Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014
Das schmerzhafte kindliche Hüftgelenk im Notfalldienst
M. Manig1, A. Meurer1
Zusammenfassung: Das schmerzhafte Hüftgelenk ohne adäquates Trauma stellt den diensthabenden Arzt vor eine große Herausforderung. Eine nicht erkannte septische Arthritis oder akute Epiphysiolysis capitis femoris (ECF) kann für das betroffene Kind dramatische Konsequenzen haben [4]. Die aktuelle Literatur berücksichtigend, präsentiert dieser Artikel einen Behandlungsalgorithmus für den Notdienst. Die große Altersspanne vom Neugeborenen bis zum pubertierenden Jugendlichen erklärt die Vielfältigkeit der Symptome bei Hüftgelenkserkrankungen des Kindes. Von der Pseudoparalyse beim Neugeborenen mit septischer Arthritis über den typischen Knieschmerz beim Kleinkind mit Morbus Perthes bis hin zur Gehunfähigkeit beim Jugendlichen mit ECF. Im Folgenden wird nicht auf die differenzierte Betrachtung und Therapie der Coxitis fugax, der septischen Arthritis, des Morbus Perthes und der Epiphysiolysis capitis femoris eingegangen. Lediglich die bei Erstvorstellung im Notdienst notwendigen Schritte der Diagnostik und die unmittelbar notwendigen ersten therapeutischen Schritte werden erläutert.
Schlüsselwörter: Hüftschmerz, Kinder, Coxitis fugax, Morbus Perthes, Epiphysiolysis capitis femoris, septische Coxitis
Zitierweise
Manig M, Meurer A: Das schmerzhafte kindliche Hüftgelenk im Notfalldienst.
OUP 2014; 1: 004–010, DOI 10.3238/oup.2014.0004–0010
Summary: The painful hip joint without adequate trauma is a major challenge for the physician in the emergency ambulance. An undetected septic arthritis or acute slipped capital femoral epiphysis has dramatic consequences for the child. Taking into account the current literature, this article pre-sents a treatment algorithm for the emergency services. The large range of age from newborns to young adolescents explains the diversity of symptoms of hip disorders in children. Pseudoparalysis of the newborn with septic arthritis, typical knee pain in young children with Perthes’ disease and inability to walk in adolescents with slipped capital femoral epiphysis . The article does not address the differentiated viewing and treatment of transient synovitis, septic arthritis, Perthes disease and slipped capital femoral epiphysis. Only the initial steps of diagnosis and immediately necessary first therapeutic steps are explained.
Keywords: painful hip, children, transient synovitis, Legg-Calvé-Perthes disease (LCPD), slipped capital femoris epiphysis (SCFE), septic arthritis of the hip
Citation
Manig M, Meurer A: The painful hip in childrens’ emergency service. OUP 2014; 1: 004–010, DOI 10.3238/oup.2014.0004–0010
Bei jedem Kleinkind/Neugeborenen mit Hüftschmerz und Schonung des Hüftgelenks müssen die Leukozytenzahl, das CRP und die Körpertemperatur bestimmt werden.
Krankheitsbilder
Zunächst ist es wichtig, dem Patientenalter die in Frage kommenden orthopädischen Krankheitsbilder zuzuordnen.
Septische Arthritis
Definion
Hämatogene bakterielle Infektion des Hüftgelenks bei Säuglingen und Kleinkindern.
Ätiologie
Die Infektion erfolgt hämatogen. Vor dem ca. 3. Lebensjahr gibt es eine Besonderheit der epiphysären Blutversorgung. Bevor sich ab dem 3. Lebensjahr eigenständige arterielle Versorgungssysteme für Metaphyse und Epiphyse ausbilden, existieren Gefäße, die die Wachstumsfuge kreuzen. Diese erleichtern das Eindringen von Keimen in das Gelenk. Das Keimspektrum umfasst je nach Studie ca. 50 % Staph. aureus und ca. 10 % koagulaseneg. Streptokokken. Es finden sich daneben auch weitere Erreger wie Streptococcus pneumoniae, Salmonellen und Streptokokken der Gruppe B [6, 16].
