Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014
Das schmerzhafte kindliche Hüftgelenk im Notfalldienst
Körperliche Untersuchung:
- Palpation: Druckschmerz/Schwellung/Überwärmung,
- Gehfähigkeit beurteilen,
- Passive Beweglichkeit: Bewegungsausmaß im Seitenvergleich/Schmerzprovokation.
Alle Kinder, die sich ohne adäquates Trauma mit Hüftschmerzen vorstellen, sollten mit der Fragestellung nach einem Gelenkerguss sonografiert werden.
Vorgehen abhängig vom Alter
Differenzierung bei Neugeborenen und Kleinkindern zwischen Coxitis fugax und septischer Coxitis
Bei vorhandenem Gelenkerguss und Einschränkung der Gehfähigkeit/Schonung des Beines und/oder Temperaturerhöhung muss eine Kontrolle der Laborparameter (CRP, Leukozytenzahl) erfolgen.
Sind die Mehrzahl der 4 Prädiktoren (s. Tab. 2) positiv, besteht der dringende Verdacht auf eine septische Arthritis. Ein Röntgenbild zur Beurteilung einer evtl. eingetretenen knöchernen Pathologie muss erfolgen (Abb. 7). Die Punktion des Hüftgelenks in Narkose und OP-Bereitschaft ist empfohlen. Das Punktat muss einer Zellzählung der Leukozyten unterzogen und eine mikrobiologische Untersuchung eingeleitet werden, um ein Antibiogram zu erhalten.
Ist das Punktat trüb oder eitrig, ist in selber Narkose die arthroskopische Spülung des Gelenks und Einlage einer Drainage empfohlen [3].
Dieses einzeitige Vorgehen ist gerechtfertigt, da die Keimzahlverminderung nach arthroskopischer Spülung deutlicher ist als nach alleiniger Punktion. Es wird dann sofort mit einer kalkulierten i.v.-Antibiose mit einem 1.-Generation-Cephalosporin oder Clindamycin begonnen, die ca. 2 Wochen fortgeführt wird, bis sich der CRP-Wert normalisiert hat.
Eine Anpassung der Antibiose an das Antibiogram ist ggf. erforderlich. In einer aktuellen Publikation wird empfohlen, nach einer alleinigen Punktion in Narkose die Zellzahl zu bestimmen und das Punktat mikrobiologisch zu untersuchen.
Ist die Zellzahl als schnellstmöglich verfügbares Ergebnis positiv mit mehr als 50.000 Leukozyten pro mm3, wird eine kalkulierte Antibiose mit Clindamycin oder einem 1.-Generation-Cephalosporin begonnen, die ca. 2 Wochen fortgesetzt wird [12], bis sich der CRP-Wert normalisiert hat. Sinkt innerhalb von 24 h der CRP-Wert nicht adäquat, wird von den Autoren die Arthroskopische Spülung empfohlen [14].
Da mit der Anwesenheit von Eiter im Gelenk mit jedem Tag das Ausmaß der Schädigung des Gelenkknorpels zunimmt [2], ist die chirurgische Spülung des Gelenks bei trübem Punktat in selber Narkose das konsequentere Vorgehen. Kommt es postoperativ innerhalb von 2–3 Tagen nicht zu einem adäquaten Abfall des CRP-Werts und einem Rückgang der Ergussbildung, muss eine erneute Gelenkspülung erfolgen.
Sind das CRP und die Leukozyten im Blut unterhalb der Grenzwerte (CRP < 20 mg/l und Leukozyten < 12000 µl) und liegt keine Temperaturerhöhung vor, ist der Befund als Coxitis fugax zu werten und mit einem NSAR (z.B. Nurofen-Saft) zu behandeln.
Eine 48-stündige Verlaufskontrolle muss erfolgen. Eine Punktion des Gelenks bei Coxitis fugax sollte nur bei ausgeprägten Schmerzzuständen erfolgen. Der Verlauf wird zwar zeitlich positiv beeinflusst [5], es ist jedoch eine Narkose für die Punktion notwendig.
