Originalarbeiten - OUP 05/2012
Das rheumatische SchultergelenkRheumatoid arthritis of the shoulder joint
Das Standardverfahren zur Abbildung der periartikulären Weichteile sowie der intraartikulären Binnenstrukturen ist die Magnetresonanztomografie. Insbesondere bei der Beurteilung der Rotatorenmanschette sowie Einordnung eines Defektes hinsichtlich der Größe, der Retraktion, der muskulären Atrophie und somit hinsichtlich seiner potenziellen Rekonstruktion stellt die MRT ein unverzichtbares diagnostisches Instrument dar.
Die Computertomografie wird bei einer rheumatischen Affektion des Schultergelenkes insbesondere im Rahmen der präoperativen Planung vor endoprothetischer Versorgung zur Beurteilung von Zysten und der Knochenqualität eingesetzt.
Konservative Therapie
Basis der konservativen Therapie an der rheumatischen Schulter ist die systemische medikamentöse Therapie. Unverzichtbarer Bestandteil ist der Einsatz von Glukokortikoiden. Gemeinsam mit einem Basistherapeutikum kann dadurch eine klinische Verbesserung erreicht werden sowie eine Verzögerung oder eine komplette Inhibierung der radiologischen Progression. Basistherapeutikum der Wahl zur Immunmodulation und Progressionshemmung mit dem besten Nutzen-Risiko-Verhältnis ist Methotrexat [6]. Bei Remission sollten die Kortikosteroide sukzessive reduziert bzw. abgesetzt werden, bei klinischer, laborchemischer oder radiologischer Progression nach Therapieintensivierung durch eine Dosiserhöhung oder Gabe eines zweiten Basistherapeutikums kann ein Einsatz von Biologicals erfolgen [7].
Neben der systemischen medikamentösen Therapie stehen lokale Therapieverfahren zur Verfügung, die beim Rheumatiker in einem interdisziplinär erarbeiteten Therapieplan zur Anwendung kommen sollten.
Mittels Ergotherapie wird der allgemeine Gebrauch der oberen Extremität verbessert. Durch gezieltes Training von Bewegungsabläufen kann dies zu einer besseren Funktion in den Situationen des alltäglichen Lebens führen. Weiterer unverzichtbarer Bestandteil ist die medizinische Trainingstherapie. Hiermit kann die muskuläre Führung und die Beweglichkeit des Schultergelenkes verbessert werden. Elektrotherapie und Ultraschalltherapie, Kryotherapie und lokale Antiphlogistika können nebenwirkungsarm zur gezielten Linderung der lokalen Beschwerden eingesetzt werden. Als invasive Maßnahme steht zur Behandlung persistierender entzündlicher Vorgänge im Schultergelenk die Injektionstherapie zur Verfügung. Sie kann zur differenzierten Behandlung von Pathologien im glenohumeralen Gelenk, Subakromialraum, AC-Gelenk oder langer Bizepssehne eingesetzt werden. Wichtig hierbei ist die sorgfältige, leitliniengerechte Beachtung der hygienischen Voraussetzungen, da der rheumatische Patient aufgrund der Grunderkrankung und der Immunsuppression für die Komplikation der iatrogenen septischen Arthritis besonders gefährdet ist. Durch lokale Glukokortikoidinjektion kann eine Modulation der Entzündung erfolgen, gerade subakromial haben sich Infiltrationsserien mit dreimaliger Wiederholung im Abstand von 3–6 Wochen bewährt [3]. Bei fehlender Besserung der lokalen Beschwerden trotz Basistherapie und Glukokortikoidinjektion kann bei suffizienter Rotatorenmanschette die Radiosynoviorthese erfolgen. Durch intraartikuläre Injektion eines Radionuklids, z.B.
Yttrium, wird die entzündliche Aktivität der Synovialis gemindert, was zu einer Linderung der Schmerzen, einem Rückgang der Schwellung sowie einer Verbesserung der Beweglichkeit führen kann. Kurz- bis mittelfristig kann dadurch in 50–60% der Fälle eine subjektive Beschwerde- sowie Funktionsverbesserung erreicht werden [8]. Prinzipiell werden die besten Ergebnisse erzielt, wenn die RSO nach einer arthroskopischen Synovialektomie eingesetzt wird.
Operative Therapie
Die operativen Therapieoptionen beinhalteten arthroskopische und offene Verfahren, Weichteileingriffe, gelenkerhaltende und gelenkersetzende Verfahren. Die Wahl des Operationsverfahrens orientiert sich am aktuellen Destruktionsmuster nach Larsen, Dale und Eek, dem zu erwartenden Spontanverlauf und dem Ausmaß der periartikulären Weichteildestruktion [8].
