Industrie und Handel - OUP 07-08/2015
Der Chirurg am Puls der Zeit – Updates zu Operationstechniken, Antikoagulation und LeitlinienAktuelles für Chirurgen und Orthopäden: „Das Blaue Skalpell 2015“
Die Veranstaltung „Das blaue Skalpell 2.0“ unter dem Vorsitz von Frau Prof. Dr. Sylvia Haas stand im Zeichen aktueller orthopädischer und chirurgischer Themen. Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen diskutierten und referierten u. a. über die dynamische intraligamentäre Stabilisierung des vorderen Kreuzbandes – „Ligamys“ –, über das Impingement-Syndrom bei Koxarthrose sowie über Evidenzen und Erfahrungen mit etablierten und neuen Antikoagulanzien im Rahmen des perioperativen Managements. Wichtige Schwerpunkte waren dabei die in Kürze erscheinende, überarbeitete S3-Leitlinie zur Prophylaxe venöser Thromboembolien sowie Aspekte der neueren, direkt wirkenden Blutgerinnungshemmer in der täglichen Praxis.
Kreuzbanderhalt ? eine Revolution durch die Ligamys-Technik
In der Kreuzbandchirurgie wird das verletzte Kreuzband teils partiell exzidiert und durch eine körpereigene Sehne ersetzt. Laut Dr. Clemens Kösters, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Münster, stellt sich die Frage des „Warum“? Weiß man doch seit Längerem, dass Nachteile mit dieser Technik verbunden sind. So werde gesundes Sehnengewebe aus einem intakten Körperareal entnommen, und jedes Transplantat habe bekanntermaßen eine höhere Rupturrate als originäres Gewebe. Aus der wissenschaftlichen Literatur sei laut Kösters bekannt, dass das vordere Kreuzband (VKB) Heilungspotenzial besitzt. Häufig stellt sich jedoch das Problem, dass die primäre Naht durch fehlende biomechanische Stabilität hohe Versagensraten aufweist. Eine Heilung des VKB kann jedoch durch eine neue Kreuzbandnahttechnik, der dynamischen intraligamentären Stabilisierung, unterstützt werden. Bei dieser sogenannten Ligamys-Technik handelt es sich um eine dynamische Stabilisierung, durch die zyklische Belastungen über eine Federtechnik kompensiert und in eine konstante Spannung umgewandelt werden.
Bislang wurden mehr als 1400 Ligamys implantiert. In Studien zeigte sich eine höhere Stabilität als im nativen VKB [1]. Im Vergleich zum konventionellen Vorgehen konnten die Patienten rascher mobilisiert werden (Abb. 1). Auch berichtete Dr. Kösters von Erfahrungen zur Thromboseprophylaxe bei stark adipösen Patienten, zu denen nicht selten auch die Kreuzbandpatienten gehören. Im Universitätsklinikum Münster würden Patienten mit einem Körpergewicht über 120 kg bereits für eine prophylaktische Gabe eines niedermolekularen Heparins eine körpergewichtsadaptierte Dosierung erhalten, wobei Risikofaktoren und Organfunktionen bei der Dosisfindung mitberücksichtigt werden. So könne es sein, so der Referent, dass Patienten im Rahmen der Thromboseprophylaxe nicht, wie üblich, eine 1 x tägliche Dosis von 20 mg bzw. 40 mg Enoxaparin erhalten, sondern außerhalb der Zulassung 2 x täglich bis zu 60 mg. Regelmäßig würde man bei diesen Patienten 3–4 h nach der subkutanen Applikation den Anti-Faktor-Xa-Wert messen und die Dosierung des Antithrombotikums diesen Werten anpassen. Blutungskomplikationen seien in dieser Off-Label-Dosierung bislang nicht aufgetreten, was die große therapeutische Breite von Enoxaparin widerspiegeln würde.
Impingement bei Koxarthrose und Strategien zum perioperativen Management
Das Impingement-Syndrom und die Thromboembolieprophylaxe bei endoprothetischen Eingriffen bei Koxarthrose war das Thema von PD Dr. Bilal Farouk El-Zayat, Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum in Marburg. Er riet den Kollegen, die Extremität postoperativ ausreichend zu entlasten und den Patienten eine Anleitung zu aktiver Bewegung mitzugeben. Auch dürfe eine ausreichende Thromboembolieprophylaxe in Hochrisikodosierung nicht vergessen werden, wie z. B. 1 x täglich 40 mg Enoxaparin.
Prof. Dr. Knut Kröger, Klinik für Gefäßmedizin, Helios-Klinikum Krefeld, vertiefte den Aspekt der Thromboseprophylaxe und gab praktikable Ratschläge. So wies er auf die Risikoklassifikation und das perioperative Management im Positionspapier der DGK hin. Danach sollten Patienten mit geringem oder mittelgradigem Thromboembolierisiko je nach klinischer Einschätzung mit einer therapeutischen oder halbtherapeutischen Dosis gebridgt werden. Wichtig sei es, Patienten mit hohem Thromboembolierisiko zu erkennen. Dies sei von besonderer Bedeutung, so Prof. Kröger, denn diese Patienten müssten im Falle des Bridgings zwingend mit einer therapeutischen Dosis eines Antikoagulans überbrückt werden (Abb. 2). Am Beispiel von Enoxaparin hieße das, 1 mg/kg Körpergewicht 2 x täglich subkutan zu applizieren. Halbtherapeutisch bedeutet demnach, eine körpergewichtsadaptierte Gabe von Enoxaparin 1 x täglich. Abzuraten sei davon, gänzlich auf einen medikamentösen Thromboseschutz zu verzichten. Man könne im Vorfeld, so Prof. Kröger, schwer abschätzen, wie lange die reguläre Antikoagulation unterbrochen werden müsse, und das Blutungsrisiko durch die Gabe einer überbrückend eingesetzten Substanz sei sehr gering. Auch solle vermieden werden, das thromboembolische Risiko von Patienten mit künstlichen Herzklappen selbst einzuschätzen. Hier wäre ein kardiologisches Konsil oft die sicherere Alternative. Im Zweifelsfall, so der Referent, seien solche Patienten immer Hochrisikopatienten. Das thromboembolische Risiko von Vorhofflimmerpatienten solle nach dem CHADS2-Score eingeschätzt werden, wobei die entscheidende Frage sei, ob ein Patient bereits eine thromboembolische Komplikation erlitten habe. Ist dies der Fall, so sei auch hier von einem Hochrisikopatienten auszugehen.
Ist die Risikoeinschätzung abgeschlossen, so lassen sich Patienten anhand bekannter Schemata unproblematisch bridgen. Das orale Antikoagulans, in der Regel Marcumar, wird etwa 7 Tage vor dem elektiven Eingriff abgesetzt. Nach Absinken des INR auf < 2 erhält der Patient eine gut steuerbare Substanz, z. B. ein NMH, welches den Zeitraum bis zum Eingriff überbrückt. Je nach Blutungs- und Thromboserisiko wird voll- oder halbtherapeutisch, also entweder 1 x oder 2 x täglich, körpergewichtsadaptiert dosiert. Entsprechend wird postoperativ verfahren. In Abhängigkeit vom Blutungsrisiko erhält der Patient ab dem 1. oder 2. postoperativen Tag z. B. Enoxaparin und häufig bereits wieder sein orales Antikoagulans. Ab einem INR > 2 wird auf die Applikation der parenteralen Substanz verzichtet.
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