Die septische Arthritis ist eine gefürchtete Diagnose, weil der eitrige Erguss, wenn er mehr als 4 Tage besteht, zu irreversiblen Schäden am Gelenkknorpel und womöglich in den Wachstumsfugen führt bis hin zur vollständigen Hüftkopfnekrose [2].
Klinik
Der beginnende Gelenkinfekt ist nur bei einem kleineren Teil der Kinder (ca. 10 %) nicht von Fieber begleitet. Viele der Kinder sind im Allgemeinzustand deutlich reduziert und haben eine erhöhte Temperatur, was die septische Coxitis von der Coxitis fugax abgrenzt. Auch die Gehfähigkeit ist bei manifestem Infekt in der Regel aufgehoben, wohingegen Kinder mit einer Coxitis fugax häufig lediglich ein Schonhinken zeigen. Die passive Bewegungsprüfung ist häufig schmerzbedingt nicht durchführbar. Neugeborene präsentieren häufig das Bild einer Pseudoparalyse. Die betroffene Extremität wird vollständig geschont, passives Bewegen provoziert jedoch eine deutliche Schmerzreaktion.
Diagnostik
Sonografisch
Es zeigt sich ein deutlicher Erguss im Bereich des Übergangs vom Kopf zum Hals des Femurs (s. Abb. 1). Dieser Erguss ist jedoch nicht sicher von einem eitrigen Erguss zu unterscheiden [7].
Röntgenbild
Im nativradiologischen Röntgenbild können sich je nach Stadium der septischen Coxitis ein zu Beginn noch unauffälliges Röntgenbild, eine Lateralisation des Hüftkopfs bis hin zur Luxation bei massivem Erguss oder ossäre Destruktionen der Epiphyse und Metaphyse zeigen (s. Abb. 7).
Labor/Temperatur
Eine erhöhte Temperatur von > 38 °C , eine Leukozytenzahl von > 12000/µl, Gehunfähigkeit und ein CRP > 20 mg/l [15] ( früher BSG > 40 mm in 1 h) sind die die 4 wichtigen Prädiktoren [6]. Wenn alle 4 zutreffen, liegt die Sicherheit eines Infektes bei 99 %. Für 2 Prädiktoren bei 40 %, für 3 bei 93 % [6].
Coxitis fugax,
Synonym: Hüftschnupfen
Definition
Bei Kleinkindern auftretender Hüftgelenkerguss, der für wenige Tage anhält [1].
Ätiologie
Die Coxitis fugax tritt meist begleitend bei viralen Infekten der oberen Atemwege oder des Gastrointestinaltraktes auf. Die Coxitis fugax ist damit ein Symptom einer Grunderkrankung und keine eigenständige Krankheit [1].
Klinik
Im Gegensatz zur septischen Koxitis sind die Patienten mit Coxitis fugax in der Regel gesund bei gutem Allgemeinzustand. Sie klagen über Hüft- oder Knieschmerzen und zeigen ein deutliches Schonhinken, sind aber meistens gehfähig. Die passive Bewegungsprüfung zeigt eine endgradige Einschränkung der Hüftbeugung und Streckung sowie eine Einschränkung der Rotationsfähigkeit. Die Körpertemperatur ist nicht erhöht.
Diagnostik
Sonografie
Es zeigt sich ein deutlicher Erguss (s. Abb. 1) im Bereich des Übergangs vom Kopf zum Hals des Femurs. Dieser Erguss ist jedoch nicht sicher von einem eitri-gen Erguss zu unterscheiden.
Röntgenbild
Es zeigt in der Regel einen unauffälligen Befund.
Labor
Das CRP liegt bei < 20 mg/l. Die Leukozytenzahl ist < 12000/µl.
Morbus Perthes
Definition
Der Morbus Perthes gehört zur Gruppe der aseptischen Knochennekrosen im Kindesalter. Die Ätiologie ist unbekannt.