Eine stationäre Aufnahme kann in seltenen Fällen bei ausgeprägten Schmerzzuständen notwendig werden. Eine Traktionsbehandlung zur Entlastung ist in diesen Fällen häufig hilfreich.
Kinder und Jugendliche mit Hüftschmerz
Bei klinisch vorhandenen Infektzeichen und positiven Prädiktoren gilt der oben genannte Algorithmus.
Fehlen klinische Infektzeichen, wird nach der Sonografie immer eine Röntgenuntersuchung (Beckenübersicht und Aufnahme n. Lauenstein bds.) durchgeführt. Liegt eine Außenrotationsfehlstellung und ein positives Drehmannzeichen vor, muss dringend an das Vorliegen einer ECF gedacht werden. Aufgrund der plötzlichen Verschlechterung des Schmerzes und der ggf. bestehenden Gehunfähigkeit, wird sich im Notdienst eher der Patient mit einer akuten oder akut auf chronischen Verlaufsform vorstellen (s. Abb. 8).
Zeigen die Röntgenbilder eine ECF, muss unabhängig vom Abrutschwinkel oder der Verlaufsform eine sofortige Verlegung in ein kinderorthopädisches Zentrum erfolgen. Hier kann dann die stadiengerechte Therapie erfolgen, die immer chirurgisch ist. Erfolgen die Verlegung und die anschließende Operation möglichst rasch, innerhalb weniger Stunden, ist mit keinem wesentlich höheren Nekroserisiko allein durch diese Verlegung zu rechnen [10]. Die operative Therapie beinhaltet bei der akuten Form immer eine möglichst schnelle Druckentlastung des betroffenen Gelenks und abhängig von Verlaufsform und Abrutschwinkel die Fixation mit oder ohne Korrektur des Abrutschwinkels der betroffenen Seite und die prophylaktische Fixation der Gegenseite [17].
Zeigt sich ein beginnender Morbus Perthes mit Gelenkspaltverbreiterung oder beginnender Kondensation, besteht notfallmäßig kein orthopädischer Handlungsbedarf. Das Kind kann im Verlauf kinderorthopädisch vorgestellt werden, um die weitere, stadiengerechte Therapie einzuleiten. Im ggf. schmerzhaften Initialstadium kann vorrübergehend ein NSAR (z.B. Nurofen-Saft) verordnet werden.
Differenzialdiagnosen
Zeigt die kindliche schmerzhafte Hüfte keine der vorgestellten Befundkonstellationen, ist in Folge eine weiterführende Diagnostik mit Labordiagnostik und erweiterter Bildgebung notwendig. Folgende Differenzialdiagnosen kommen in Frage:
- Meyer-Dysplasie,
- Epiphysäre Dysplasie,
- Spondyloepiphysäre Dysplasie,
- Chondroblastom,
- Juvenile idiopathische Arthritis,
- Medikamentös induzierte Hüftkopfnekrose,
- Morbus Gaucher,
- Sichelzellanämie,
- Thalassämie,
- Achondroplasie,
- Morbus Morquio,
- Klinefelter Syndrom,
- Tumoren.
Zusammenfassung
Für den diensthabenden Arzt besteht die Herausforderung darin, die für das Hüftgelenk bedrohliche septische Coxitis des Neugeborenen und Kleinkindes sowie die akute ECF des Pubertierenden zu erkennen. Mithilfe der 4 Prädiktoren CRP, Leukozytenzahl, Gehfähigkeit und Temperatur, gelingt die Abgrenzung der septischen Coxitis zur Coxitis fugax in den meisten Fällen sehr gut. Die ECF kann mit geschulter Anamneseerhebung, genauer klinischer Untersuchung und geschulter Röntgendiagnostik erkannt werden und einer stadiengerechten chirurgischen Therapie in einem kindeorthopädischen Zentrum zugeführt werden.
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.