Originalarbeiten - OUP 02/2013
Delta Xtend – inverse Schulterprothese
K.A. Witt1, J. Steinbeck1
Zusammenfassung: Die inverse Schulterendoprothetik ist das sich am schnellsten entwickelnde Gebiet in der Schulterendoprothetik der letzten 10 Jahre. Diese Verbesserung resultiert für die Patienten in einer sehr guten Schmerzlinderung und einer sehr guten funktionellen Verbesserung, insbesondere in Fällen, in denen bisher eine herkömmliche Schulterhemiprothese nur schlechte Ergebnisse erzielt hatte. Die Indikation zur inversen Schultertotalendoprothese weitet sich aktuell schnell aus. Schulterchirurgen sollten jedoch nicht nur die großen Vorteile der inversen Schulterendoprothetik im Auge haben, sondern auch die hohe Komplikationsrate und insbesondere die noch nicht ausreichend vorliegenden Langzeitergebnisse. Die Delta-Xtend-Prothese
basiert auf einer langjährigen klinischen Erfahrung. Technische Neuerungen führen zu guten bis sehr guten
klinischen Ergebnissen bei einer niedrigen Revisionsrate.
Schlüsselwörter: Inverse Schulterprothese, Grammont, Defektarthropathie, Delta Xtend, Omarthrose, Rotatorenmanschettenruptur
Abstract: The reverse shoulder arthroplasty represent the most developing field in shoulder arthroplasty in the last ten years. It results in excellent pain relief and highly satisfactory improvements in patients for whom conventional arthroplasty has previously yielded less satisfactory outcomes.
Indications continue to evolve and the number of prostheses implanted is rapidly expanding. Surgeons need to be aware not only of potential benefits but also of complications and ongoing concerns regarding the longevity of this prosthesis. The Deleta Xtend Shoulder System bases on a long clinical experiences. Technical innovation has lead from good to
excellent clinical results next to a low revision rate.
Keywords: reverse shoulder arthroplasty, grammont, rotator cuff arthropathy, Delta Xtend, omarthrosis, rotator cuff tear
Einführung
Die Kombination aus Rotatorenmanschettenruptur und Omarthrose konnte über viele Jahre nur mäßig bis schlecht behandelt werden, Neer sprach in diesem Zusammenhang von der „limited goals surgery“. Dieser Problematik nahm sich Paul Grammont, Dijon, Frankreich, in den 70er Jahren an und entwickelte verschiedene Prothesen zur Behandlung der Defektarthropathie. Er nahm die Ideen anderer Autoren auf und verbesserte die Mechanik an den entscheidenden Stellen, der vollständige Bruch mit der Anatomie war der Wandel.
Die 1985 von ihm vorgestellte „Trompete“(Medinov, Roanne, Frankreich) gilt bis heute als Prototyp der inversen Schulterprothese [1].
Diese erste halb geführte inverse Prothese wurde zur Versorgung von Patienten mit Defektarthropathien entwickelt. Im Jahre 1987 berichtete Grammont über seine ersten acht Fälle, 3 der Patienten erreichten eine Elevation zwischen 100° und 130° [2].
Die ersten moderne inverse Schulterprothese wurde 1991 vorgestellt, die Delta CTA (DePuy Orthopaedics, Warsaw, Indiana, USA) (Abb. 1). Auf der Basis der Delta CTA wurden die nächsten Generationen dieses Prothesensystems entwickelt: 2002 wurde die Delta CTA 3.1 vorgestellt, zuletzt mit zahlreichen Neuerungen 2007 die Delta Xtend (Abb. 2).
Das biomechanische Prinzip dieser Prothese beruht auf der Artikulation eines konvexen Glenoidkörpers mit einem konkaven Gelenkpartner im Humerus, die für den gesamten Bewegungsumfang ein stabiles Drehzentrum im Glenohumeralgelenk wiederherstellt. Dazu wird das anatomische Verhältnis zwischen Skapula und Humeruskomponente umgekehrt, sodass das Drehzentrum nach medial und distal verlagert wird, um den Hebelarm des Musculus deltoideus zu verlängern. Paul Grammont entwickelte dazu ein halbgekoppeltes Prothesenmodell, das mit 2 Innovationen das Problem der schlechten Beweglichkeit und der frühzeitigen Lockerung früherer Prothesensysteme löste. Der grundsätzliche Aufbau setzt sich aus einer großen glenoidalen Hemisphäre ohne Hals und einer kleineren humeralen Komponente mit einem nahezu horizontal ausgerichteten Polyethylentrichter zusammen, der weniger als die Hälfte der Hemisphäre bedeckt. Das Drehzentrum liegt damit im Glenoidbasisknochen-Interface. Dieses Design medialisiert das Drehzentrum, stabilisiert die Artikulation und verringert das Drehmoment auf die glenoidale Komponente. (s. Abb. 3a und Abb. 3b)
Mit der Delta-CTA-Prothese verwirklichte Paul Grammont die Prinzipien der inversen Schulterprothese:
- 1. Fixes Rotationszentrum mit kongruenten Gelenkflächen
- a) zur Kompensation der insuffizienten Rotatorenmanschette
- b) zur Erhöhung der Stabilität
- 2. Medialisierung des Drehzentrums und des Humerus
- a) zur Verbesserung des Hebelarms des M. deltoideus
- b) zur Verminderung der Drehmomentkräfte auf die Glenoidkomponente
- 3. Kaudalisierung des Humerus im Verhältnis zum Glenoid
- a) zur Wiederherstellung der Spannung des M. deltoideus
Technische Merkmale
Glenoidkomponente
Die Metaglene als Basisimplantat für die Glenosphäre wurde bei der Delta Xtend-Prothese weiter verbessert. Es liegt nun eine kleinere gebogene Metaglene vor, die eine niedrigere Platzierung auf dem Glenoid erlaubt und zudem weniger Knochen verbraucht. Ziel ist, das Risiko einer Scapulaerosion zu reduzieren [3]. Die optimale Glenoidfixation wird erreicht durch die Verlagerung des Rotationszentrum auf die Glenoidknochenoberfläche. Zur Fixierung sind 2 polyaxial winkelstabile Schrauben zu positionieren. Zudem können 2 nicht winkelstabile Schrauben platziert werden (Abb. 4). Die Glenosphären gibt es neben der 38- und 42-mm-Standardgröße als exzentrische Glenosphären, die Exzentrik beträgt + 2 mm.
Humeruskomponente
Bei den Schäften kann zwischen einem zementfreien modularen Schaft und einem zementierten Monoblock-Humerusschaft gewählt werden. Das zementfreie Schaftdesign basiert auf dem GLOBAL-Schultersytem, es kann eine anatomische Positierung für die optimale Press Fit-Verankerung erreicht werden. Die modulare Epiphysenkomponente ist in zentrierter und exzentrischer Ausführung erhältlich. Diese kann in 0° bis 10° Retroversion positioniert werden. Der 155° Hals/Schaftwinkel sorgt für eine optimierte Gelenkstabilität. Die kleineren Abmessungen der neuen Epiphyse führen zum einem maximierten Knochenerhalt. Die Modularität führt zur Kompensation des posterioren Offset durch die exzentrische Epiphyse (Abb. 5a und 5b). Hiermit kann ein anatomisches Ausfüllen der proximalen Epiphyse erreicht werden. Hierdurch verspricht man sich eine Verminderung des Notchings als auch eine Vergrößerung der Außen- und Innenrotation