Ätiologie
Es kommt zu einer avaskulären Nekrose der Epiphyse und konsekutiv zu einer gestörten Ossifikation des Caput femoris. Kinder mit Morbus Perthes weisen eine Skelettreifungstörung auf, wodurch sie im Durchschnitt kleiner sind als Kinder gleichen Alters. Im Erwachsenenalter sind sie dann jedoch nicht kleiner als der Durchschnitt der Bevölkerung
Klinik
Der Altersgipfel liegt zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr, drei Viertel der Kinder klagen über Hüftschmerz, ein Viertel über Knie- bzw. Oberschenkelschmerz. Die Kinder fallen durch ein Schonhinken auf. Vornehmlich die Abduktion und Innenrotation sind eingeschränkt. Durch den angegebenen Knieschmerz verzögert sich die Diagnose häufig.
Klassifikation des Verlaufs
Dauer der Erkrankung im Schnitt 3–5 Jahren. Der Verlauf ist nach Waldenström in charakteristische Stadien unterteilt. In Tabelle 3 sind die Stadien mit ihren typischen Charakteristika im Röntgenbild genannt.
Diagnostik
Sonografie
Die Sonografie des Hüftgelenks erfolgt in der Regel bei Erstkontakt mit der Fragestellung des Gelenkergusses, um die Coxitis fugax ab zugrenzen. Doch auch das Initialstadium des Morbus Perthes weist häufig einen Gelenkerguss auf. Persistiert bei typischer Infektanamnese der Erguss mit entsprechendem Beschwerdebild über die für eine Coxitis fugax üblichen 5–7 Tage, ist auch hier an das Anfangsstadium des Morbus Perthes zu denken.
Röntgenbild
Das Nativröntgenbild Beckenübersicht und Hüftgelenk bds. axial ist zur Diagnosestellung ausreichend. Bei der Erstvorstellung im Rahmen von erstmals aufgetreten Schmerzen wird sich unter Umständen noch keine Pathologie zeigen, wenn die Erkrankung in einem sehr frühen Stadium ist. Das erste radiologische Zeichen im Initialstadium ist eine Gelenkspaltverbreiterung (s. Abb. 2, 3).
Labor
Unauffällig
Epiphysiolysis capitis femoris
Die akute ECF ist eine Diagnose, die nicht übersehen werden darf, da es im Rahmen des Epiphysenabrutsches zu einer nachhaltigen Durchblutungsstörung des Fe-murkopfs mit der Gefahr der Hüftkopfnekrose kommen kann. Bei der akuten Form liegt das Risiko bei 16–18 % [13]. Handelt es sich um eine akute instabile Form der ECF ist das Nekroserisiko deutlich höher einzustufen [10].
Definition
Nicht traumatische Epiphysenlösung der Wachstumsfuge des proximalen Femurs im pubertären Alter. Die Epiphyse verlagert sich nach medial und dorsal.
Ätiologie
Durch hormonellen Einfluss kommt es während der Pubertät zu einer mechanischen Schwächung der Epihysenfugen [11]. Die Fuge des proximalen Femurs ist besonderen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Kommt es in dieser Wachstumsphase durch Übergewicht oder besondere mechanische/sportliche Belastung zu einer zusätzlichen Belastung, kann es zur Epiphysenlösung kommen.
Klinik
Häufig findet sich der typische Habitus der Dystrophia adiposogenitalis (Fröhlich-Syndrom). Der Altersgipfel liegt bei Jungen zwischen dem 13. und 17. Lebensjahr, bei Mädchen zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr. Es gibt jedoch auch deutlich jüngere Patienten mit ECF [9]. Die Klinik reicht abhängig von der Verlaufsform von gelegentlichen Schmerzen im Bereich Knie, Oberschenkel und Hüftgelenk bei chronischem Verlauf und geringem Abrutschwinkel, bis hin zu völliger
Gehunfähigkeit bei akutem Abrutsch der Epiphyse. Typischerweise wird das betroffene Bein außenrotiert gehalten. Versucht man bei der körperlichen Untersuchung das betroffene Bein zu beugen, weicht es automatisch in die Außenrotation ab. Die Innenrotation ist entsprechend eingeschränkt. Dieses klinische Zeichen heißt positives Drehmann-Zeichen.
