Übersichtsarbeiten - OUP 02/2014
Das FacettensyndromGrundlagen, OP-Technik und Ergebnisse der perkutanen FacettenkoagulationBasics, surgical technique and results of the percutaneous coagulation
Facetteninfiltration unter CT-Kontrolle: Bereits bei nicht degenerativ verändertem Facettengelenk ist die sichere selektive Punktion des Gelenkspalts nur unter Zuhilfenahme von bildgebenden Verfahren möglich. Bei arthrotischen Veränderungen ist diese selektive Punktion oftmals um ein Vielfaches schwieriger. Neben der Durchleuchtungs- oder Ultraschallkontrolle wurde auch die CT-gesteuerte Facetteninfiltration angegeben. Hierbei wird in Bauchlage des Patienten computertomografisch das Facettengelenk dargestellt. Nach Abmessen der Einstichtiefe und des Einstichwinkels wird eine 22-G-Nadel bis an das Gelenk eingebracht (Abb. 5).
In den letzten Jahren hat sich diese Technik in einigen radiologischen minimalinvasiven Zentren durchgesetzt. Von orthopädischer Seite wird diese Technik jedoch zurückhaltend bewertet und eine Indikation nur bei schwierigen anatomischen Verhältnissen gesehen.
Facetteninfiltration unter MRI-Kontrolle: Mit modernen Kernspintomografen und Spezialnadeln ist die Infiltration der Facettengelenke mittlerweile auch unter MRI-Kontrolle möglich [16, 17]. Der erhebliche finanzielle und apparative Aufbau erlaubt eine Umsetzung dieser Technik im klinischen Alltag jedoch nicht.
Facetteninfiltration unter Sonografie-Kontrolle: Verschiedentlich wurde die ultraschallgestützte Facetteninfiltration auch schon praktiziert. Im klinischen Alltag hat sich diese Technik jedoch nur wenig etabliert.
Zuverlässigkeit der Diagnose „Facettensyndrom“ nach erfolgreicher Facetteninjektion: Die Einführung der Facetteninjektion als entscheidendes Diagnosekriterium des Facettensyndroms vor Durchführung einer Denervation geht auf Lora und Long [18] zurück; eine Anwendung der Facetteninjektion als gleichzeitige diagnostische und therapeutische Methode wurde erstmals von Mooney und Robertson [15] beschrieben. Eine Facetteninfiltration mit nachfolgender zumindest kurzzeitiger Schmerzfreiheit stellt jedoch aufgrund bisheriger Erfahrungen auch kein absolut sicheres Kriterium für die Genauigkeit der Diagnose „Facettensyndrom“ bzw. für eine gute Prognose für die Facettenkoagulation dar.
Alle Untersuchungen weisen Fälle erfolgloser Facettendenervation trotz positiven Nervenblocks auf. Die Prozent-Angaben einer initialen Schmerzerleichterung nach Facettenkoagulation bei Patienten, die nach Facetteninjektion zumindest zeitweise schmerzfrei waren, liegen zwischen 50–80 %. Ein großer Anteil der Patienten mit vermuteten pseudoradikulären Schmerzen erfährt also trotz erfolgreicher Facetteninjektion keine Schmerzreduktion. Dieses bedeutet, dass weiterhin Unsicherheiten aufseiten des Untersuchers bestehen, welche Patienten der Thermokoagulation zugeführt werden sollen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass über den Wert der Facetteninfiltration als geeignetem diagnostischen Kriterium nach wie vor diskutiert wird. In der Literatur sind sich teilweise widersprechende Beobachtungen veröffentlicht. Die Untersuchungen von Lora und Long [18] besitzen den Charakter einer prospektiven Studie hinsichtlich des Placeboeffekts der Facetteninjektion. Sie finden keinen signifikanten Placeboeffekt mit physiologischer Kochsalzlösung, keine der Injektionen mit physiologischer Kochsalzlösung führte zu länger anhaltender Schmerzfreiheit. Alle 149 Patienten, die eine Facetteninjektion mit einem Lokalanästhetikum erhielten, hatten erneut auftretende Schmerzen innerhalb von 2 Monaten, in einem Fall erst nach 5 Monaten. Dieser Bericht deckt sich mit den eigenen Erfahrungen, dass eine eher kurzzeitige Beschwerdelinderung zu erwarten ist [19].