In frühen Stadien der Erkrankung (LDE 0–3) ohne relevante sekundäre Destruktion hat die Synovialektomie einen hohen Stellenwert [9]. Diese kann in der Regel über die Standardzugänge arthroskopisch erfolgen. Bei therapierefraktärer Synovialitis, intakter Rotatorenmanschette und bestehender subakromialer Bursitis sollte die arthroskopische Synovektomie mit einer subakromialen Dekompression und Bursektomie kombiniert werden [2]. Der Operation sollte sich im rheumatologischen Therapiekonzept sechs Wochen postoperativ eine Radio- bzw. Chemosynoviorthese anschließen, um verbliebenes synoviales Gewebe zu destruieren und Rezidiven vorzubeugen. Der Vorteil der arthroskopischen Technik liegt in der geringeren Invasivität, da wichtige muskuläre, schulterstabilisierende Strukturen nicht abgelöst werden müssen.
Bei entsprechender Pathologie der langen Bizepssehne kann diese mittels lokaler Tenosynovektomie oder ggf. Tenotomie adressiert werden, da dies häufig zu einer suffizienten Linderung der Beschwerden führt. Wird bei der arthroskopischen Inspektion des Gelenkes ein Defekt der Rotatorenmanschette detektiert, so sollte dieser arthroskopisch oder in mini-open-Technik genäht werden, auch wenn sich beim Rheumatiker aufgrund der schlechteren Gewebequalität die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette schwieriger gestaltet. Im weiter fortgeschrittenen Stadium kann es notwendig sein, die Synovialektomie oder die Versorgung größerer Rotatorenmanschettendefekte in offener Technik durchzuführen.
Die Resektions-Interpositions-Arthroplastik rückt aufgrund der zunehmenden Expertise und Implantatverbesserung im Bereich der Schulterendoprothetik vermehrt in den Hintergrund und bleibt speziellen Indikationen vorbehalten.
Die Indikation zur Schulterendoprothese bei rheumatoider Arthritis unterscheidet sich von der bei degenerativer Erkrankung insofern, dass die Indikation nicht zu spät gestellt werden sollte [9]. Eine Indikationsstellung in den LDE-Stadien 3 und 4 sollte angestrebt werden, da ansonsten bei weiter fortgeschrittener Destruktion meist schon eine ausgeprägte Insuffizienz/Defektsituation der Rotatorenmanschette vorliegt [10]. Zusätzlich beeinträchtigen im späteren Stadium progrediente osteoporotische Veränderungen und lokale Usuren die Chance auf ein gutes funktionelles Ergebnis.
Entscheidend bei der Endoprothetik der rheumatischen Schulter ist die Wahl des geeigneten Implantats [1]. Die Auswahl des Implantats richtet sich nach implantationstechnischen und mechanischen Aspekten, der Rekonstruktion der Weichteile sowie der Kompensation knöcherner Defekte [2]. Prinzipiell stehen anatomische und inverse Prothesen zur Verfügung.
Bei der anatomischen Endoprothese am Schultergelenk werden Oberflächenersatz, schaftgeführte Hemiprothese und Totalendoprothese unterschieden.
Aufgrund der reduzierten Knochenqualität bei rheumatoider Arthritis ist es prinzipiell sinnvoll, im Rahmen der Primärendoprothetik ein möglichst knochenerhaltendes Verfahren zu wählen [9]. Im Revisionsfall steht dann noch genügend Knochensubstanz zur Verankerung eines größeren Implantats zur Verfügung. Daher findet zunehmend bei entsprechender Indikation der Oberflächenersatz Verwendung. Dieser führt insbesondere in früheren Stadien der Gelenkdestruktion zu guten klinischen Ergebnissen. Voraussetzung für die Implantation eines humeralen Oberflächenersatzes ist eine ausreichende Substanz der Gelenkpfanne, eine erhaltene Form des Humeruskopfes, sowie eine entsprechende Knochenqualität desselben. Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, so kann eine schaftgeführte Hemiprothese implantiert werden. Bei erhaltenem Glenoid erreicht die Hemiprothese mit Ersatz nur des humeralen Gelenkpartners mittlerweile vergleichbare Ergebnisse wie die Total-endoprothese [2], auch wenn kurz- bis mittelfristig die Funktion der Totalendoprothese sowie die erreichte Schmerzreduktion meistens besser sind als bei der Hemiprothese. Komplikation hierbei ist insbesondere bei den schlechteren Knochenverhältnissen des rheumatischen Gelenkes eine beschleunigte Erosion des Glenoids. Vor allem eine Dezentrierung des Kopfes aufgrund einer Rotatorenmanschetteninsuffizienz führt zur vorzeitigen Glenoiderosion und damit zu schlechteren Langzeitergebnissen. Bei Implantation einer Totalendoprothese mit Glenoidersatz dagegen stellt die Lockerung der Glenoidkomponente eine gefürchtete Komplikation dar. Die radiologisch sichtbaren Lockerungszeichen werden dabei häufig von den betroffenen Patienten erstaunlich gut toleriert [10]. Bei erforderlichen Revisionsoperationen können die knöchernen Verluste am Glenoid nur schwer rekonstruiert werden.