Klassifikation
Man unterscheidet [10]
Diagnostik
Sonografie
Im Seitenvergleich findet sich häufig ein Erguss auf der betroffenen Seite. Die Diagnose der ECF lässt sich jedoch nur schwer sonografisch erheben, insbesondere bei kleinen Abrutschwinkeln.
Röntgenbild
Das Nativröntgenbild Beckenübersicht und Hüftgelenk bds. axial ist zur Diagnosestellung ausreichend. Da beide Hüftgelenke betroffen sein können (ca. 20 %), müssen immer beide Hüftgelenke untersucht werden [8]. In der a.-p-Aufnahme ist die Diagnose häufig schwer zu stellen. Hilfreich ist hier das Anlegen einer Tangente an den lateralen Schenkelhals (Klein‘s-Linie). Die Epiphyse ragt im Vergleich zur nicht abgerutschten Seite nicht über die angelegte Tangente hinaus (s. Abb. 4). Die Höhe der abgerutschten Epiphyse kann im Seitenvergleich gemindert erscheinen. Im axialen Strahlengang ist die dorsale Position der Epiphyse deutlicher zu erkennen (s. Abb. 5). Im initialen Stadium ist unter Umständen noch kein Abrutsch festzustellen. Es zeigt sich dann unter Umständen eine Verbreiterung der Fuge im Seitenvergleich. Diese Form wird incipiente Form genannt.
Bestimmung des Abrutschwinkels
Labor
Unauffällig
Vorgehen in der Praxis
Eine genaue Anamneseerhebung in Abhängigkeit vom Alter ist unabdingbar. Diese muss beinhalten:
- Trauma in der Anamnese?
- Infekt der Atemwege oder gastrointestinaler Infekt?
- Fieber?
- Dauer der Beschwerden, Häufigkeit/Verlauf der Beschwerden?
- Medikamenteneinnahme ?
Körperliche Untersuchung:
- Palpation: Druckschmerz/Schwellung/Überwärmung,
- Gehfähigkeit beurteilen,
- Passive Beweglichkeit: Bewegungsausmaß im Seitenvergleich/Schmerzprovokation.
Alle Kinder, die sich ohne adäquates Trauma mit Hüftschmerzen vorstellen, sollten mit der Fragestellung nach einem Gelenkerguss sonografiert werden.
Vorgehen abhängig vom Alter
Differenzierung bei Neugeborenen und Kleinkindern zwischen Coxitis fugax und septischer Coxitis
Bei vorhandenem Gelenkerguss und Einschränkung der Gehfähigkeit/Schonung des Beines und/oder Temperaturerhöhung muss eine Kontrolle der Laborparameter (CRP, Leukozytenzahl) erfolgen.
Sind die Mehrzahl der 4 Prädiktoren (s. Tab. 2) positiv, besteht der dringende Verdacht auf eine septische Arthritis. Ein Röntgenbild zur Beurteilung einer evtl. eingetretenen knöchernen Pathologie muss erfolgen (Abb. 7). Die Punktion des Hüftgelenks in Narkose und OP-Bereitschaft ist empfohlen. Das Punktat muss einer Zellzählung der Leukozyten unterzogen und eine mikrobiologische Untersuchung eingeleitet werden, um ein Antibiogram zu erhalten.
Ist das Punktat trüb oder eitrig, ist in selber Narkose die arthroskopische Spülung des Gelenks und Einlage einer Drainage empfohlen [3].
Dieses einzeitige Vorgehen ist gerechtfertigt, da die Keimzahlverminderung nach arthroskopischer Spülung deutlicher ist als nach alleiniger Punktion. Es wird dann sofort mit einer kalkulierten i.v.-Antibiose mit einem 1.-Generation-Cephalosporin oder Clindamycin begonnen, die ca. 2 Wochen fortgeführt wird, bis sich der CRP-Wert normalisiert hat.
