierte Bohrungen anstelle von Stößeln zu einer Verbesserung des Remodellings, der Stammzellrekrutierung und der Regeneratqualität führen [7].

Eine andere Weiterentwicklung bzw. Augmentation der Mikrofakturierung stellt die autologe matrixindizierte Chondrogenese (AMIC) dar, bei der nach erfolgter Mikrofrakturierung eine Kollagenmembran wahlweise entsprechend der 2. und 3. Generation der ACT auf den Defekt genäht bzw. mit Fibrinkleber adhäriert wird. Klinische Daten konnten hier bisher keine funktionellen Unterschiede im Vergleich zur konventionellen Mikrofrakturierung aufzeigen, wobei die aktuelle Datenlage sicherlich noch kein abschließendes Urteil ermöglich [1].

Anders als die Mikrofrakturierung bzw. die knochenmarkstimulierenden Techniken generell, stellt die autologe Chondrozytentransplantation ein 2-zeitiges Verfahren dar, dessen Grundprinzipien im Sinne der Entnahme der Knorpelzellen, Isolation und Expansion im Labor sowie abschließender Transplantation in den jeweiligen Defekt seit der ersten ACT am Menschen 1987 durch Lars Peterson konstant geblieben sind [4].

Während die sogenannte 1. Generation der ACT eine Injektion der Zellsuspension unter einen zuvor aufgenähten Periostlappen vorsah, der bei der 2. Generation durch eine porkine Kollagen-I/III-Membran ersetzt wurde, werden in der aktuellen 4. Generation die Chondrozyten bereits vor Implantation in den Defekt mit ihrem membranösen Trägermaterial kombiniert, wodurch eine minimalinvasivere Operationstechnik ermöglich wurde. Darüber hinaus konnte die Zellqualität verbessert werden durch Zellcharakterisierung, eine Fokussierung auf ein rein autologes Setting ohne Fremdmaterialien und entsprechende Modifikationen der Gelenkhomöostase und des Regenerats durch Biomaterialen.

Datenlage

Die Einstufung der ACT als ATMP entsprechend dem Arzneimittelgesetz und die damit einhergehende Notwendigkeit von Phase-III-Studien zur Beantragung einer EMA-Zulassung durch die jeweiligen Hersteller haben letztlich zu einer großen Anzahl prospektiv-randomisierter Studien geführt [23, 22, 26, 20].

Limitierend muss für diese Arbeiten sicherlich die Tatsache genannt werden, dass die aufgeführten Studien stets gegen die Mikrofrakturierung randomisierten, wodurch sich eine verhältnismäßig kleine Defektgröße ergibt, was aber letztlich durch die EMA-Anforderungen unumgänglich war. Entsprechend vorheriger Arbeiten zeigt sich allerdings weiterhin nicht nur auf struktureller, histologischer Ebene eine Überlegenheit der ACT. sondern insbesondere auch im funktionellen Outcome der 2. und 3. Generation der ACT [14]. Darüber hinaus erbrachten Langzeitergebnisse der 1. und 2. Generation der ACT zuletzt den Nachweis, dass es sich auch auf Dauer um eine effiziente Methode handelt, wenn auch angemerkt werden muss, dass dies lediglich nicht-kontrollierte Kohortenstudien sind.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Mehrzahl der Patienten mit fokalen Knorpelschäden, bei denen eine knorpelregenerative Maßnahme durchgeführt wird, um junge und sportlich aktive Patienten. Somit stellt die Frage nach einer möglichen Wiederaufnahme des Sports und nach der Intensität, mit der der Sport weiterhin betrieben werden kann, einen wichtigen Faktor im präoperativen Beratungsgespräch dar. Aktuell lässt die aktuelle Datenlage folgende Aussagen zu:

Die Mikrofrakturierung ermöglicht den zeitlich schnellsten Return to Sport im Vergleich zur ACT und OATS, weist jedoch eine deutlich Unterlegenheit in Bezug auf die Rate der Sportler auf, die in ihren Sport zurückkehren können. Betrachtet man die Intensität, in welcher der Sport wieder aufgenommen wird, zeigt wiederum die ACT die höchsten Raten im Vergleich zur OATS auf [9].

Ausblick

Der große und entscheidende Nachteil der autologen Knorpelzelltransplantation (ACT) bleibt letztendlich die 2-Zeitigkeit des Verfahrens [3]. So ist unabhängig von allen Weiterentwicklungen der ACT ein enzymatischer Verbau der Knorpelzellen im Labor, gefolgt von einer in der Regel mehrwöchigen Expansionsphase, Grundvoraussetzung für die Gewinnung ausreichender Zellmengen für die spätere Transplantation. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Beschaffenheit des Knorpelgewebes. Auch wenn einzelne Ansätze bereits eine intraoperative mechanische Zerstückelung des Gewebes vorschlagen und dann im Sinne einer „Gewebetransplantation“ kleine Knorpelfragmente in den Defekt ansetzen [8], so existieren bisher keine Möglichkeiten, eine ausreichende Menge an Knorpelzellen (entsprechend der aktuellen Empfehlungen ca. 1–2 Millionen Zellen pro cm2 Defekt) intraoperativ zu isolieren und zu gewinnen [25]. Als weiterer limitierender Faktor kommt auch die relative Zellarmut des Gewebes ins Spiel [11], die ohne Expansionsprozess auch eine größere Menge Gewebe im Rahmen des Entnahmeprozesses notwendig machen würde.

Vor dem Hintergrund all dieser Überlegungen stellen mesenchymale Stammzellen oder Knochenmarkvorläuferzellen (Bone Marrow Stroma Cells, die Nomenklatur dieses Zelltypen wird in der Literatur sehr heterogen verwendet und es bestehen bisher keine idealen Charakterisierungsmerkmale) eine attraktive Zellpopulation dar. Sie können grundsätzlich aus unterschiedlichen Geweben wie Knochenmark, Fettgewebe oder Synovialgewebe gewonnen werden und sind durch eine Differenzierungskapazität in Richtung der mesenchymalen Phänotypen „Knochen“, „Knorpel“ und „Fett“ charakterisiert [5, 17].

Auch wenn generell ein 2-zeitiges Vorgehen mit Entnahme, In-vitro-Expansion und konsekutiver Transplantation analog dem Vorgehen im Rahmen der ACT möglich ist, so ist es – anders als bei den Knorpelzellen – möglich, ausreichende Zellzahlen zu gewinnen, beispielsweise durch intraoperative Aufarbeitungsprozesse wie die Konzentration dieses Zelltyps durch einen Zentrifugationsprozess z.B. nach Aspiration von Knochenmark. Diese können dann direkt intraoperativ mit Biomaterialien kombiniert und analog dem Vorgehen im Rahmen der autologen Knorpelzelltransplantation implantiert werden, und bilden somit den Ausgangspunkt für eine zellbasierte knorpelregenerative Therapie.

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