Lynch und Taylor [11] untersuchten in einer prospektiven Studie an 50 Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen von mehr als 6 Monaten Dauer die intraartikuläre Installation von 60 mg Methylprednisolon (keine Angabe des Injektionsvolumens) nach vorheriger Arthrografie mit 0,5 ml Kontrastmittel und verglichen die Resultate mit einer Serie von periartikulären Kortisoninjektionen. Die Schmerzlinderung war bei ihren Patienten nach intraartikulärer Injektion signifikant besser als nach periartikulärer Injektion. Bezüglich des Injektionsvolumens ist anzunehmen, dass die Autoren ein geringes Volumen intraartikulär appliziert hatten und dadurch eine Ruptur der Gelenkkapsel mit konsekutiver periartikulärer Flüssigkeitsausbreitung vermieden haben.
Zweifel am Wert der Facetteninfiltration für diagnostische Zwecke haben andere Untersucher. Lilius et al. [4, 5] sehen in dieser Methode nur eine unspezifische Wirkung, da sie keinen Unterschied zwischen Placeboinjektion mit physiologischer Kochsalzlösung und intraartikulärer oder periartikulärer Injektion mit einer Mischung aus Lokalanästhetikum und Kortison fanden. Dory [20] beobachtete bereits bei einer intraartikulären Applikation von maximal 4 ml Flüssigkeitsvolumen eine Kapselruptur in fast allen Fällen. Lilius et al. [4, 5] injizierten immer 8 ml Volumen sowohl intra- als auch periartikulär und werden sicherlich ebenfalls bei allen intraartikulären eine Kapselruptur bewirkt haben. Dadurch muss eine intraartikuläre Facetteninjektion sekundär zu einer periartikulären Injektion werden. Gerade bei derartig großen Injektionsvolumina sollte davon ausgegangen werden, dass eine periartikuläre Injektion auch den medialen Zweig des Ramus dorsalis beeinflusst und dadurch oder durch Diffusion in die Kapsel die gleiche Wirkung wie eine intraartikuläre Injektion hat.
Erhebliche Zweifel sind berechtigt, ob unter den beschriebenen Versuchsbedingungen ein Unterschied in der Wirkung zwischen intraartikulären Injektionen einerseits und extraartikulären andererseits zu erwarten gewesen wäre. Mit der Beschreibung einer lang anhaltenden Placebowirkung mit physiologischer Kochsalzlösung stehen die Autoren im Widerspruch zu Beobachtungen von Lora und Long [18]. Jackson et al. [21] haben in ihrer prospektiven randomisierten, aber weder kontrollierten noch doppelblinden Studie nach klinischen Kriterien gesucht, mit denen sich Rückenschmerzpatienten mit initialer Schmerzfreiheit nach Facetteninjektion entsprechend des Ursprungsorts der Schmerzen unterscheiden lassen. Alle Patienten hatten Rückenschmerzen ohne neurologische Zeichen. Das Injektionsvolumen wurde auf max. 1,9 ml (0,2–0,4 ml Kontrastmittel plus 1,5 ml Lokalanästhetikum) für jedes Facettengelenk begrenzt. Sie studierten vor und nach Facetteninjektion 10 verschiedene Bewegungsabläufe der lumbalen Wirbelsäule. Für diese Bewegungsabläufe war gezeigt worden, dass sie in erster Linie die Facetten (3) oder die Bandscheiben (3) belasten. 4 Bewegungsabläufe waren dazu geeignet, Facetten und Bandscheiben gleichermaßen zu beanspruchen [22].
Einfluss des Injektionsvolumens auf die Zuverlässigkeit der Diagnose „Facettensyndrom“: Die lumbalen Facettengelenke haben ein Volumen von nur 1 ml oder weniger. Raymond und Dumas [2] erzielten bei 25 Patienten in 4 Fällen Schmerzerleichterung. Sie benutzten kleine Injektionsmengen (ca. 1 ml), um das Risiko eines Flüssigkeitsaustritts aus dem Gelenk so gering wie möglich zu halten. Sie zitieren Glover [23], der für das Volumen eines Facettengelenks 1–2 ml angibt. Bei Verwendung von mehr als 1 ml könne man nicht sicher sein, dass bei Schmerzfreiheit ein Facettensyndrom vorliegt.