Eine Anpassung der Antibiose an das Antibiogram ist ggf. erforderlich. In einer aktuellen Publikation wird empfohlen, nach einer alleinigen Punktion in Narkose die Zellzahl zu bestimmen und das Punktat mikrobiologisch zu untersuchen.
Ist die Zellzahl als schnellstmöglich verfügbares Ergebnis positiv mit mehr als 50.000 Leukozyten pro mm3, wird eine kalkulierte Antibiose mit Clindamycin oder einem 1.-Generation-Cephalosporin begonnen, die ca. 2 Wochen fortgesetzt wird [12], bis sich der CRP-Wert normalisiert hat. Sinkt innerhalb von 24 h der CRP-Wert nicht adäquat, wird von den Autoren die Arthroskopische Spülung empfohlen [14].
Da mit der Anwesenheit von Eiter im Gelenk mit jedem Tag das Ausmaß der Schädigung des Gelenkknorpels zunimmt [2], ist die chirurgische Spülung des Gelenks bei trübem Punktat in selber Narkose das konsequentere Vorgehen. Kommt es postoperativ innerhalb von 2–3 Tagen nicht zu einem adäquaten Abfall des CRP-Werts und einem Rückgang der Ergussbildung, muss eine erneute Gelenkspülung erfolgen.
Sind das CRP und die Leukozyten im Blut unterhalb der Grenzwerte (CRP < 20 mg/l und Leukozyten < 12000 µl) und liegt keine Temperaturerhöhung vor, ist der Befund als Coxitis fugax zu werten und mit einem NSAR (z.B. Nurofen-Saft) zu behandeln.
Eine 48-stündige Verlaufskontrolle muss erfolgen. Eine Punktion des Gelenks bei Coxitis fugax sollte nur bei ausgeprägten Schmerzzuständen erfolgen. Der Verlauf wird zwar zeitlich positiv beeinflusst [5], es ist jedoch eine Narkose für die Punktion notwendig.
Eine stationäre Aufnahme kann in seltenen Fällen bei ausgeprägten Schmerzzuständen notwendig werden. Eine Traktionsbehandlung zur Entlastung ist in diesen Fällen häufig hilfreich.
Kinder und Jugendliche mit Hüftschmerz
Bei klinisch vorhandenen Infektzeichen und positiven Prädiktoren gilt der oben genannte Algorithmus.
Fehlen klinische Infektzeichen, wird nach der Sonografie immer eine Röntgenuntersuchung (Beckenübersicht und Aufnahme n. Lauenstein bds.) durchgeführt. Liegt eine Außenrotationsfehlstellung und ein positives Drehmannzeichen vor, muss dringend an das Vorliegen einer ECF gedacht werden. Aufgrund der plötzlichen Verschlechterung des Schmerzes und der ggf. bestehenden Gehunfähigkeit, wird sich im Notdienst eher der Patient mit einer akuten oder akut auf chronischen Verlaufsform vorstellen (s. Abb. 8).
Zeigen die Röntgenbilder eine ECF, muss unabhängig vom Abrutschwinkel oder der Verlaufsform eine sofortige Verlegung in ein kinderorthopädisches Zentrum erfolgen. Hier kann dann die stadiengerechte Therapie erfolgen, die immer chirurgisch ist. Erfolgen die Verlegung und die anschließende Operation möglichst rasch, innerhalb weniger Stunden, ist mit keinem wesentlich höheren Nekroserisiko allein durch diese Verlegung zu rechnen [10]. Die operative Therapie beinhaltet bei der akuten Form immer eine möglichst schnelle Druckentlastung des betroffenen Gelenks und abhängig von Verlaufsform und Abrutschwinkel die Fixation mit oder ohne Korrektur des Abrutschwinkels der betroffenen Seite und die prophylaktische Fixation der Gegenseite [17].
