Übersichtsarbeiten - OUP 10/2014
Darstellung von Rissen der Subscapularissehne im Vergleich
Foad et al. [4] veröffentlichten 2012 eine retrospektive Studie (Level II) von 39 Fällen, bei denen eine arthroskopische Naht der Subscapularissehne durchgeführt wurde. Bei 25 von 40 Fällen (62,5 %) wurde auf den kernspintomografischen Aufnahmen, welche mit einem 1,5 Tesla-Gerät durchgeführt wurden, vom befundenden Radiologen keine Ruptur der Subscapularissehne diagnostiziert. Die Diagnose einer Subscapularissehnenruptur wurde eingeteilt in Komplettrisse, Teilrisse sowie Signalveränderungen wie z.B. Lücken im Sehnenverlauf oder flüssigkeitsäquivalente Signale in mehr als einem Schnitt sowie eine Nichtsichtbarkeit der Subscapularissehne. Ferner wurde eine mediale Subluxation der langen Bizepssehne ebenso als Hinweis auf einen Subscapularissehnenriss gewertet. Für die präoperative kernspintomografische Untersuchung ohne Kontrastmittel lag die Sensitivität bei 40 %. Im 2. Teil der Arbeit wurde ein Vergleich zwischen der nativen Kernspintomografie und kernspintomografischen Arthrografien vorgenommen. Für kernspintomografische Arthrografien lag die Sensitivität bei 36 %. Insgesamt lag die Sensitivität für beide Verfahren bei 37,5 %.
Adams et al. [5] veröffentlichten 2012 eine diagnostische Studie (Level III) von 202 Patienten, bei denen in 82 Fällen im Rahmen einer arthroskopischen Operation ein Riss der Subscapularissehne festgestellt worden war. Die Befundung der präoperativen kernspintomografischen Untersuchung wurde von 5 fellowshiptrainierten Orthopäden vorgenommen. Bei 60 von 82 Fällen (73 %) wurde auf den kernspintomografischen Aufnahmen eine Subscapularissehnenruptur erkannt. Bei 113 von 120 Fällen wurde von den Orthopäden die korrekte Diagnose einer intakten Subscapularissehne (94 %) gestellt. Hieraus ergab sich eine gesamte Sensitivität von 73 %, eine Spezifität von 94 %, ein positiver prädiktiver Wert von 90 %, negativer prädiktiver Wert von 84 % und eine Genauigkeit von 86 %. Die Häufigkeit eines Subscapularissehnenrisses war am häufigsten bei der Subluxation der langen Bizepssehne aus dem Sulcus heraus (88 %). Die Operateure verfolgten in allen Fällen einen systematischen Ansatz zur Diagnosestellung einer Subscapularissehnenruptur auf den kernspintomografischen Aufnahmen. Zur Anwendung kamen 4 Kriterien:
- 1. Auf den axialen Schnitten wurde analysiert, ob sich ein Subscapularissehnenriss als Dehiszenz vom Tuberculum minus darstellen ließ.
- 2. Auf den axialen Aufnahmen wurde ebenso überprüft, ob eine Subluxation oder Dislokation der langen Bizepssehne aus dem Sulcus bicipitalis heraus darstellbar war.
- 3. Auf den parasagittalen Aufnahmen wurde medial des Glenoids analysiert, ob eine Atrophie der Subscapularissehne als Zeichen eines Subscapularissehnenrisses vorlag.
- 4. Auf den parasagittalen Schnitten wurde ebenso analysiert, ob zwischen der Subscapularissehne und dem Tuberculum minus eine Dehiszenz als Ausdruck eines Subscapularissehnenrisses vorlag.
Bei 2 oder mehr positiven Kriterien wurde anhand der kernspintomografischen präoperativen Untersuchung die Diagnose eines Subscapularissehnenrisses gestellt.
Jung et al. [6] veröffentlichten 2013 eine retrospektive Studie (Level IV) von 29 Patienten, bei denen ein vollschichtiger Riss der Subscapularissehne arthroskopisch versorgt wurde. Die präoperativen kernspintomografischen Aufnahmen wurden hinsichtlich des Vorliegens des sogenannten Bridging Sign analysiert. Die Autoren definierten das Bridging Sign als kernspintomografisch dargestellte Gewebebrücke, welche pathoanatomisch von der gerissenen und superomedial retrahierten Subscapularissehne ausgehend, eine bindegewebige Verbindung zur gerissenen Supraspinatussehne darstellt. Das eigentliche morphologische Korrelat des Bridging Sign war das coracohumerale Ligament und das superiore gleonohumerale Ligament. Bei allen Patienten, bei denen in der präoperativen kernspintomografischen Untersuchung ein Bridging Sign nachgewiesen wurde, konnte intraoperativ ein vollschichtiger Riss der kranialen Hälfte der Subscapularissehne und der vorderen Hälfte der Supraspinatussehne festgestellt werden. Für die Kombination eines Risses der Subscapularissehne und der vorderen Supraspinatussehne betrug die Sensitivität des Bridging Sign 81 %, die Spezifität 100% und die Genauigkeit 86,2 %.
Diskussion
Die Evidenz der hier untersuchten Studien betrug Level II bis IV und lag damit für das Fachgebiet hoch. Aus den hier analysierten Studien lassen sich einige interessante Punkte ableiten.
Das Erkennen von Läsionen der Subscapularissehne auf kernspintomografischen Aufnahmen kann schwierig sein. Die Sensitivität für das Erkennen später arthroskopisch nachgewiesener Läsionen der Subscapularissehne anhand von nativen kernspintomografischen Aufnahmen lag in einer Studie bei nur 36 % [3]. Auch für kernspintomografische Arthrografien wurde bei der Beurteilung eine Sensitivität von nur 36 % beschriebenen [4]. In einer älteren Studie, die hier nicht weitergehend analysiert wurde, wurde die Sensitivität für die kernspintomografische Arthrografie mit über 90 % angegeben [7]. Hier darf der Hinweis nicht fehlen, dass die befundenden Radiologen ausgewiesene akademische Skelettradiologen waren, die sich insbesondere mit der kernspintomografischen Darstellung der Schulter beschäftigt hatten.
Erst durch einen systematischen Algorithmus und die Befundung durch Schulteroperateure konnte die Sensitivität in einer weiteren Studie auch für die native Kernspintomografie auf 73 % gehobenen werden [5]. Der Algorithmus umfasste die Beurteilung der Integrität der Insertion der Subscapularissehne am Tuberculum majus auf sowohl axialen als auch parasagittalen Schnitten; zusätzlich die Beurteilung einer Subluxation der langen Bizepssehne auf axialen Schnitten und die Beurteilung einer Atrophie der Subscapularissehne auf parasagittalen Schnitten. Bei 2 positiven Kriterien wurde ein Riss der Subscapularissehne diagnostiziert.
Anzumerken ist, dass die analysierten Studien keinen Hinweis darauf gaben, inwiefern die Kenntnis der Anamnese oder der klinischen Untersuchung die Interpretation von kernspintomografischen Aufnahmen beeinflusst. Hinzu kommt, dass eine klinische Diagnose letztlich erst durch die Synthese von Anamnese, Befund und Bildgebung möglich wird. Diese Aufgabe ist letzten Endes vom Behandler zu übernehmen.