Zeigt sich ein beginnender Morbus Perthes mit Gelenkspaltverbreiterung oder beginnender Kondensation, besteht notfallmäßig kein orthopädischer Handlungsbedarf. Das Kind kann im Verlauf kinderorthopädisch vorgestellt werden, um die weitere, stadiengerechte Therapie einzuleiten. Im ggf. schmerzhaften Initialstadium kann vorrübergehend ein NSAR (z.B. Nurofen-Saft) verordnet werden.
Differenzialdiagnosen
Zeigt die kindliche schmerzhafte Hüfte keine der vorgestellten Befundkonstellationen, ist in Folge eine weiterführende Diagnostik mit Labordiagnostik und erweiterter Bildgebung notwendig. Folgende Differenzialdiagnosen kommen in Frage:
- Meyer-Dysplasie,
- Epiphysäre Dysplasie,
- Spondyloepiphysäre Dysplasie,
- Chondroblastom,
- Juvenile idiopathische Arthritis,
- Medikamentös induzierte Hüftkopfnekrose,
- Morbus Gaucher,
- Sichelzellanämie,
- Thalassämie,
- Achondroplasie,
- Morbus Morquio,
- Klinefelter Syndrom,
- Tumoren.
Zusammenfassung
Für den diensthabenden Arzt besteht die Herausforderung darin, die für das Hüftgelenk bedrohliche septische Coxitis des Neugeborenen und Kleinkindes sowie die akute ECF des Pubertierenden zu erkennen. Mithilfe der 4 Prädiktoren CRP, Leukozytenzahl, Gehfähigkeit und Temperatur, gelingt die Abgrenzung der septischen Coxitis zur Coxitis fugax in den meisten Fällen sehr gut. Die ECF kann mit geschulter Anamneseerhebung, genauer klinischer Untersuchung und geschulter Röntgendiagnostik erkannt werden und einer stadiengerechten chirurgischen Therapie in einem kindeorthopädischen Zentrum zugeführt werden.
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Matthias Manig
Orthopädische Universitätsklinik
Friedrichsheim gGmbH
Marienburgstr. 2, 60538 Franfurt a. M.
m.manig@friedrichsheim.de
Literatur
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3. Chung WK, Slaterund GL, Bates EH, Treatment of septic arthritis of the hip by arthroscopic lavage. J Pediatr Orthop 1993; 13: 444–446
4. Fabry G, Meire E. Septic arthritis of the hip in children: poor results after late and inadequate treatment. J Pediatr Orthop 1983; 3: 461–466
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7. Konermann W Gruber G. [Septic coxitis in childhood. Differential ultrasound diagnoses]. Orthopäde 1997; 26: 830–837
8. Loder RT, Aronson DD, Greenfield ML. The epidemiology of bilateral slipped capital femoral epiphysis. A study of children in Michigan. J Bone Joint Surg Am 1993; 75: p 1141–1147
9. Loder RT et al. Narrow window of bone age in children with slipped capital femoral epiphyses. J Pediatr Orthop 1993; 13: 290–293
10. Loder RT et al. Acute slipped capital femoral epiphysis: the importance of physeal stability. J Bone Joint Surg Am 1993; 75: 1134–1140
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13.] Rattey T, Piehl F Wright JG. Acute slipped capital femoral epiphysis. Review of outcomes and rates of avascular necrosis. J Bone Joint Surg Am 1996; 78: 398–402
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16. Wang CL et al. Septic arthritis in children: relationship of causative pathogens, complications, and outcome. J Microbiol Immunol Infect 2003; 36: 41–46
17. Wirth T. [Slipped upper femoral epiphysis (SUFE)]. Z Orthop Unfall 2011; 149: e21–41; quiz e42–3
Bei Schmerzen in Kniegelenk, Oberschenkel oder Hüftgelenk und/oder im Seitenvergleich schmerzhaft eingeschränktem Bewegungsausmaß muss bei Kindern und Jugendlichen eine nativradiologische Untersuchung mit Beckenübersicht und Lauensteinaufnahme beidseits durchgeführt werden.
Fussnoten
1 Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim, Frankfurt/Main